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Siegfried Lenz: «Schweigeminute» (2008)

Par Sibille Adam : Elève - ENS de Lyon
Publié par mduran02 le 05/11/2013

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Die Novelle ((Schweigeminute)) von Siegfried Lenz erzählt von der Liebe einer Englischlehrerin und einem Schüler.

Siegfried Lenz: Schweigeminute. Hoffmann und Campe, Hamburg 2008, 128 Seiten

vignette-schweigeminute_1383611027224-jpgIm Jahre 2008, genau vierzig Jahre nach seinem Roman Deutschstunde, welchem er seinen hohen Bekanntheitsgrad verdankt, veröffentlichte Siegfried Lenz, einer der größten deutschen Schriftsteller unserer Zeit, die Novelle Schweigeminute. Diese Novelle erhielt eine durchweg positive Resonanz sowohl seitens der Literaturkritiker als auch seitens der Leser. Sie zählte zu den meist verkauften Werken ihres Erscheinungsjahres, wodurch der Erfolg ihres Autors erneut bestätigt wurde. Der einfache und schlichte Stil der früheren Werke bleibt in der neuen Novelle weiterhin erhalten. Sie beinhaltet auch gewisse poetische Anklänge, beispielsweise durch Wortwiederholungen im Laufe der Erzählung. Diese Stilelemente verleihen der Handlung eine gewisse Ruhe, welche einen effektvollen Kontrast zur hektischen heutigen Welt und zu unserem Alltag bildet.

In Lenz’ Werk findet der Leser etwas Erholsames, welches sich wie ein Heilmittel auf dem Weg zur inneren Einkehr auswirkt. Typisch für Lenz ist ebenfalls, dass die Geschichte an der Ostsee spielt. Eine wirkliche Neuerung liegt jedoch eindeutig im Thema: Lenz befasst sich hier nämlich mit dem in der Literatur weitgehend beliebten Sujet der Liebe, wovon er sich bisher, über seine gesamte Karriere hinweg, fern gehalten hatte. Darin liegt der eindeutig gelungene Überraschungseffekt der Novelle. Das Motiv einer Liebesbeziehung zwischen einer Lehrerin und deren Schüler findet sich in der Literatur häufig. Dennoch gelingt es Lenz, dieser Thematik durch seinen Stil eine Besonderheit zu verleihen. Wie gewohnt, lässt der Schriftsteller seinen Lesern viel Interpretationsspielraum: Gefühle werden selten, zumeist indirekt, ausgedrückt. Sie sollten vielmehr von den beschriebenen Elementen abgeleitet werden, wobei jeder Leser in seiner Interpretation frei ist. So war es schon immer bei Lenz; darf man es aber an eine Liebesgeschichte anwenden, so wird diese Erfahrung noch etwas spannender oder gar bewegender. Erst nach und nach gelingt es dem Leser, die Gefühle der Figuren, ihre Persönlichkeit und Einstellungen exakter und ausführlicher zu erfassen. Im Hinblick auf diesen dezenten, zurückgenommenen Stil bezeichnete Marcel Reich-Ranicki Lenz als „Erzähler mit guten Manieren“.

Zu Beginn der Novelle findet eine Trauerfeier statt. Es wird wenig Spannung erzeugt, der Leser erfährt gleich, dass die Englischlehrerin Stella Petersen bei einem Bootsunfall ums Leben gekommen ist, sowie dass sie eine Beziehung mit ihrem Schüler, dem Ich-Erzähler Christian hatte: „Dein kurzes schwarzes Haar, das ich gestreichelt, deine hellen Augen, die ich geküßt habe“ (S. 7). Mit dieser Wahl stellt Lenz bereits zu Beginn der Novelle dar, wie die Liebesgeschichte ausgehen wird. Der Leser soll sich daher für etwas Anderes interessieren: wie sich die Geschichte entwickelt hat, woraus sie entstand und allerhöchstens wie sie hätte ausgehen können. In einem ständigen Wechsel von Erzählzeit und erzählter Zeit schildert Christian rückblickend den Sommer ihrer Liebe. Einmal erzählt er von Stella, ein Andermal wendet er sich unmittelbar an sie, manchmal gar im selben Satz. Diese Art des Alternierens belebt den Text durchaus. In der Beziehung werden zudem das Verhalten und vor allem die Einstellungen der Figuren auf eine gewisse Weise kontrastiert. Auf diese Weise entstehen aus dem Altersunterschied verschiedene Sichtweisen auf die Liebe und ihre Zukunft. Christians Erwartungen sind als Idealismus der ersten Liebe zu verstehen. Diese sollte ewig, allumfassend und kompromisslos sein: „[...] enttäuscht war ich nur über die Kühle, ihre Sachlichkeit, in ihrem Blick lag kein Ausdruck geheimer Verständigung, sie überging jede Anspielung darauf, was wir teilten und was uns gehörte.“ (S. 55); „Ich wollte nicht, daß etwas aufhörte, das so unvermutet begonnen hatte und wie sich selbst nach Dauer verlangte.“ (S. 37). Stella wird hingegen viel vernünftiger und reifer dargestellt.

Zuletzt sollen einige Worte über den Titel „Schweigeminute“ verloren werden. Dieser ist zweideutig: Zum einen verweist er auf die Gedenkfeier für die verstorbene Englischlehrerin. Zum anderen weist er darauf hin, dass in jeder Geschichte nicht alles in Worte gefasst werden darf, dass man manches lieber für sich behalten sollte. Wie Christian, der es bevorzugt, über ihre Liebesgeschichte zu schweigen. Somit beschreiben folgende Worte den Reiz dieser Novelle in Gänze: „Vielleicht muß ja im Schweigen ruhen und bewahrt werden, was uns glücklich macht.“ (S. 126)

 

Pour citer cette ressource :

Sibille Adam, Siegfried Lenz: Schweigeminute (2008), La Clé des Langues [en ligne], Lyon, ENS de LYON/DGESCO (ISSN 2107-7029), novembre 2013. Consulté le 21/11/2024. URL: https://cle.ens-lyon.fr/allemand/bibliotheque/siegfried-lenz-schweigeminute-2008-