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Neue soziale Bewegungen in der Bundesrepublik in den 70er und 80er Jahren

Par Natalie Pohl : Lectrice d'allemand - ENS LSH
Publié par MDURAN02 le 28/04/2009

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Émancipation de la femme, environnement, énergie nucléaire, réarmement : au début des années 70, nombre d’Allemands, déçus par les partis en place, participent aux Bürgerinitiativen qui sont un exemple des nouveaux mouvements sociaux dont l’institutionnalisation progressive aboutit à la création du parti des Verts. Emanzipation der Frau, Umweltpolitik, Risiken der Atomenergienutzung und die Kritik an der Nachrüstungspolitik der NATO: Diese Themen wurden in den Augen vieler Deutschen Anfang der siebziger Jahre nur unzureichend von den etablierten Parteien vertreten. Sie schlossen sich in Bürgerinitiativen zusammen, die, oft in personeller und organisatorischer Kontinuität zur 68er Bewegung, sich zu „Neuen sozialen Bewegungen“ entwickelten. Die Gründung der Partei „Die Grünen“ markiert deren Institutionalisierung.

Seit Beginn der siebziger Jahre entstanden in der ganzen Bundesrepublik eine Vielzahl hochpolitisierter Gruppen, die zum Ende des Jahrzehnts große Teile der Bevölkerung mobilisierten. Anders als bei den traditionellen sozialen Bewegungen, wie z.B. der Arbeiterbewegung, stand bei diesen "Neuen sozialen Bewegungen" nicht die Überwindung der "sozialen Frage", sondern die Behebung der negativen Folgen des industriellen Wachstums im Vordergrund. Ziel ihres Engagements war es, durch eine umwelt- und sozialverträglichere Lebensweise langfristig eine bessere Lebensqualität zu erreichen (Rucht, 1989, 311; Brand, 1987, 42).

Die Neuen sozialen Bewegungen entwickeln sich erst langsam zu einem Thema der Geschichtswissenschaft. Seit den achtziger Jahren waren es vor allem die deutsche Soziologie und Politikwissenschaft, die sich daran machten, das Phänomen der Neuen sozialen Bewegungen näher zu untersuchen. In diesem Zusammenhang sind vor allem die Arbeiten von Joachim Raschke (Raschke, 1985 und 1987) und Dieter Rucht (Rucht, 1980, 1982 und 1994) anzuführen. Vereinzelt existieren auch schon Überblicke über einzelne Bewegungen (Wasmuth, 1989). Vor allem für die Frauenbewegung liegen schon eingehende Untersuchungen über deren Formierung und Weiterentwicklung in den siebziger Jahren vor (Schulz, 1998 und 2002; Knafla/Kulke, 1987).

Was versteht man unter dem Phänomen Neue soziale Bewegungen? Wie sind diese Bewegungen in die Geschichte der Bundesrepublik einzuordnen? Was waren die Ziele der einzelnen Bewegungen? Wer waren ihre Anhänger? Welche Entwicklungsstadien durchliefen sie bis in die achtziger Jahre?

Um diese Fragen beantworten zu können, soll zunächst der Begriff Neue soziale Bewegung näher beleuchtet werden. In einem weiteren Schritt werden die politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen, insbesondere das Verhältnis zwischen Neuen sozialen Bewegungen und der Studentenbewegung näher beleuchtet. In Folge sollen mit der Ökologie-Bewegung, der Anti-Atomkraftbewegung, der Frauen- sowie Friedensbewegung die wichtigsten Einzelbewegungen vorgestellt werden. Abschließend soll die Institutionalisierung der Bewegung ab Ende der siebziger Jahre thematisiert werden.

1. Definition der Neuen sozialen Bewegungen

Das Phänomen der sozialen Bewegung kann in Deutschland auf eine lange Tradition zurückblicken. Seit dem 19. Jahrhundert waren mit der Arbeiterbewegung, der Frauen- und Jugendbewegung eine Vielzahl von Gruppen entstanden, die zwar alle auf einen Wandel der sozialen und gesellschaftlichen Ordnung zielten, sich jedoch was ihre Anhänger, ihre Ziele und ihre Aktionsformen betrifft, teilweise stark unterschieden (Raschke, 1985, 22 ff.).

Die ersten Studien zu sozialen Bewegungen wurden in den 50er und 60er Jahren in den Vereinigten Staaten erstellt, wo die Aktivierung großer Teile der Bevölkerung als Möglichkeit zum kollektiven und zielgerichteten Handeln angesehen wurde. Das Aufkommen neuer Gruppen, wie der Anti-AKW-Bewegung, machte in den siebziger Jahren auch in der Bundesrepublik, wo der Begriff "Bewegung" seit Ende des NS-Regimes zunächst einmal diskreditiert war, eine eingehende Beschäftigung mit dem Phänomen unumgänglich (Raschke, 1987, 19).

Die zunächst unabhängige und zeitlich versetzte Bewegungs-Forschung in den USA und Deutschland wird auch in den schließlich entwickelten Definitionen deutlich: Während in den USA der konkrete makrosoziale Entstehungs- und Vermittlungskontext der Bewegungen nur wenig berücksichtigt wird, steht in Europa die Frage gesamtgesellschaftlicher Entstehungs- und Entwicklungsbedingungen im Vordergrund. Diese unterschiedliche Herangehensweise erklärt sich dadurch, dass die Bewegungen in den Vereinigten Staaten vor allem als (massen-) psychologisches Phänomen wahrgenommen wurden, in Deutschland dagegen auch die historische Entwicklung der Bewegungen in der Definition berücksichtigt werden sollte (Rucht ,1994, 71-76). In Deutschland bemühte sich besonders Joachim Raschke in den achtziger Jahren eine Definition zu finden, welche dem Phänomen der Neuen Sozialen Bewegungen gerecht wird und auch die traditionellen sozialen Bewegungen umfasst. Für ihn ist "Soziale Bewegung [...] ein mobilisierender kollektiver Akteur, der mit einer gewissen Kontinuität auf der Grundlage hoher symbolischer Integration und geringer Rollenspezifikation mittels variabler Organisations- und Aktionsformen das Ziel verfolgt, grundlegenderen sozialen Wandel herbeizuführen, zu verhindern oder rückgängig zu machen." (Raschke, 1985, 77). Insgesamt wird den sozialen Bewegungen von der Forschung vor allem eine zentrale Rolle bei gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Modernisierungsschüben zugewiesen (Roth, 1985, 21).

Was die Neuen sozialen Bewegungen anbelangt, so unterscheiden sie sich von ihren Vorläufern, wie bereits erwähnt, vor allem durch ihren gesellschaftlichen und politischen Stellenwert sowie durch die von ihnen angesprochenen modernisierungskritischen Themen. Ihr Protest richtete sich zum einen gegen bürokratische Bevormundung und Kontrolle, zum anderen galt ihr Einsatz aber auch der Durchsetzung einer bewussteren Lebensweise in der Bevölkerung (Brand, 1987, 41-42).

Zur klassischen Organisationsform der Neuen sozialen Bewegungen entwickelte sich dabei vor allem im städtischen Raum seit Ende der sechziger Jahre die Bürgerinitiative, eine Organisationsform, bei der sich "mündige Bürger" zusammenschlossen, die ihre Interessen von den bestehenden Parteien nicht vertreten sahen. Die Initiativen waren zeitlich und räumlich begrenzt und richteten die sich gegen administrative Maßnahmen und Mängel der Infrastruktur. Auch wenn die Gründe, die zur Gründung einer Bürgerinitiative führten, sehr unterschiedlich sein konnten, einte die Gruppen das auf staatsbürgerlicher Partizipation und Basisdemokratie begründete Engagement seiner Anhänger (Mez, 1987, 263).

Bis Mitte der siebziger Jahre existierten in der Bundesrepublik zwischen 15000 und 20000 Bürgerinitiativen (Mez, 1987, 263). Ausgehend von "Ein-Punkt-Aktionen" (Rucht 1982), d.h. lokal und thematisch begrenzte Initiativen, entwickelten sich jedoch schon bald zwischen den einzelnen Initiativen Netzwerken. Die so gebildeten Zusammenschlüsse, wie zum Beispiel der 1972 gegründete Bundesverband Bürgerinitiative Umweltschutz (BBU), ermöglichten einen Erfahrungsaustausch zwischen den Gruppen in rechtlichen und organisatorischen Fragen, der es den Initiativen ermöglichte, sich besser gegenüber Politik und Bürokratie durchsetzen zu können (Mez, 1987, 263; Brand/ Büsser/ Rucht, 1983, 92-93).

2. Neue soziale Bewegungen - das Erbe von 1968?

Waren die Deutschen in der unmittelbaren Nachkriegszeit mit dem wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Wiederaufbau ihres Landes beschäftigt, so zogen sich viele in den Jahren des Wirtschaftswunders ins Privatleben zurück und scheuten eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Ein bürgerliches Engagement beschränkte sich auf die Arbeit in Parteien oder Verbänden, eine eigenständige Mobilisierung aus den Reihen der Bevölkerung fand nicht statt. Erste Protestbewegungen wie z.B. im Zusammenhang mit der Frage um die Wiederbewaffnung, wurden daher noch maßgeblich von den Sozialdemokraten und den Gewerkschaften getragen (Roth, 1985, 30-31).

Seit Mitte der sechziger Jahre begann sich das politische Klima in der Bundesrepublik jedoch zu ändern: Schon die Spiegel-Affäre, das Vorgehen gegen das Nachrichtenmagazin Der Spiegel wegen angeblichen Verrats von militärischen Geheimnissen, hatte 1962 die Bevölkerung wachgerüttelt und zu einer öffentlichen Diskussion über die Grundlagen des politischen Systems der Bundesrepublik geführt. Im Verlaufe der sechziger Jahre entwickelte sich die wachsende kritische Öffentlichkeit zur Außerparlamentarischen Opposition (APO), als nach den Bundestagswahlen 1966 mit Bildung der Großen Koalition aus CDU und SPD einzig die mit 9,5 Prozent im Bundestag vertretene FDP als Opposition verblieben war. Der besonders von Studenten getragene Protest richtete sich vor allem gegen die geplante Verabschiedung von Notstandsgesetzen, die ihrer Meinung nach eine Gefahr für die Demokratie darstellten. Auch der Einzug der rechtsextremen NPD in bundesdeutsche Landtage schürte in Deutschland die Angst vor einem neuen Faschismus (Richter, 1998, 38; Görtemaker, 1999, 484; Schildt, 2001, 10).

Neben der Kritik an den bestehenden politischen Verhältnissen richtete sich der Protest auch gegen die Politik der USA in Vietnam. Darüber hinaus wurde der Ruf nach einer umfassenden Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit laut. Getragen wurde dieser Protest vor allem vom Sozialistischen Deutschen Studentenbund, der sich seit Anfang der sechziger Jahre für eine Reform des deutschen Bildungswesens, allen voran der deutschen Universitäten, einsetzte. Neben Demonstrationen nutzten die Studenten erstmals Aktionsformen wie Sit-ins oder Teach-ins, die ihren Ursprung in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung hatten. All diese Aktionen verliefen nicht immer friedlich, wiederholt eskalierten Demonstrationen und mündeten in Kämpfen mit der Polizei, so zum Beispiel nach dem Tod des Studenten Benno Ohnesorg, der am Rande einer Demonstration gegen den Besuch des persischen Schahs im Juni 1967 von einem Polizisten in Berlin erschossen worden war (Gilcher-Holtey, 2005, 56-57; Kraushaar, 2000, 24, 37).

Die Anhänger des SDS sahen sich als Vertreter einer Neuen Linken, die sowohl den Sowjetkommunismus als auch die Sozialdemokratie als Fehlentwicklungen ansah und von daher einen dritten Weg einschlagen wollten. Ihr theoretisches Fundament fand die Studentenbewegung neben den Werken klassischer linker Theoretiker wie z.B. Marx vor allem in der von Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und Herbert Marcuse im Rahmen der Kritischen Theorie entwickelten Gesellschaftsphilosophie. Auf Grundlage dieser Theorien glaubten die Studenten, die Gesellschaft verändern und gegen den latenten Anti-Kommunismus, das formale Demokratieverständnis und den ungebremsten Wohlstandsglauben der jungen Bundesrepublik vorgehen zu können. Eng damit verbunden war aber auch ein gesellschaftlicher Wertewandel: Galten bis dahin Tugenden wie Fleiß, Gehorsam und Disziplin als richtungweisend, setzte nun ein Trend zur individualisierten Selbstentfaltung ein. Deutlich wird dieser Trend zum Beispiel in Erziehungsfragen, wo nun die Tendenz bestand, Kinder zur Selbstständigkeit, nicht jedoch zum strikten Gehorsam zu erziehen (Görtemaker, 1999, 622-624; Kraushaar, 2000, 31-32, Brand, 1987, 35).

Spätestens mit der Verabschiedung der Notstandsgesetze im Mai 1968 war der Zenit der Studentenbewegung überschritten. Anders als in Frankreich war es in der Bundesrepublik z.B. nicht gelungen, eine Einheit zwischen Studenten und Arbeitern herzustellen. Die angestrebte Hochschulreform blieb hinter den Erwartungen der Studenten zurück. Es gelang den Anführern der Studentenbewegung immer weniger, ihre Kommilitonen zu mobilisieren und auch innerhalb des SDS kam es zu einer Zersplitterung. Während sich ein Teil der Anhänger radikalen linken Kräften zuwandte, hoffte ein gemäßigterer Teil auf die 1969 neugebildete sozialliberale Koalition. Die revolutionären Erwartungen waren nicht erfüllt worden (Kraushaar, 2001, 24-25). Doch nicht nur in den Universitäten, auch in weiten Teilen der Bevölkerung war die Fortschrittseuphorie Anfang der siebziger Jahre gedämpft worden: Neben dem Bericht des Club of Rome, einer 1968 gegründeten Organisation zum Austausch über weltweite Probleme, der 1972 die "Grenzen des Wachstums" erreicht sah, zeigte spätestens der Ölschock von 1973, dass neue Ansätze in der Wirtschaftspolitik notwendig waren und, dass der Ausbeutung der Ressourcen in Zukunft Grenzen gesetzt sein würden. Durch die Wirtschaftskrise und den Regierungswechsel von Kanzler Willy Brandt zu Kanzler Helmut Schmidt dominierte in Folge auch wirtschaftspolitisches Krisenmanagement die Regierungspolitik. Die Aufbruchstimmung in Folge der Reformpolitik der Ära Brandt war versiegt (Brand/ Büsser/Rucht, 1983, 79-80). Vor diesem Hintergrund formierten sich in den siebziger Jahren Gruppen und Initiativen, die nicht länger auf den Zukunftsglauben linker Theoretiker setzen wollten. Enttäuscht von der Arbeit der bestehenden Parteien, wurden diese Gruppen im Kleinen aktiv, um ihre konkreten Lebensumstände zu verändern. Die Vielzahl sich entwickelnder Einzelbewegungen - Frauenbewegung, Ökologie- und Anti-Atomkraftbewegung, um nur einige zu nennen - vernetzten sich im Laufe der siebziger Jahre immer weiter und wurden schließlich als ein großes Ganzes, als "Neue soziale Bewegungen" in der Öffentlichkeit wahrgenommen (Brand, 1987, 35-36; Stöss, 1987, 287; Rucht, 1989, 311).

Obwohl sich diese Neuen sozialen Bewegungen bewusst von der Theorielastigkeit der 68er Bewegung abgrenzen wollten, kann man dennoch in vielen Punkten eine Nähe der beiden Bewegungen feststellen: Ein großer Teil der Anhänger der Neuen sozialen Bewegungen rekrutierte sich z.B. aus ehemaligen Aktivisten der Studentenbewegung, so dass vor allem in den Städten von einer gewissen personellen Kontinuität ausgegangen werden kann. Darüber hinaus waren eine Vielzahl von Aktionsformen wie z.B. Sit-ins, oder auch die autonome netzwerkartige Organisationsstruktur schon Bestandteil des studentischen Protests gewesen (Brand, 1987, 36-37).

3. Neue soziale Bewegungen

3.1 Die Ökologie-Bewegung

Die Vorläufer der Ökologie-Bewegung reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück, als in Deutschland im Hintergrund einer romantisch-ästhetischen Naturwahrnehmung zahlreiche Tier-, Natur- und Denkmalschutzverbände gegründet wurden. Getragen wurden diese Vereinigungen vor allem von bildungsbürgerlichen Schichten in den Städten, die im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung die Natur vor negativen Eingriffen schützen wollten (Rucht, 1994, 235).

Eine Zäsur für die Umweltbewegung bildete die "Blut- und Boden-Ideologie" der Nationalsozialisten, die Begriffe wie Heimat, Landschaft und Natur für lange Zeit belastete. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand zunächst einmal der wirtschaftliche Wiederaufstieg im Zentrum des gesellschaftlichen Interesses. Später ließ das rasante Wirtschaftswachstum negative Folgeerscheinungen wie die zunehmende Umweltverschmutzung in den Hintergrund treten (Brand, 1987, 38; Rucht,1994, 235). Erst seit Mitte der sechziger Jahre kam es zu einer Debatte um Umweltprobleme, als Probleme wie Luftverschmutzung, saurer Regen, innerstädtische Lärm- und Verkehrsbelastung sowie Ressourcenerschöpfung nicht mehr ignoriert werden konnten. Die wachsende Diskussion über einen besseren Umweltschutz wurde von zahlreichen Veröffentlichungen wie z.B. Ein Planet wird geplündert (Gruhl, 1975) des konservativen Politikers Herbert Gruhl begleitet, welche die Bevölkerung und Politik zu einem umweltpolitischen Umdenken aufriefen. Neben den traditionellen Umweltverbänden, wie dem 1899 gegründeten Naturschutzbund, organisierten sich Bürger nun vor allem in Bürgerinitiativen. Überall in der Bundesrepublik bildeten sie sich als spontane Zusammenschlüsse von Bürgern, die aktiv gegen bestimmte Missstände oder Projekte wie den Bau einer Schnellstraße, vorgehen und dadurch etwas für den Schutz der Umwelt tun wollten. Weil es sich bei einer Vielzahl der Umweltprobleme vor allem um städtische Phänomene handelte, erklärt sich, dass der Großteil dieser Gruppen in städtischen Ballungsräumen gegründet wurde (Rucht, 1989, 326-327; Brand/ Büsser/ Rucht, 1983, 89).

Die Anhänger der Ökologie-Bewegung rekrutierten sich aus unterschiedlichen politischen Strömungen, wobei ein starkes Übergewicht linker Kräfte zu verzeichnen ist. Insgesamt sind es vor allem Angehörige der Mittelschicht mit einem höheren Bildungsabschluss gewesen, die sich in der Bewegung engagierten (Rucht, 1994, 249; Brand/ Büsser/ Rucht, 1983, 102-103).

Im Hintergrund einer wachsenden Politikverdrossenheit und Bürokratie-Müdigkeit boten Bürgerinitiativen eine Anlaufstelle für Bürger, die sich in umweltpolitischen Fragen von den etablierten Parteien nicht mehr vertreten fühlten. Vielfach wurde letzteren vorgeworfen, ökologische Gesichtspunkte dem ökonomischen Nutzen unterzuordnen. Auch wenn sich z.B. in der SPD Stimmen mehrten, die zu einem Umdenken aufriefen und eine Hinwendung zu umweltpolitischen Themen forderten, zählten in den Krisenjahren der siebziger Jahre vor allem wirtschaftspolitische Erfolge, weshalb sich Personen wie der SPD-Politiker Erhard Eppler, für den es nur die Alternativen "Ende oder Wende" (Eppler, 1975) gab, letztlich nicht gegen das Primat der Wirtschafts- und Finanzpolitik von Bundeskanzler Helmut Schmidt durchsetzen konnten (Rucht, 1994, 249).

Eine der bekanntesten Aktionen der Ökologie-Bewegung war die Auseinandersetzung um den Ausbau der Startbahn West des Frankfurter Flughafens. Dort hatten sich im Umkreis der Stadt eine Vielzahl von Aktionsgruppen und Initiativen gebildet, um gegen die Erweiterung des Flughafens vorzugehen. Wie an anderen Orten kam es auch hier zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Politik, die vor allem den Verlust von Arbeitsplätzen und Nachteile für den Verkehrsknotenpunkt Frankfurt als Argumente für den Ausbau anführte (Rucht, 1984, 198-199).

Ende der siebziger Jahre verloren die Bürgerinitiativen für viele Bürger ihre Anziehungskraft, interne Spannungen über den zu verfolgenden politischen Kurs nahmen zu. Daneben konnten aber traditionelle, bereits bestehende Verbände wie z.B. der Naturschutzbund Deutschland, die zunächst nur eine untergeordnete Rolle gespielt hatten, Mitglieder dazu gewinnen und sich in der öffentlichen Diskussion profilieren. Es kam zur Gründung weiterer Umweltverbände wie den deutschen Ableger von Greenpeace oder dem Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), die bis heute mit Kampagnen und Aktionstagen einen großen Einfluss auf die deutsche Umweltpolitik nehmen (Rucht, 1994, 263-265).

3.2 Die Anti-Atomkraft-Bewegung

Die Anti-Atomkraft-Bewegung gilt als eine der klassischen "Neuen sozialen Bewegungen" der siebziger Jahre. Auch wenn sie oftmals zur Ökologie-Bewegung gezählt wird, soll sie aufgrund ihrer zentralen Bedeutung in den siebziger Jahren gesondert dargestellt werden.

Hatten sich 18 deutsche Atomwissenschaftler in der Göttinger Erklärung von 1957 explizit gegen den Einsatz von Atomwaffen ausgesprochen, so erklärten sie jedoch abschließend, "daß es äußerst wichtig ist, die friedliche Verwendung der Atomenergie mit allen Mitteln zu fördern, und wir wollen an dieser Aufgabe wie bisher mitwirken"(Göttinger Erklärung). Auch in der Bevölkerung regte sich zunächst kaum Widerstand gegen diese neue Form der Energiegewinnung. Entsprechend überrascht waren dann auch Betreiber von Atomanlagen und Politiker, als sich zu Beginn der siebziger Jahre Protest gegen den Bau von Atomkraftwerken formierte (Rucht, 1994, 446). Eine der ersten Initiativen formierte sich in Baden, wo Bürger gegen den Bau eines Atomkraftwerks in Breisach protestierten. Nach den Protesten wurden die Pläne schließlich modifiziert und man wählte das südbadische Wyhl als neuen Standort. Aber auch dort formierte sich bald eine Opposition. Starke Unterstützung erhielten die Bürgerinitiativen von der anderen Seite des Rheins, wo sich im Elsass ebenfalls Bürgerinitiativen gegen den Bau eines Atomkraftwerks in Fessenheim gegründet hatten. Mit Aufklärungsveranstaltungen, Protestkundgebungen mit mehreren tausend Teilnehmern sowie der Besetzung des Baugeländes in Wyhl machten die Bürgerinitiativen die Diskussion um die zivile Nutzung der Atomkraft erstmals deutschlandweit zu einem Thema und hatten darüber hinaus Signalwirkung für die Arbeit von Bürgerinitiativen an anderen Standorten (Rucht, 1980, 81-85). Dem Beispiel Wyhls folgend formierte sich im Umkreis fast aller Atomkraftwerke oder an möglichen Standorten neuer Atomanlagen ab Mitte der siebziger Jahre wachsender Widerstand. Auch hier waren die Aktionsformen der Bürgerinitiativen breit gefächert. Sie reichten von Aufklärungsveranstaltungen, über angestrengte Rechtsverfahren bis zu Protestkundgebungen oder Blockadeaktionen. Die Träger dieser lokalen Zusammenschlüsse einte meist nur der Widerstand gegen eine geplante oder bestehende Atomanlage, das politische Spektrum der Aktivisten reichte von konservativen Kräften bis zu Anhängern der "Neuen Linken". Im Laufe der siebziger Jahre schlossen sich der Bewegung auch linksradikale Gruppen an, die der Bewegung eine dominante ideologische Ausrichtung gaben (Rucht, 1994, 448).

Erklärtes Ziel der Anti-AKW-Bewegung war der vollständige Verzicht auf die zivile Nutzung der Atomenergie. Ihre Anhänger fürchteten dauerhafte Umweltschäden durch nukleare Unfälle sowie eine Veränderung des Klimas in den betroffenen Regionen. Daneben stand aber auch das Profitstreben der beteiligten Energieunternehmen am Pranger. Das Argument, es handele sich um "günstigen" Strom, wurde mit dem Hinweis auf nicht abzuschätzende Nebenkosten der Atomenergie für Entsorgung des anfallenden Atommülls und die Reaktorsicherheit entkräftet. Darüber hinaus wurde die weitreichende staatliche Kontrolle des Energiesektors sowie die fehlende Transparenz bei den Entscheidungen um den Bau neuer Atomanlagen beanstandet. Die Frage "Atomkraft: Ja oder Nein?" beherrschte dann auch die öffentliche Diskussion in den siebziger Jahren, wobei die von den Gegnern befürchteten Szenarien von der Errichtung eines "Atom-Staates" (Jungk, 1977) bis zum Rückfall in die Steinzeit reichten (Rucht, 1980, 74-78).

Mit der Zeit wurde immer deutlicher, dass es mit lokalen Initiativen nicht getan war, sondern dass es einer Zusammenarbeit der einzelnen Initiativen bedurfte, um die Nutzung der Atomenergie in Deutschland zu verhindern. Zudem versprach man sich von einer Vernetzung eine bessere Position gegenüber der Politik. Ein großer Teil der Bürgerinitiativen schloss sich dem BBU an, der den Gruppen die Möglichkeit zum Meinungsaustausch gab und die Arbeit der Bürgerinitiativen koordinierte. Die zunächst lokalen Aktionen unter dem Motto "Kein Kernkraftwerk in X" entwickelten sich schließlich zu einer Bewegung gegen das gesamte Atomprogramm der Bundesregierung (Rucht 1980, 86; Brand/Büsser/Rucht, 1983, 93).

Die Bürgerinitiativen erhielten auch deshalb einen starken Zulauf aus der Bevölkerung, weil sich die etablierten politischen Parteien für die Nutzung der Atomenergie aussprachen. Vor allem nach der Erfahrung des "Ölschocks" 1973 entwickelte sich die Atomenergie für sie zur Energieform ohne Alternative, bot sie doch nach Ansicht ihrer Befürworter die Möglichkeit, günstig und unabhängig von den Turbulenzen des Weltmarktes Strom zu erzeugen. Doch nicht nur die Parteien, auch die Gewerkschaften standen auf der Seite der Atomkraft-Befürworter, befürchteten sie bei einem möglichen Aus der Atomkraft in Deutschland doch den Abbau von Arbeitsplätzen. Erst Mitte der siebziger Jahre begann sich auch die Politik mit der wachsenden Ablehnung der Atomkraft in der Bevölkerung auseinanderzusetzen. CDU und SPD veranstalteten Kongresse zum Thema Energiepolitik, die Gewerkschaften des Energieversorgungssektors organisierten Großkundgebungen. Einzelne Politiker, vor allem in FDP und SPD, überdachten ihre zunächst positive Haltung gegenüber der Atomkraft und versuchten die Position ihrer Parteien in diesem Punkt zu ändern. Auch die Bundesregierung blieb nicht untätig und richtete 1976 die Aktion "Bürgerdialog Kernenergie" ein, in dessen Rahmen Gegner und Befürworter ihre Argumente austauschen konnten (Rucht, 1980, 87-88; Rucht, 1994, 450).

Neben Wyhl entwickelten sich Wackersdorf, Brokdorf und Gorleben zu weiteren Zentren der Anti-Atomkraft-Bewegung. Auch hier kam es zu Bauplatzbesetzungen und Großdemonstrationen mit mehreren tausend Teilnehmern. Nach zunächst friedlichen Protesten kam es am Rande dieser Großdemonstrationen aber auch immer wieder zu Ausschreitungen zwischen militanten Demonstranten und der Polizei, die von einer zunehmenden Radikalisierung von Teilen der Bewegung zeugten. Nicht nur in der Bevölkerung lösten diese Aktionen heftige Kontroversen aus, auch innerhalb der Bewegung gab es Gruppen, die diese Entwicklung kritisierten und sich für eine "gewaltfreie Aktion" einsetzten (Rucht, 1980, 89-90).

Der Erfolg dieser Aktionen der verschiedenen Initiativen war begrenzt: In einzelnen Fällen, wie z.B. in Wyhl, konnte ein Stopp des Bauprojekts erreicht werden, in den meisten Fällen verzögerten die angestrengten Gerichtsverfahren jedoch nur den Baubeginn und führten zu einer Erhöhung der Baukosten. In anderen Fällen wurden Teilerfolge, wie z.B. höhere Sicherheitsauflagen beim Bau neuer Kernkraftwerke, erzielt. Dennoch muss festgehalten werden, dass es durch die Anti-Atomkraftbewegung erstmals in Deutschland zu einer breiten Diskussion um die Energiegewinnung kam und, dass es ihr gelang, Bürger für energie- und umweltpolitische Themen zu sensibilisieren.

Insgesamt hat die Anti-Atomkraft-Bewegung jedoch seit Ende der siebziger Jahre an Strahlkraft eingebüßt, nachdem deutlich geworden war, dass weder mit dem sozialdemokratischen Bundeskanzler Helmut Schmidt noch mit seinem christdemokratischen Nachfolger Helmut Kohl ein direkter Ausstieg aus der Atomkraft machbar war. Viele ihrer ehemaligen Anhänger schlossen sich der aufkommenden Friedensbewegung an. Andere wiederum versuchten über den Einstieg ins politische System eine Änderung der Verhältnisse zu erreichen oder setzten sich für den Einsatz alternativer Energien ein. Erst ab Mitte der achtziger Jahre kam es, bedingt durch den Super-Gau in Tschernobyl, zu einem erneuten Anwachsen der Bewegung (Rucht, 1994, 453-454).

3.3 Die Frauenbewegung

In den Jahren des Wirtschaftswunders war die gesellschaftliche Rolle der deutschen Frauen vor allem auf die "drei K's" - Kinder, Küche, Kirche - reduziert worden. Auch wenn das Grundgesetz ihnen seit 1949 in Artikel 3 Absatz II die volle Gleichberechtigung gewährte, waren Frauen in vielen Bereichen des Zivilrechts weiterhin lange Zeit benachteiligt. So waren Frauen bis Ende der fünfziger Jahre auf die Zustimmung ihres Ehemanns angewiesen, wenn sie einer Arbeit nachgehen oder ein Bankkonto eröffnen wollten (Frevert, 1986, 267-268).

Die Hoffnung vieler, vor allem junger Frauen, dass sich mit der Studentenbewegung ab Mitte der sechziger Jahre auch ihre gesellschaftliche Position verbessern würde, wurden schon nach kurzer Zeit zerschlagen. Auch die Anführer des SDS hielten weiterhin an den gegebenen Geschlechterrollen fest und wiesen ihren Kommilitoninnen Aufgaben wie Kaffee kochen oder Flugblätter kopieren zu. Auf einer Tagung des SDS in Frankfurt am Main ergriff deshalb die Studentin Helke Sanders im September 1968 das Wort, um auf diese Ignoranz aufmerksam zu machen und zum gemeinsamen Kampf gegen die Ausbeutung und Unterdrückung der Frau aufzurufen. In ihrem Referat stellte sie fest, "daß der SDS innerhalb seiner Organisation ein Spiegelbild gesamtgesellschaftlicher Verhältnisse ist." (Sanders, 1988, 39). Daneben tabuisiere er das Privatleben, was dazu führe, "daß das spezifische Ausbeutungsverhältnis, unter dem die Frauen stehen, verdrängt wird". Als ihre männlichen Kollegen ihren Wortbeitrag jedoch vorzeitig abbrechen ließen und wieder zur Tagesordnung übergingen, verleitete dies ihre Kommilitonin Sigrid Rüger zu einem Tomatenwurf auf die Führung des SDS, der den Startschuss für eine neue Frauenbewegung in der Bundesrepublik Deutschland darstellte: Überall an deutschen Universitäten bildeten sich kurz darauf sogenannte Frauenräte, deren Anhängerinnen für ihr Recht auf Selbstbestimmung kämpfen wollten (Schulz, 2002, 81-85; Sanders, 1988, 39-40).

Zu einem zentralen Thema der neuen Frauenbewegung entwickelte sich die Liberalisierung der Abtreibung. Bei Regierungsantritt hatte die sozialliberale Koalition unter Bundeskanzler Willy Brandt den Willen bekräftigt, die Abtreibungsfrage, im Strafgesetzbuch unter §218-220 geregelt, modifizieren zu wollen. Diskutiert wurde über die Einführung der "sozialen" Indikation und die "Fristenregelung", d.h. der straffreie Abbruch innerhalb der erstenzwölf Schwangerschaftswochen, wogegen sich vor allem von Seiten der katholischen Kirche massiver Protest formierte. In diesem Kontextbildeten sich in der Bevölkerung erste Frauengruppen, die selbst die Initiative ergreifen wollten (Knafla/Kulke, 1987, 94).

Im Juni 1971 bekannten 374 - zum Teil prominente - Frauen in der Illustrierten Stern, abgetrieben zu haben. Sie kopierten damit eine Aktion der französischen "Mouvement pour la Libération des Femmes", der eine solche Aktion zuvor in der Zeitschrift Nouvel Observateur durchgeführt hatte. Mit diesem Tabubruch forderten sie eine ersatzlose Streichung des §218, sowie eine umfassende sexuelle Aufklärung und den freien Zugang zu Verhütungsmitteln (Schulz, 1998, 115; Schulz, 1998, 258).

Die Aktion bildete den Startschuss für die "Aktion 218", der sich in ganz Deutschland Frauengruppen anschlossen. Die in diesen Gruppen organisierten Frauen stammten aus allen Berufs- und Bevölkerungsgruppen. Aus diesen zunächst noch losen Zusammenschlüssen konstituierte sich im März 1972 der erste Bundes-Frauen-Kongress in Frankfurt am Main, bei dem 400 Frauen aus 40 Gruppen erstmals überregional zusammentrafen und sich austauschen konnten. Neben der Abtreibungsfrage standen als weitere große Themenblöcke die Frauenerwerbstätigkeit, die Situation der Familie in der Gesellschaft sowie die Selbstorganisation von Frauen auf der Tagesordnung. Aus vielfältigen Unrechts- und Bevormundungserfahrungen hatte sich bei den Frauen das Bewusstsein entwickelt, sich autonom organisieren zu müssen, um selbstbestimmt leben zu können: Autonom einerseits im Sinne einer Separierung von den Männern, andererseits auf Distanz zum Staat und seinen Institutionen, die als patriarchalisch abgelehnt wurden (Knafla/Kulke, 1987, 94).

Die neue Bewegung machte schon bald mit zahlreichen Aktionen auf sich aufmerksam. Neben Protestaktionen für die Abschaffung des §218 wandten sie sich gegen sexuelle Ausbeutung der Frau und protestierten gegen Miss-Wahlen oder Sex-Shops. Daneben entstanden in zahlreichen Städten Frauenzentren, die den autonomen Charakter der Frauenbewegung noch einmal unterstrichen. Hier konnten sich die Frauen treffen, ihre Aktionen organisieren, aber auch einfach unter sich feiern. Darüber hinaus initiierten die Frauen eigene Kulturprojekte und gründeten Frauenverlage, die die Klassiker der feministischen Literatur, wie z.B.die Schriften von Kate Millett oder Juliet Mitchell, auch deutschen Leserinnen zugänglich machen wollten, die dann in den neuen Frauenbuchläden oder Frauenbibliotheken deutschlandweit verfügbar waren. Nicht zu vergessen auch die zahlreichen Frauenzeitungen, darunter die wohl bekannteste Emma unter Federführung von Alice Schwarzer (Knafla/Kulke, 1987, 98; Frevert, 1986, 280-281).

Diese Aktionen und Projekte konzentrierten sich vor allem auf die deutschen Universitätsstädte, wo sich junge Studentinnen nicht länger unterdrücken und diskriminieren lassen wollten, denn bis zu diesem Zeitpunkt waren nicht nur ihre akademischen Aufstiegschancen gering, auch in Lehre und Forschung spielten frauenrelevante Fragestellungen kaum eine Rolle. Auf ihre Initiative hin entstanden Frauenseminare oder Frauenkongresse, z.B. die Sommeruniversität der Freien Universität Berlin oder Historikerinnen-Treffen, welche die Keimzelle für die deutsche Frauenforschung wurden. Die Seminare waren meist interdisziplinär angelegt und befassten sich neben Themen wie häusliche Gewalt vor allem mit der Rolle der Frau in der Geschichte und mit den Vorläufern der "neuen" Frauenbewegung (Frevert 1986, 281; Knafla/Klulke, 1987, 99).

1976 eröffnete in Berlin das erste Frauenhaus, in dem Frauen, die häuslicher Gewalt ausgeliefert waren, mit ihren Kindern einen Unterschlupf finden konnten; 1977 erfolgte die Einrichtung eines Notrufes für vergewaltigte Frauen. Die Initiative wurde bald schon in anderen Städten kopiert. All diese Projekte wurden nach den Prinzipien der Selbsthilfe, der Teamarbeit und Basisdemokratie organisiert. Neben der praktischen Hilfe sollten mit den Projekten auch politische Ziele verfolgt werden: Die alltägliche Gewalt gegen Frauen und Kinder, bis zu diesem Zeitpunkt ein Tabu, sollte so erstmals öffentlich thematisiert werden. Um ihre Aufgaben zu erfüllen, schlossen sich die verschiedenen Initiativen zu einer "Zentralen Informationsstelle für autonome Frauenhäuser" zusammen. Damit wollten sie auch eine bessere Position gegen die Frauenhäuser der etablierten Wohlfahrtsverbände erreichen, die im Gegensatz zu den autonomen Einrichtungen staatliche Unterstützungerhielten (Frevert, 1986, 281-282, Knafla/Kulke, 1987, 100).

Auch wenn die Frauenbewegung in vielen Bereichen eine Besserstellung der Frau erreichen konnte, so konnte sie ihr ursprüngliches Ziel, die Streichung des §218, nicht durchsetzen. Die vom Bundestag 1974 verabschiedete Fristenlösung wurde zwei Jahre später vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt und sodann durch eine erweiterte Indikationslösung ersetzt, welche die Abtreibung in den ersten 12 bzw. 22 Wochen straffrei erlaubte, insofern eine eugenische, medizinische, kriminologische (bei Vergewaltigung) oder soziale Indikation vorlag. Auch wenn die Krankenkassen die Kosten für eine legale Abtreibung nun übernehmen mussten, war es für Frauen, vor allem in katholischen Gegenden, weiterhin schwierig, einen Arzt zu finden, der sich bereit erklärte, einen Abbruch durchzuführen (Frevert, 1986,279-280).

Ab Ende der siebziger Jahre begann die Frauenbewegung zu schwächeln. Es kam vermehrt zu Auseinandersetzungen um ihre Zielsetzung und durch den Zulauf neuer konservativerer Sympathisantinnen verlor der autonome Flügel immer weiter an Gewicht. Damit einher ging eine Debatte, wie zukünftig eine Zusammenarbeit mit dem bestehenden politischen System aussehen sollte. Doch vor allem die Wende unter Bundeskanzler Helmut Kohl und die damit verbundene konservative Frauen- und Familienpolitik stellte die bisherigen Ziele der Frauenbewegung in Frage und leitete die Institutionalisierung der Frauenbewegung ein (Knafla/Kulke, 1987, 102).

3.4 Die Friedensbewegung

Die Friedensbewegung ist die älteste der Neuen sozialen Bewegungen, die sich im Laufe der Jahre in ihren Zielen immer wieder transformiert hat. Die erste Generation der Friedensbewegung fand kurz nach Gründung der Bundesrepublik zusammen, als mit zunehmender Konfrontation der Machtblöcke im Kalten Krieg der Ruf nach einer Wiederbewaffnung der Deutschen im In- und Ausland immer lauter wurde. Unter dem Motto "Ohne mich" formierte sich ein Widerstand aus breiten Gesellschaftsschichten, der maßgeblich von der evangelischen Kirche, Gewerkschaften und politischen Parteien, allen voran der SPD, gestützt wurde. Letzteres waren es denn auch, die in diesem Zeitraum die öffentliche Diskussion über die Wiederbewaffnung bestimmten (Dietzfelbinger, 1984, 72-75).

Mit Gründung der Bundeswehr 1955 verlor die Friedensbewegung zunächst ihr Ziel, formierte sich dann aber schon bald wieder unter dem Motto "Kampf dem Atomtod" gegen eine mögliche Bewaffnung der neugegründeten deutschen Armee mit Atomwaffen. Auch zu diesem Zeitpunkt wurde die Bewegung noch vor allem von der evangelischen Kirche, den Gewerkschaften sowie der SPD gelenkt, eigenständig gebildete Gruppierungen spielten bei der öffentlichen Diskussion noch keine Rolle. Begleitet wurde die Aktion 1957 von der "Göttinger Erklärung" bekannter Atomphysiker, die sich gegen die Atomwaffennutzung aussprachen. Als sich die SPD mit dem Godesberger Programm inhaltlich in Richtung einer Volkspartei entwickelte, passte die Kampagne nicht mehr in die Strategie der Volkspartei und ohne die Unterstützung der SPD wurde der Kampagne finanziell und organisatorisch die Grundlage entzogen (Michaltscheff, 1994, 78-86, Wasmuth, 1987,59-63).

Erst seit Beginn der sechziger Jahre traten einzelne Organisationen in den Vordergrund. So veranstalteten pazifistische Gruppen aus Norddeutschland erstmals an Ostern 1960 einen Sternmarsch aus mehreren norddeutschen Städten zum Raketenübungsplatz Bergen-Höhne. Das Beispiel der "Ostermarschbewegung" machte bald Schule, und es bildete sich deutschlandweit ein dichtes Netz von lokalen Gruppen, in denen Menschen aus unterschiedlichen Milieus und politischen Richtungen zusammenfanden. Ausgehend vom Kampf gegen Atomwaffen entwickelten sich die im Laufe der sechziger Jahre die Kritik am amerikanischen Vorgehen in Vietnam und die Debatte um die Verabschiedung der Notstandsgesetze durch die Große Koalition zu zentralen Punkten der Friedensaktivisten (Wasmuth 1987, 64-76).

Nach Beendigung des Vietnamkriegs 1973 verlor die Friedensbewegung zunächst an Bedeutung, um dann Ende der siebziger Jahre ein fulminantes Comeback zu erreichen: 1979 hatten die Mitgliedsstaaten der NATO den sogenannten "NATO-Doppelbeschluss" verabschiedet, der die Stationierung neuer nuklearer Mittelstreckenwaffen in Europa als Antwort auf das sowjetische SS 20-Mittelstreckensystem vorsah, das gleichzeitig von einem Angebot zu Abrüstungsverhandlungen begleitet wurde (Wettig, 2001, 41-43).

Binnen kürzester Zeit formierte sich in der Bevölkerung Widerstand gegen diese erneute Zuspitzung des Kalten Krieges. In der ganzen Bundesrepublik sprossen Gruppen aus dem Boden, deren Hintergrund sehr breit gestreut war. Federführend bei den Protesten war die Organisation"Sühnezeichen/Friedensdienste", die bereits 1958 von evangelischen Kreisen in Tradition der Bekennenden Kirche gegründet worden war.

Ihr Ziel war es, die Ursachen und Folgen des Faschismus zu überwinden und die Grundlagen für eine friedliche und nicht-militärische Zukunft zu schaffen. Seit 1980 organisierte sie in Zusammenarbeit mit Kirchengemeinden und Bürgerinitiativen deutschlandweit "Friedenswochen", die sich ab 1981 inhaltlich ganz dem Thema Nachrüstung verschrieben (Schmitt, 1990, 92-93). Zusammen mit der Aktionsgemeinschaft "Dienst für den Frieden", die sich ebenfalls in evangelischen Kreisen entwickelt hatte, organisierte die Aktion "Sühnezeichen/Friedensdienste" 1981 Großdemonstrationen in Bonn und Hamburg, der sich in Folge auch andere Gruppen aus dem kommunistischen, alternativen aber auch konservativen Milieu anschlossen (Wasmuth, 1987,135-157, Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste u. Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden, 1981, 13-20).

Ein weiterer Grundstein der Friedensbewegung war der im November 1980 verabschiedete Krefelder Appell, an dem Personen wie General a.D. Gert Bastian, Petra Kelly oder auch Martin Niemöller mitgewirkt hatten. Diesen Aufruf, der die Bundesregierung dazu aufforderte, die Zustimmung zur Stationierung von Mittelstreckenraketen zurückzuziehen sowie in Zukunft eine Haltung einzunehmen, "die unser Land nicht länger dem Verdacht aussetzt, Wegbereiter eines neuen, vor allem die Europäer gefährdenden nuklearen Wettrüstens sein zu wollen" (Wasmuth, 1987, 291) unterzeichneten innerhalb eines halben Jahres 800.000 Bundesbürger (Brand/Büsser/Rucht, 1983, 215-216).

Die Träger der Bewegung rekrutierten sich aus unterschiedlichen Gruppen - alte und neue Linke, Pazifisten und Christen - waren aber meist unter 36 Jahren und verfügten über einen höheren Schulabschluss. Diese Heterogenität der Bewegung, deren Anhänger im Grunde nur die Ablehnung des NATO-Doppelbeschlusses einte, führte dazu, dass es immer wieder zu Spannungen kam und man sich nur schwer auf eine gemeinsame Linie einigen konnte (Brand/Büsser/Rucht, 1983, 217-218). Neben Appellen an die Bundesregierung und Massendemonstrationen versuchte die Friedensbewegung die breite Öffentlichkeit mit weiteren Aktionen zu erreichen, die je nach ideologischer Ausrichtung der Gruppen von Friedensgebeten über Mahnwachen, Friedensmärschen oder Menschenkettenbis zu Aktionen zivilen Ungehorsams, die gesetzlich verboten waren, reichten (Wasmuth, 1987, 131; Roth, 1985, 70).

Im Zentrum des Protests stand die Kritik an der Nachrüstung, die als neue offensive Militärstrategie der Vereinigten Staaten zur weltweiten Durchsetzung ihrer Interessen interpretiert wurde. Die Friedensbewegung sah darin auch den Versuch der USA, das eigene Risiko eines nuklearen Angriffs möglichst gering zu halten und mit der Stationierung von Mittelstreckenraketen in Europa eine mögliche Auseinandersetzung auf diesen Kontinent beschränken zu können, was eine "Europäisierung des Atomkrieges" (Schmitt, 1990, 86) zur Folge gehabt hätte. Vor allem von kommunistischen und Gruppen aus dem alternativen Milieu richtete sich der Unmut gegen den amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan. In ihren Augen war er ein irrational handelnder Machtpolitiker mit antikommunistischem Sendungsbewusstsein, für den der NATO-Doppelbeschluss nur eine Etappe zur Vorbereitung eines neuen Krieges war. Aber nicht nur die Angst vor einem neuen Weltkrieg mobilisierte breite Bevölkerungsschichten. Auch die Befürchtung, dass politische Entscheidungen immer öfter von gewissenlosen Technokraten gefällt werden könnten, rief die Bürger auf den Plan (Schmitt, 1990,86-88). Insbesondere christliche Gruppen plädierten in diesem Zusammenhang für eine neue politische Ethik im Zeichen der "Bergpredigt" (Alt, 1983).

Wie lebensfähig all diese Gruppenwaren, hing auch von ihren Zielsetzungen ab. Gruppen, die sich zum Beispiel spontan gegen den NATO-Doppelbeschluss formiert hatten, lösten sich zu Beginn der achtziger Jahre schnell wieder auf, anderen Gruppen gelang es, dauerhafte Strukturen zu entwickeln. Daneben verlor die Friedensbewegung mit Ende des Kalten Krieges 1989 und dem Ende der atomaren Konfrontation zwischen Ost und West eines ihrer Hauptziele. Dennoch ist die Friedensbewegung in Deutschland noch lebendig, wie die Proteste gegen den Irakkrieg 2003 beweisen.

4. Institutionalisierung

Auch wenn Anti-Atomkraft- und Friedensbewegung noch bis Anfang der achtziger Jahre die Massen für ihre Demonstrationen mobilisieren konnten, machten sich seit Ende der siebziger Jahre in der Anhängerschaft der Bewegungen Ermüdungserscheinungen bemerkbar. Schon 1977 waren z.B. viele Anhängerin Folge einer zunehmenden Radikalisierung der Atomkraftgegner und nach der Erfahrung des "Deutschen Herbstes" auf Distanz zur Anti-Atomkraftbewegung gegangen. Auch die Frauenbewegung büßte nach der Modifizierung des Abtreibungsparagraphen zunehmend an Ausstrahlungskraft ein. Daneben wuchs das Bewusstsein, dass formulierte Ziele wie der Ausstieg aus der Atomenergie nicht durchgesetzt werden könnten (Knafla/Kulke, 1987, 103; Rucht 1980, 89-90).

Darüber hinaus kam es aber auch immer wieder zwischen den einzelnen Strömungen innerhalb der Bewegungen zu Auseinandersetzungen um die inhaltliche Ausrichtung und um die gewählten Aktionsformen. Diese Diskussionen wurden zudem von der Frage nach einer zunehmenden Zusammenarbeit mit den bestehenden Parteien und nach einer Verlagerung der Auseinandersetzung in die Parlamente überlagert, was die eigentliche Arbeit der Gruppen behinderte. Vor allem Umweltverbände wie Greenpeace oder der BUND profitierten von der inneren Lähmung der Bewegungen: Sie konnten einen Mitgliederzuwachs verzeichnen und bestimmten in den kommenden Jahren die öffentliche Debatte über Umweltthemen (Rucht, 1989, 331, Rucht, 1994, 245).

Während die Arbeit der Neuen sozialen Bewegungen mehr und mehr gelähmt zu sein schien, wuchs dagegen bei den etablierten Parteien das Interesse an den alternativen Themen: Allen voran die SPD, in der es schon vorher Mitglieder gegeben hatte, die mit den Ideen der Neuen sozialen Bewegungen sympathisiert hatten, griff nun Themen wie Umweltschutz oder Atomkraft auf. Die vormals alternativen Fragestellungen wurden nun zum politischen Allgemeingut, was dazu führte, dass der Gegensatz zwischen ökologischen Protestgruppen und etablierter Politik immer geringer wurde. Viele Projekte, die sich aus den sozialen Bewegungen entwickelt hatten, wie z.B. die Einrichtung von Frauenhäusern, wurden nun auch von Kommunen und traditionellen Sozialverbänden durchgeführt (Roth, 1985,55).

Der wohl deutlichste Schritt zur Institutionalisierung bildete am 13.Januar 1980 die Gründung der Partei die Grünen in Karlsruhe. Schon in den Jahren zuvor hatten sich aus Bürgerinitiativen alternative Listen entwickelt, die bei Kommunal- und Landtagswahlen gegen die bestehenden Parteien kandidiert hatten. Viele dieser kleineren Listen fanden sich nun zur Gründung der Grünen zusammen. Basierend auf den Prinzipien ökologisch, sozial, gewaltfrei und basisdemokratisch bildete sich das Sammelbecken für Bürger, die von der Politik der etablierten Parteien enttäuscht waren und die hofften, dass mit der neuen Partei postmaterialistische Werte in das politische System Einzug halten würden. Dementsprechend breit gestreut war auch der politische und soziale Hintergrund ihrer Mitglieder: Das politische Spektrum der Gründungsmitglieder reichte von Kommunisten über enttäuschte SPD-Anhänger bis hin zu Wertkonservativen (Raschke, 1993; Klein/Falter,2003; Mez, 1987, 269-275).

Anfangs noch von den etablierten Parteien wegen ihres unkonventionellen Erscheinungsbildes in Turnschuhen und Strickpullovern belächelt, entwickelte sich diePartei in den folgenden Jahren dennoch zu einer festen Größe in der deutschen Parteienlandschaft. Auch wenn die neue Partei mit ihren unterschiedlichen Anhängern, ihren Aktionen und alternativen Organisationsformen wie z.B. dem Rotationsprinzip (d.h. turnusmäßiger Wechsel der Parteiämter und der Abgeordneten) nach außen bunt und innovativ wirkte, so konnte dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in den Anfangsjahren immer wieder zu parteiinternen Machtkämpfen zwischen Fundamentalisten (Fundis) und Realpolitikern (Realos) kam.Während erstere der Partei die Rolle einer radikalen Opposition im politischen System zuweisen wollten, standen letztere für eine pragmatischere, auf Kompromissen beruhende Politik. In den folgenden Jahren kam es schließlich zu einer Entradikalisierung des Parteiprogramms sowie zu einem Wechsel des politischen Personals. Die Partei hatte sich für den Weg der Realos entschieden und somit für eine Mitarbeit im politischen System (Stöss, 1987, 292-294; Murphy/Roth, 1987, 306-308).

5. Fazit

Auch wenn die einzelnen Bewegungen viele ihrer Ziele nicht direkt verwirklichen konnten, haben sie dennoch das politische und gesellschaftliche Leben in der Bundesrepublik nachhaltig beeinflusst. In keinem anderen europäischen Land hatten soziale Bewegungen einen solchen Zulauf erhalten, in keinem anderen Land hatten sie eine so große politische Bedeutung entwickelt. Spätestens 1998 mit Eintritt der Grünen in die Regierungskoalition unter Bundeskanzler Schröder waren ihre Ideen Teil des politischen Systems geworden.

Das Phänomen der Neuen sozialen Bewegungen entstand in der Bundesrepublik zu einem Zeitpunkt, als die Aufbruchstimmung der Wirtschaftswunderjahre und die Euphorie der Studentenbewegung zu versiegen begann. Stattdessen beherrschten Ölkrise, wirtschaftlicher Abschwung und Meldungen über gravierende Umweltschäden die öffentliche Diskussion, Themen, für die die Politik keine Antworten zu haben schien. Breite gesellschaftliche Schichten fühlten sich politisch nicht mehr vertreten, Frauen fühlten sich bevormundet gegenüber ihren Männern und forderten Gleichberechtigung und Selbstbestimmung. Zudem schürte Ende der siebziger Jahre der NATO-Doppelbeschluss die Angst der Deutschen vor einem neuen Weltkrieg.

Vor diesem Hintergrund waren seit Anfang der siebziger Jahre scheinbar plötzlich eine Vielzahl von Gruppen entstanden, die einen Bruch mit der kapitalistischen Industrie- und Konsumgesellschaft forderten und versuchten, abseits der etablierten Parteien die Politik in ihrem Sinne, d.h. werteorientiert und nachhaltig, zu verändern. Sie setzten dabei auf praktische Arbeit im Kleinen, in ihrem unmittelbaren Umfeld, um ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Diese völlig neue Form der politischen Partizipation stand im Gegensatz zur 68er Bewegung, die ihrerseits auf linke Theorien gebaut hatte, um das politische System zu ändern. Trotz dieser bewussten Abgrenzung von der Studentenbewegung gab es aber dennoch eine gewisse Kontinuität, z.B. was ihre Anhänger oder die von ihnen praktizierten Aktionsformen betrifft.

Auch wenn die Ideen der Neuen sozialen Bewegungen Menschen mit unterschiedlichem sozialen und politischen Hintergrund ansprach, so rekrutierten sich ihre Anhänger dennoch deutlich aus der neuen Mittelschicht. Es handelte sich vor allem um junge, hoch qualifizierte Menschen, die in der Nachkriegszeit geboren waren und in den sechziger Jahren politisch sozialisiert wurden.

Zur klassischen Organisationsform der Neuen sozialen Bewegungen entwickelte sich die Bürgerinitiative, bei der sich spontan an einem Ort Bürger zusammenfanden, um für ihre Rechte zu kämpfen. Nach und nach entwickelte sich dann aber auch eine Zusammenarbeit der Bürgerinitiativen, um deren Arbeit effizienter zu gestalten und um eine bessere Ausgangsposition in der Auseinandersetzung mit Politik und Bürokratie einnehmen zu können. Ende der siebziger Jahre kam es dann jedoch zu Spannungen innerhalb der Gruppen um die weitere Strategie. Während einige Anhänger für eine Mitarbeit im politischen System plädierten, kam es wie bei der Anti-Atomkraft-Bewegung am Rande von Kundgebungen immer wieder zur Gewalteskalation zwischen militanten Anhängern und der Polizei. Durch diese wachsende Lähmung verloren die Neuen sozialen Bewegungen ihre Anziehungskraft für die breiten Massen, auch weil immer deutlicher wurde, dass die anvisierten Ziele nicht erreicht werden konnten. Parallel dazu schritt aber auch die Institutionalisierung der Ideen der Neuen sozialen Bewegungen immer weiter voran. Auch die etablierten Parteien erkannten nun in Umwelt- oder Frauenthemen als ihre Domäne, Verbände wie der BUND konnten Mitgliederzuwächse verbuchen. Der deutlichste Schritt zur Institutionalisierung wurde jedoch mit Gründung der Partei die Grünen vollzogen, die sich 1980 als Alternative zu den etablierten Parteien konstituiert hatte.

Auch wenn die Bedeutung der Neuen sozialen Bewegungen für die politische Kultur der Bundesrepublik heute unbestritten ist, so fehlt es dennoch noch an einer detaillierten Arbeit, welche die Neuen sozialen Bewegungen in der Geschichte der Bundesrepublik verortet. Daneben steht auch eine Aufarbeitung der Entwicklung einzelner Bewegungen, wie z.B. der Anti-Atomkraft-Bewegung, noch aus. Weil viele Anhänger der Neuen sozialen Bewegungen nicht nur in einer Gruppe aktiv waren, sondern sich z.B. zugleich in der Anti-Atomkraft-Bewegung und in der Friedensbewegung engagierten, wäre auch eine nähere Betrachtung der Vernetzung der einzelnen Gruppen sehr aufschlussreich, um das Phänomen der Neuen sozialen Bewegungen besser begreifen zu können.

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Pour citer cette ressource :

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Documents pour la classe

Audio-Slide-Show 1968 von der Bundeszentrale für politische Bildung: http://www.bpb.de/themen

Eine Karikatur von Burkhard Mohr: "Der Schatten der 68er" http://www.bpb.de/themen

Hörverständnis Die 68er: http://www.vitaminde.de/mp3

Verschiedene Unterrichtsmaterialien werden von der bpb angeboten : "Eine Nachkriegsbiografie", "1968 : Die Chronik der Ereignisse", "68 in der DDR", "1968: Was bleibt?" (mit Bildern), die Abrechnung mit 1968... : http://www.bpb.de/files/8JT54L.pdf

Vorschlag zur Unterrichtseinheit http://www.bpb.de/themen

Eine Diskussion um die Umbenennung 2004 der "Kochstraße" zur "Rudi Dutschke Straße". Diese Straße steht direkt vor dem Axel-Springer-Verlagshaus und neben der "Axel-Springer-Straße": http://www.bpb.de/themen

Plakate der Grünen: Internetseite der Heinrich Böll Stiftung, Archiv Grünes Gedächtnis http://www.boell.de/

Krefelder Appell: http://www.bpb.de/popup 

Göttinger Erklärung: http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente

Pour en savoir plus

Glossar der bpb zum Thema 1968

Neue soziale Bewegungen im Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik:
http://www.bpb.de/wissen

Frauenbewegung:
http://www.bpb.de/themen

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