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Das Nachkriegstheater als Sprachrohr der deutschen Widerstandsbewegung

Par Marie-Christine Gay : Elève de l'ENS - ENS de Lyon
Publié par MDURAN02 le 23/12/2009

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Unmittelbar nach Mai 1945 wurden auf den Bühnen des deutschsprachigen Raums - insbesondere in Berliner Theatern - Stücke aufgeführt, die dem Publikum die Existenz eines deutschen Widerstands vor Augen führten. Neben ausländischen Werken befassten sich auch deutsche Autoren (Carl Zuckmayer, Friedrich Wolf, Günther Weisenborn) mit der Widerstandsthematik. Ziel dieses Beitrags ist es zu zeigen, wie umgehend nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges das deutsche Theater eine Vielfältigkeit an Handlungsentwürfen anbot, die über Widerstandsbewegungen aufklären wollte.

Einleitung

Mit dem 2008 gedrehten Hollywood-Film Operation Walküre - das Stauffenberg Attentat wird zum ersten Mal die Geschichte des Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944 in einer amerikanischen Großfilmproduktion verfilmt. Brian Singers Film steht in der Nachfolge der in den letzten Jahren über den deutschen Widerstand berichtenden Kinofilme, wie Sophie Scholl, die letzten Tage von Marc Rothemund (2005), oder TV-Produktionen, wie Stauffenberg von Jo Baier (2004), bei denen das Bestreben offensichtlich wird, dem deutschen Widerstand Anerkennung zu verleihen, und die große Publikumserfolge, besonders auch im Ausland, erzielen. Die Produktionen für die Leinwand erwecken den Eindruck, das Thema sei erst 50 Jahre nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes entdeckt oder zumindest modern geworden. Nicht zu übersehen ist jedoch, dass sich die heutige Mediatisierung des Themas auf Helden wie Stauffenberg und die Geschwister Scholl begrenzt. Auf die Vielfalt der Widerstandskämpfer und ihrer Aktivitäten wird nicht hingewiesen, kleine Organisationen oder einzelne Individuen finden in diesen heroisierenden Mediatisierungen keinen Platz.

Von der Forschung ist die Geschichte des deutschen Widerstands seit dem Anfang der achtziger Jahre neu entdeckt und intensiv behandelt worden. Doch schon bereits nach Kriegsende wurde dieses heikle Thema von dem deutschen Trümmertheater an das Tageslicht gebracht. Unmittelbar nach Mai 1945 wurden auf den Bühnen des deutschsprachigen Raums - insbesondere in Berliner Theatern - Stücke aufgeführt, die dem Publikum die Existenz eines deutschen Widerstands vor Augen führten. Neben ausländischen Werken, wie Jean-Paul Sartres Die Fliegen oder Jean Anouilhs Antigone, befassten sich auch deutsche Autoren, die ihre Werke aus der unmittelbaren Betroffenheit durch die Zeitereignisse schufen, mit der Widerstandsthematik und verfolgten das Bestreben, dieses Thema schon 1946 an die Öffentlichkeit zu bringen.

Ziel dieses Beitrags ist es zu zeigen, wie umgehend nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges das deutsche Theater eine Vielfältigkeit an Handlungsentwürfen anbot, die über Widerstandsbewegungen aufklären wollte.

Nach einer knappen Erläuterung des Begriffs "Widerstand" und insbesondere des Widerstands der Gegner Hitlers, bildet die kultur- und literarhistorische Situierung der Theaterlandschaft im Deutschland der Stunde Null die Grundlage des vorliegenden Artikels. Im Anschluss daran werden die sogenannten "Zeitstücke", insbesondere die Vielfalt an Widerstandsdramen, in Abgrenzung von Unterhaltungsstücken betrachtet. Zuletzt wird anhand von drei Schauspielen der Nachkriegsdramatiker Carl Zuckmayer, Günther Weisenborn und Friedrich Wolf die Dramatisierung des Widerstands illustriert und beispielhaft die Reaktion der Zeitgenossen auf den heiklen Charakter des damals relativ unbekannten, aber brisanten Themas beleuchtet.

1. Definition und historische Betrachtung des deutschen Widerstands

Der Begriff "Widerstand" wird üblicherweise folgendermaßen definiert: Die Verweigerung des Gehorsams wird als "passiver Widerstand", das aktive Handeln gegenüber der Obrigkeit oder der Regierung als "aktiver Widerstand" bezeichnet. Die Zeit und der Ort, von dem die Widerstandsaktionen aus betrachtet werden, sind von großer Bedeutung, da man rückblickend oder in einem anderen Land das Urteil immer variiert. Genauso setzen Betrachtungen über Rechtfertigung, Ziele und Mittel des Widerstandes sowie moralische oder religiöse Komponenten immer einen gewissen Standpunkt voraus. Der Widerstandskämpfer bewertet den Widerstand immer als gerechtfertigte Tat im Gegensatz zu demjenigen, gegen den sich der Widerstand richtet. Ein Widerständler bekämpft die von der Obrigkeit festgelegten Gesetze und Regeln, weil er sie als ungerecht empfindet, und verteidigt so das für ihn wahre Recht:

Die innenpolitischen Zielvorstellungen der Gegner Hitlers orientieren sich am Leitbild des Bürgers in einem Rechtsstaat, der sich auf die Grundsätze der Glaubens- und Gewissensfreiheit und der Toleranz gegenüber Andersdenkenden stützt. [...] [Die Widerstandskämpfer] treten für die Menschenwürde als höchsten politischen Grundwert ein und bestreiten dem Staat das Recht, über Leben und Gewissen seiner Bürger zu verfügen. (Gedenkstätte deutscher Widerstand 2008, 39)

Die Widerständler im Dritten Reich waren illegal, da sie sich gegen die von den Nationalsozialisten definierte Rechtsgrundlage auflehnten: Widerstand wurde als "Hochverrat" angesehen. Es muss betont werden, dass sich der deutsche Widerstandskämpfer in einer zwiespältigen Situation befand, da er innerhalb seines eigenen Landes - und somit gegen seine Landsleute - das System und die Rechtsgrundlage bekämpfte. Der ehemalige Widerständler und Pfarrer Martin Niemöller veranschaulicht diesen Gewissenskonflikt folgendermaßen:

Der Mann des französischen Maquis blieb sich selber treu und hoffte deshalb auf den endlichen Sieg seines Volkes an der Seite seiner Verbündeten. Der Mann im deutschen Widerstand, der sich selber treu bleiben wollte, durfte gerade darum den Sieg seines Volkes so nicht wollen. Der deutsche Widerständler ist kein anerkannter Nationalheld, er rangierte zur Zeit seines Selbsteinsatzes unter den Hoch- und Landesverrätern. (Weisenborn 1954, 11)

Die Verräter wurden von der nationalsozialistischen Justiz bekämpft und schwer bestraft, wobei die Tatsache einer Widerstandsbewegung vom Hitlerregime stets geleugnet wurde. Den Aufzeichnungen des Reichsjustizministeriums, dem sogenannten "Mordregister", ist zu entnehmen, dass von 1933 bis 1944 insgesamt 11 881 Todesurteile durch die Justizbehörden vollstreckt worden sind, bis zur Kapitulation 12 500; hinzu kommen Opfer der Militärgerichtsbarkeit. Insgesamt wurden ungefähr 325 000 Todesurteile vollstreckt. Zudem wurden ungefähr 800 000 Menschen wegen ihrer politischen Haltung verhaftet (Weisenborn 1954, 14f.).

In dem Nachwort seines schon 1954 veröffentlichten Werks Der lautlose Aufstand. Bericht über die Widerstandsbewegung des deutschen Volkes 1933 - 1945, bis heute einer der komplettesten Berichte über den deutschen Widerstand, der sich auf Archive der NS-Justiz, Dokumente ehemaliger Widerstandsgruppen sowie Zeugenaussagen stützt, kommt Günther Weisenborn zu folgendem Schluss:

Zieht man eine Summe, so bleibt heute festzustellen, dass mindestens zehn direkte Attentate auf die Person Hitlers vorbereitet wurden, daß nach den Beobachtungen der Funkabwehr' viele illegale Sender gegen das NS-Reich arbeiteten, daß bis zum Kriegsausbruch zahlreiche Massenprozesse gegen freiheitliche Arbeiterorganisationen geführt wurden und viele Hunderte kleinere Verfahren, daß eine Armee oppositioneller Deutscher ihren Kampf gegen Hitler mit dem Leben bezahlen mußte und daß wir heute von vielen Hunderten, wenn nicht Tausenden von illegalen Gruppen wissen und von etwa 15 bedeutenden Organisationen des Widerstandes, die sich über ganz Deutschland erstreckten, abgesehen von der Bekenntniskirche, der katholischen Funktion und der Bibelforscher. (Weisenborn 1954, 254f.)

Erst seit dem Anfang der 80er Jahre wird diese Vielfalt an Widerständlern betont. Lange Jahre schwieg man und befasste sich nur mit einzelnen Personen, wie die Geschwister Scholl, Martin Niemöller oder Stauffenberg. Die Masse der Illegalen setzte sich aus Männern und Frauen zusammen, die aus allen sozialen Schichten und ehemaligen Parteienzugehörigkeiten kamen, die Widerstand im Alltag übten oder ihn zu ihrem Lebenssinn gemacht hatten. Kurz nach der Machtergreifung der NSDAP gingen vor allem kommunistische, sozialdemokratische und andere linke Gruppen in den Widerstand, wurden jedoch unverzüglich verfolgt und innerhalb weniger Jahre stark geschwächt. Während der Kriegsjahre kam es insbesondere zu dem Widerstand von Kirchen- und Armeemitgliedern sowie von einzelnen ethisch motivierten Gruppen und Einzelpersonen. Es gab diverse Formen des passiven und aktiven Widerstands: Verbreitung von Witzen und nichtamtlichen Nachrichten, langsames oder schlechtes Arbeiten, Diskussionen, heimlicher Streik, Fehlleitungen, Gruppenbildung, Sabotage, Radiosendungen, Organisierung von Fremdarbeitern, Verbreitung von Flugschriften, Partisanenkampf, Selbstmord (um keine Namen preiszugeben) und das Attentat: "Kurzum, tausend Formen der illegalen Aktivität." (Weisenborn 1954, 24).

2. Der Wiederaufbau der deutschen Theaterlandschaft in der Stunde Null

Theater trotz Trümmer und Not

Die Wiedergeburt des deutschen Theaters fand in Berlin statt. Die einstige Kulturmetropole Europas glich einem Trümmerhaufen: "berlin, eine radierung churchills, nach einer idee hitlers. Berlin, der schutthaufen bei potsdam.", so Brecht (Brecht 1948, zit. nach Daiber 1976, 11). 80 Millionen Kubikmeter Schutt überhäuften die Stadt, in der nur noch 2,8 Millionen Einwohner lebten, im Gegensatz zu 1939, wo es noch 4,3 Millionen waren. Um die Situation des zertrümmerten Berlins und die Wiederbelebung der Theater heraufzubeschwören, ist es angebracht, dem Theaterkritiker Friedrich Luft das Wort zu überlassen, der in einer amüsanten Anekdote illustriert, wie Theaterbesuche in dieser Trümmerstadt aussahen und welche Gefahren man damals eingehen musste, um an den Aufführungsort zu gelangen:

Ich erinnere mich, wie wir, an einem heißen Frühnachmittag, uns vom Nollendorfplatz, wo wir zufällig überlebt hatten, auf den Weg in die Schumannstraße machten. Dort sollte das Deutsche Theater wieder eröffnet werden. Noch lag der Rauch der großen Brände über der Stadt. Als wir an den Landwehrkanal und an die Herkulesbrücke kamen, war die Brücke gesprengt. Wir hangelten über die Reste zweier Röhren, die über dem Wasser hingen, ans andere Ufer. In der Wüstenei des Tiergartens lagen ausgebrannte deutsche Panzer. Am Neuen See biwakierten sowjetische Einheiten, die uns, nicht ohne Beunruhigung und somit auch uns tief beunruhigend, skeptisch ansahen. Wir kamen ungeschoren davon. [...] Wir fanden am Strand der verlassenen Spree einen wohltätigen Mann, der gegen die horrende Summe von einer Reichsmark bereit war, uns mit einem löchrigen Kahn, den er zufällig an Land zu ziehen glücklich oder pfiffig genug gewesen war, ans andere Ufer zu bringen. Bis zu den Knien naß kamen wir drüben an. [...] Theaterbesuch war gefährlich. Aber es war für uns Berliner damals so etwas wie eine Ersatzerfüllung für ziemlich alle Betätigungen, die noch nicht wieder erlaubt oder erfüllbar waren. (Luft, zit. nach Reichardt/Drogmann/Rosenthal/Treutler 1972, 9)

Diese Zeugenaussage veranschaulicht die allgemeine Atmosphäre, in der das Theaterleben neu aufgebaut wurde: Inmitten der Armut und Zerstörung sehnten sich die Bewohner Berlins nach Kunst. Da Goebbels zum 1. September 1944 als "Reichsbevollmächtigter für den totalen Kriegseinsatz" die Schließung aller Theater angeordnet hatte, entstanden kurz nach Kriegsende Zweifel, ob das zerstörte Deutschland in der Nachkriegszeit wieder eigene Theatergebäude mit fest angestellten Mitarbeitern haben werde. So schrieb Leonard Steckel, Intendant des Zürcher Schauspielhauses, in seinen Notizen zum ideellen Neuaufbau des Theaterwesens im freien Deutschland am 6. Mai 1945:

Es wird aller Wahrscheinlichkeit nach in Deutschland in der ersten Nachkriegszeit keine ständigen Theater geben. Gastspieltruppen, zum Teil von den Besatzungsmächten zusammengestellt und umhergeschickt, werden in den Ortschaften auf improvisierten Bühnen spielen. [...].

Doch das Gegenteil geschah. Am 28.04.1945 kam vom sowjetischen Generaloberst Bersarin ein erster Befehl an die Berliner, dass die Theatervorstellungen bis 21 Uhr erlaubt seien. Noch während der Kämpfe spielte in Weißensee eine Theatertruppe, und am 9. Mai 1945 wurde in Neukölln ein "revolutionäres Kabarett" eröffnet. Kunst, so der Zeitzeuge Friedrich Luft, war allgegenwärtig:

Gestern hatte ich Gelegenheit, einmal im Wagen durch die ganze Breite dieser Stadt zu fahren. Es war gespenstisch. Man ist an die Trümmer seiner Umwelt, seines Weges zur Arbeit, seines Bezirkes gewöhnt. Aber da wurde mir einmal bewusst, wie wenig von Berlin noch da ist. Ich fragte mich, ob wir uns eigentlich nur etwas vormachen. Ich fuhr an einer Litfaßsäule vorbei, die beklebt war mit unzähligen Ankündigungen von Theatern, Opern, Konzerten. Ich sah nachher im Inseratenteil der Zeitung: An fast 200 Stellen wird Theater gespielt. Tatsächlich. Überall. In allen Bezirken. Täglich finden mindestens ein halbes Dutzend Konzerte statt. In allen Bezirken. Zwei Opernhäuser spielen ständig - welche Stadt der Welt hat das noch? Ob da nicht eine ungesunde Hausse in Kunst ausgebrochen ist - ob es nicht nötiger ist, Handfestes zu tun -, ob der Drang vor die Bühnen und in die Lichtspielhäuser nicht etwas Leichtfertiges und Frivoles an sich hat? Ich habe es mich gefragt. Und ich habe geantwortet: Nein! Wir sind tatsächlich durch ein Tal von Schweiß und Tränen gegangen, und zu Übermut, weiß Gott, ist auch heute kein Anlaß. (Luft 1982, 16)

Doch Schweiß und Tränen waren noch längst nicht ganz überwunden, Not und Mangel überschatteten das Leben in Berlin: Und trotzdem wurde mit allen möglichen Mitteln Theater gespielt. Über die Situation im Winter 1946 berichtet Christina Neamtu Folgendes:

[...] die Zuschauer [brachten] Decken mit in die Aufführungen, das Orchester spielte mit Handschuhen, bei den Proben passierte es, dass ein Schauspieler ohnmächtig wurde, für eine Handvoll Nägel, um die Bühnenbilder damit zu befestigen, konnte man Eintrittskarten erhalten, Ballettschuhe wurden gestopft, Kostüme zusammengenäht, so dass es im Theater doch zu einer heil- und prachtvollen, vom Krieg unberührten Welt kam. (Neamtu 1997)

Die SMAD (Sowjetische Militäradministration für Deutschland) erließ am 16. Mai 1945 die Spielerlaubnis für Berliner Theater, worauf eine hohe Nachfrage nach Lizenzen folgte. Fritz Erpenbeck, Gründer der Zeitschrift "Theater der Zeit", dokumentiert, dass im Herbst 1945 400 Gesuche um Theater und über 1000 Gesuche um Kabarettlizenzen eingegeben worden seien (Dramaturgische Gesellschaft 1984, 18). Am 27. Mai 1945 folgte dann die erste genehmigte Theateraufführung, und zwar Schönthans' Stück Der Raub der Sabinerinnen, das im Renaissance-Theater aufgeführt wurde. Am 5. Juni 1945 erfolgte der Zusammenschluss der Oberbefehlshaber der vier Besatzungszonen zum Kontrollrat als oberstes Regierungsorgan in Deutschland. Es kam zu folgender Aufteilung der Berliner Theatergebäude: Die sowjetische Besatzungsmacht erhielt das Stadtzentrum und so die im Herzen Berlins gelegenen Theater: das Deutsche Theater, der Admiralpalast, das Theater am Schiffbauerdamm, die Ruinen der Staatsoper Unter den Linden, die Ruinen des staatlichen Schauspielhauses am Gendarmenmarkt sowie die Ruinen der Komischen Oper in der Behrensstraße. Den Amerikanern wurde das Hebbel-Theater, an dem Günther Weisenborn Intendant werden sollte, zugeteilt. Die Engländer erhielten die Boulevard-Theater in der Gegend des Kurfürstendamms, die Ruinen der Deutschen Oper, die Ruinen des Theaters des Westens sowie das Renaissance-Theater. Die Franzosen ließen sich in einem Stadtteil nieder, in dem es zuvor keine Theatergebäude gegeben hatte.

Autoren des Nachkriegstheaters

In seinem Artikel "Das Alte zu hören, das so neu klang. Theater - zunächst im Zeichen der Versöhnung" erstellt Lothar Schirmer drei verschiedene Gruppen von Akteuren auf der Theaterszene des Nachkriegsdeutschlands:

1. die, die im NS-Regime tätig waren und weitermachten;
2. die Verfolgten, die inhaftiert wurden und überlebten;
3. die Emigranten und Verscheuchten. (Schirmer 2001)

Grundsätzlich ist zu sagen, dass es unmittelbar nach Kriegsende vor allem zwei Kategorien von Dramatikern gab, die sich mit dem Antifaschismus auseinandersetzten: die Exildramatiker und die jungen Dramatiker. Von den Autoren, die in Deutschland geblieben waren, obwohl sie gegen das Regime waren und somit ihr Leben riskierten, so Günther Weisenborn und Werner Stein, gibt es nur wenige. Die unmittelbare Nachkriegszeit schuf eine Fülle an jungen Autoren, die sich den Problemen ihrer Zeit stellten. Die jungen Schriftsteller hatten große Schwierigkeiten sich durchzusetzen, sind heute größtenteils völlig unbekannt - abgesehen von Wolfgang Borchert - und gerieten nach 1950 in Vergessenheit:

[Es] debütierten neue junge Schriftsteller mit ihren 'Zeitstücken'. Sie standen wie weite Teile des Publikums am Anfang, waren von der qualitativ wie quantitativ erdrückenden Übermacht des ausländischen Theaters in die Rolle von Epigonen, von Lernenden gedrängt. Ihre Arbeit zeitigte in der Regel keine dauerhaften Ergebnisse, gespielt wurden die einzelnen Stücke zum großen Teil nur an wenigen Theatern der Zonenprovinzen oder im geteilten Berlin. (Riewoldt 1978, 77)

Ganz anders ist es mit den Emigranten. So bemerkt der Literaturhistoriker Peter Mertz:

Die Stücke von Sternheim, Kaiser, Werfel, Zuckmayer oder Goetz werden ohne jede Diskussion gespielt. Sie haben gute Rollen, Futter für den Schauspieler, Spannung und Lust für den Zuschauer. Ob der Autor ein Emigrant ist, interessieren Intendanten und Dramaturgen wenig. Andererseits ist der Hinweis, dieser Autor ist doch Emigrant, und das deutsche Theater hätte eigentlich an ihm etwas wieder gutzumachen, selten ein Grund, ein Stück in den Spielplan aufzunehmen. (Mertz 1990, 254)

Aufgaben des Theaters

Es erhebt sich die Frage, welchem Zweck dieses Theater, das in Not und Armut seine Wurzeln nahm, dienen konnte: Handelte es sich nur um Vergnügen, Verdrängung und Vergessen? Oder konnte sich das Theater hohe Ziele setzen und die Erziehung der Deutschen durch das Theater erstreben? Im August 1945 drückte der Regisseur Leopold Lindtberg seine Zweifel an dem Erziehungspotential des Theaters aus:

Dem kulturellen Aufbau stellt sich ein einziges, ein brennendes Problem: die Erziehung. Nie war die sittliche Aufgabe des Theaters bedeutsamer. [...] Wir können nicht einmal sagen: nun geht der Vorhang wieder auf. Wenn die Theater wieder spielen werden, werden keine Vorhänge da sein. Eine Armut, die wir uns nicht vorstellen können, wird alles Leben beherrschen. Wir werden im wahrsten Sinne aus der Not eine Tugend machen müssen. (Lindtberg, zit. nach Daiber 1976, 9)

Die Zeitschrift "Theater der Zeit" setzte sich mit den Zielen und Aufgaben des Nachkriegstheaters auseinander. Das erste Heft der Zeitschrift für Theater, Film und Musik erschien mit sowjetischer Lizenz im Juli 1946 in dem Verlag Bruno Henschel und Sohn in Berlin unter der Leitung von Fritz Erpenbeck, der bis 1958 Chefredakteur des Blattes blieb und bereits am 1. Mai 1945 mit der 'Gruppe Ulbricht' aus sowjetischer Emigration nach Deutschland zurückgekehrt war. Der Komponist Boris Blacher, der Kritiker Herbert Ihering, die Dramatiker Günther Weisenborn und Friedrich Wolf, die Filmregisseure Kurt Maetzig und Friedrich Franz Treuberg wirkten in der Redaktion der Zeitschrift mit. Ziel der Zeitschrift war es, nach zwölfjähriger Zensur die Rolle des Theaters neu zu orientieren, Zeitprobleme mittels des Theaters zu diskutieren und zu verbreiten, sowie die Stimme junger deutscher Autoren hören zu lassen. In der ersten Ausgabe veröffentlichte der Regisseur Falk Harnack einen Artikel mit dem Titel "Aufgaben des deutschen Theaters in der Gegenwart". Dort dokumentiert er die aktuelle Debatte über die möglichen Orientierungen des Nachkriegstheaters:

Zwei Meinungsgruppen haben sich [in Deutschland] gebildet. Die eine Gruppe ist der Ansicht, man solle mit der Vergangenheit Abrechnung halten, man solle die Wunde, die der Nationalsozialismus der Welt und Deutschland geschlagen hat, nicht vernarben lassen, ehe sie nicht gründlich gereinigt ist. [...] Die andere Gruppe verlangt im Gegenteil, man solle nach all dem Grauen, das die Welt überkommen hat, endlich dem Menschen Freude schenken, Entspannung, Ablenkung von der harten Wirklichkeit des Tages. (Harnack 1946, 10)

Die damaligen Theaterkritiker wie Rilla, Erpenbeck und Ihering verteidigten und repräsentierten zweifellos die erste Gruppe und befürworteten ein nützliches, antifaschistisches Theater.

3. Der Widerstand: ein heikles Thema auf deutschen Bühnen

Die Vorliebe für Unterhaltungsstücke

Unter Westdeutschlands beliebtesten Autoren in den Jahren 1945-1975 sind unter anderem Shakespeare, Schiller, Shaw, Brecht, Molière, Goethe, Hauptmann, Anouilh und Lessing vorzufinden. Die in den 50er Jahren meistgespielten Dramen des klassischen Theaters waren Minna von Barnhelm, Faust, Der zerbrochene Krug, Maria Stuart, Kabale und Liebe, Was Ihr wollt, Der Biberpelz, Nathan der Weise und Des Teufels General (Mertz 1990, 145) - letzteres als einziger Repräsentant der Zeitstücke aus der Mitte der 40er Jahre übrig geblieben! Wenn in den Jahren des neu errungenen Wohlstands in Deutschland die Vorliebe den klassischen Autoren und Stücken galt, welche Genres wurden dann unmittelbar nach Kriegsende bevorzugt? Bis Ende Dezember 1945 gab es in Berlin 121 Premieren: Es waren über 50 unterhaltende Gattungen wie Posse, Schwank, Lustspiel, Revue und Boulevardstück vorzufinden, dazu 19 Operetten, 6 Klassiker, 11 Opern und 20 Werke aus der "anspruchsvolleren Literatur des 20. Jahrhunderts." (Hahn 2001, 36). Während der Spielzeit 1945-1946 (genauer: vom 1.8.1945 bis zum 31.7.1946) gab es dann 245 Premieren. Die Stückauswahl der ersten Produktionen war meistens von Ablenkung und Vergnügen gekennzeichnet, von der Alltagsrealität hielt man sich fern. Unter den Premieren der Spielzeit 1945-1946 wurden 17 deutsche Stücke aufgeführt, vier russische, vier amerikanische, vier französische, drei englische, ein irisches, ein italienisches, und ein österreichisches. Der Literaturhistoriker Hans Daiber teilt die damals gespielten Schauspiele in folgende Kategorien ein: Erfolgsstücke von Wolf und Weisenborn; satirische Versuche, wie die von Horst Lommer und Herrmann Mostar, darunter auf höherem Niveau Franz Werfels Jacobowsky und der Oberst; aktualisierte Geschichtsdramatik, wie Camus' Caligula; informierende Dramatik, wie Geiseln von Rudolf Leonhard; lehrhafte "Wandlungsdramatik", so Dengers Wir heißen Euch hoffen oder Engels Treibgut und zuletzt Heimkehrerstücke, wie Borcherts Draußen vor der Tür (Daiber 1976, 32-34).

Die Theaterkritiker waren sich darüber im Klaren, dass sich das Publikum, das sich aus Davongekommenen, Geflüchteten und Heimkehrern zusammensetzte, mehr für Unterhaltungsstücke und klassisches Theater als für Zeitstücke interessierte. So hatte zum Beispiel Gustav von Wangenheim, Intendant des Deutschen Theaters, nach einer erfolgreichen Inszenierung von Lessings Drama Nathan der Weise die Wahl getroffen, vor allem Zeitstücke zu inszenieren: Ein Jahr später, im Sommer 1946, wurde er von Wolfgang Langhoff vertreten, da das Theater zu schließen drohte. Welche Gründe wurden genannt, um diesen Misserfolg der Zeitstücke zu erklären? Fritz Erpenbeck erklärt ihn damit, dass das deutsche Publikum sich schnell angegriffen gefühlt habe (Erpenbeck 1947). In seinem Essay Zeitprobleme des Theaters bedauert Friedrich Wolf die mangelnden Inszenierungen der Zeitstücke und stützt sich auf zwei von Berliner Intendanten angegebenen Gründe: Einerseits wolle das Publikum unterhalten werden, andererseits gebe es schlicht und ergreifend nicht genügend zeitnahe Dramen (Wolf 1957). Letztere Aussage, dass es nicht genügend Zeitstücke gegeben habe, erscheint aufgrund unserer Recherchen unkorrekt, da zwischen den Jahren 1945 und 1950 eine Fülle an Zeitstücken geschrieben wurde, von denen sich mehrere mit der Widerstandsthematik befassten.

Die Thematisierung des Widerstands - mehr als eine Randerscheinung

Heutzutage findet man in Literaturgeschichten kaum noch Angaben über Stücke des Nachkriegstheaters, die den deutschen Widerstand thematisieren: "Erstaunlich ist [...], daß das Thema Widerstand im Dritten Reich selten behandelt wird", beurteilt Mertz (Mertz 1990, 112). Das Erfolgsstück Des Teufels General von Carl Zuckmayer ist zwar bis heute sehr bekannt geblieben, jedoch ist die Hauptfigur Harras, auf die sich der Titel bezieht, nicht ein Widerstandskämpfer, sondern ein Mitläufer aus dem Heer. Günther Weisenborns Drama Die Illegalen wird nur noch selten in literarischen Nachschlagewerken verzeichnet. Friedrich Wolfs schon 1933 verfasstes Stück Professor Mamlock, das zu den großen Nachkriegserfolgen gehört, wird zwar hin und wieder angeführt, doch von den Werken Die Patrioten oder Doktor Lilli Wanner ist niemals die Rede. Oft wird auf Stücke Bertolt Brechts hingewiesen, wie Furcht und Elend des dritten Reiches oder Schweyk im zweiten Weltkrieg. Borcherts Draußen vor der Tür, vermutlich das berühmteste Schauspiel der Nachkriegsdramatik, behandelt nicht schwerpunktmäßig die Themen Widerstand oder Mitschuld. Spezifischere Forschungen über deutsches Nachkriegstheater erwähnen noch eine Reihe von Stücken, wie Johannes R. Bechers Winterschlacht, Schlacht um Moskau, Heinrich Goertz' Peter Kiewe, Julius Hays Gerichtstag, Hannsjörg Schnitthenners Ein jeder von uns oder Walter Erich Schäfers Die Verschwörung.

Jedoch können folgende Stücke aufgelistet werden, die Widerstand als zentrale Thematik oder am Rande behandeln:

Johannes R. Becher: Winterschlacht, Schlacht um Moskau (1942);
Ulrich Becher: Samba (1950 am Schlosspark-Theater uraufgeführt);
Annemarie Boström: Die Kette fällt (1948 in Chemnitz uraufgeführt);
Bertolt Brecht: Furcht und Elend des 3. Reiches (1939);
Fred Denger: Wir heißen euch hoffen (1946 am DT uraufgeführt);
Thomas Engel: Treibgut (1948);
Heinrich Goertz: Peter Kiewe (1947 am DT uraufgeführt);
Ilse Jung: Wo ist der Weg (1946);
Hermann Werner Kubsch: Ende und Anfang (1948 in Kamenz uraufgeführt);
Rudolf Leonhard: Geiseln (1948 am Hebbel-Theater uraufgeführt);
Horst Lommer: Der General (1947);
Peter Podehl: Kommen und Gehen (1948);
Günther Sauer: Signal Stalingrad (1946);
Walter Erich Schäfer: Die Verschwörung (1949 am Schlosspark-Theater uraufgeführt);
Hannsjörg Schnitthenner: Ein jeder von uns (1947 am DT uraufgeführt);
Inge Strudhoff: Der Gast (1949);
Helmut Vogt: Jede Nacht geht zu Ende (1949);
Günther Weisenborn: Die Illegalen (1946 am Hebbel-Theater uraufgeführt);
Friedrich Wolf: Professor Mamlock (1946 am Hebbel-Theater erneut aufgeführt) und Doktor Lilli Wanner (1945 in Chemnitz uraufgeführt);
Johannes Wüsten: Bessie Bosch (1936);
Carl Zuckmayer: Des Teufels General (1948 am Schlosspark-Theater uraufgeführt) und Der Gesang im Feuerofen (1950 in Göttingen uraufgeführt).

Die Brisanz der Thematik des Widerstands auf deutschen Bühnen verdeutlicht eine Aussage Günther Weisenborns, der die Gründe für den Erfolg der Illegalen zu verstehen sucht: "Das Stück fand eine solch weite Verbreitung, daß man nicht wußte, ob die vielen Aufführungen auf Überzeugung, Mode oder Anpassung zurückzuführen waren." (Weisenborn 1964, 272). Der unbekannte und heikle Charakter des Themas stieß auf Abwehrreaktionen. Friedrich Lufts damalige Kritik an dem Werk drückt die allgemeinen Zweifel der zeitgenössischen Kritiker eindeutig aus: "Das Thema des Stücks ist noch sehr nah. Wie leicht kommt da ein falscher Ton in die Stimme." (Luft 1982, 23). Folgender Rundfunkausschnitt führt vor Augen, wie tabu die Besprechung des deutschen Widerstandes 1946 war:

Und nun, lieber Hörer, merke ich, wie Sie skeptisch werden. Wie Sie daheim den Kopf schütteln und einen unangenehmen Geschmack im Munde verspüren. Und dann ist das Wort da, nach dem Sie suchen: Tendenz. Und nun glauben Sie, das Stück, von dem ich rede, eingeordnet und damit beiseite gestellt zu haben (Luft 1982, 20)

Dieser Aussage nach zu beurteilen, zogen es damalige Theaterbesucher vor, das Stück als "Tendenzstück" zu katalogisieren, anstatt sich mit der unmittelbaren Vergangenheit auseinanderzusetzen. Ein Auszug aus einer Rezension nach der Uraufführung von Zuckmayers Drama Des Teufels General illustriert, wie prekär mit dem Thema, auch sprachlich, umgegangen wurde:

Endlich die ganz Vereinzelten, die dem Teufel in stummer Verwegenheit trotzen wollen, das winzige Grüppchen deutschen Widerstandes - wenn man dieses Wort überhaupt brauchen darf -, der in der Gestalt des sabotierenden Luftfahrtingenieurs Oderbruch [...] sichtbar wird.  (P.B. 1947)

Die von einem Theaterkritiker benutzte Formulierung "wenn man dieses Wort überhaupt brauchen darf" führt uns vor Augen, wie tabu die Nennung oder Bearbeitung des deutschen Widerstandes noch zu Zeiten der deutschen Uraufführungen der Stücke war.

Biografische Voraussetzungen für die Niederschrift der Dramen

Der ehemalige Widerstandskämpfer der "Roten Kapelle" Günther Weisenborn und die Exilschriftsteller Carl Zuckmayer und Friedrich Wolf hegten denselben Wunsch, die Arbeit, Motivationen und Ziele der deutschen Widerstandskämpfer dem Publikum vor Augen zu führen, was sie entsprechend ihrer unterschiedlichen Erfahrungshorizonte und Einstellungen auf verschiedene Art konkretisiert haben. Drei ihrer in den ersten Kriegsjahren verfassten Stücke gelten als erstes Sprachrohr der zwölf Jahre lang verschwiegenen Widerstandsbewegung. In der Schrift Persönliche Notizen zu meinem Stück 'Des Teufels General' erklärt Zuckmayer:

Ich wusste (was mancher Besucher des Stücks heute vergessen hat), daß ich kein Dokumentarstück schrieb. Daß es sich nicht darum handeln konnte, die tatsächlichen Vorgänge der deutschen Wirklichkeit, des deutschen Widerstandes vor allem, darzustellen - sondern ihre Tragik zu symbolisieren. (Zuckmayer, zit. nach Glauert 1977, 215).

Zuckmayer, so wie Weisenborn oder Wolf, verfolgte mit seinem Stück über den Widerstand nicht das Ziel, dem Zuschauer reale Ereignisse im Dritten Reich vor Augen zu führen: Die Motive der Werke sind insofern an die Realität angelehnt, als sie vor allem die Widerspiegelung persönlicher Erfahrungen und Kenntnisse der Dramaturgen sind.

Günther Weisenborn

Günther Weisenborn wurde am 10. Juli 1902 in Velbert im Rheinland geboren und starb am 26. März 1969 in Berlin. Nach einem Germanistik- und Medizinstudium in Köln, Bonn und Berlin, arbeitete er als Schauspieler an verschiedenen Theatern und wurde 1928 Dramaturg an der Berliner Volksbühne. Nach der Machtübernahme Hitlers und dem Verbot seiner Werke emigrierte er in die USA und arbeitete als Lokalreporter in New York. Ende 1937 kehrte er jedoch nach Deutschland zurück, um aktiv und vor Ort gegen die Hitlerdiktatur kämpfen zu können: In der Tat wurde er ein aktives Mitglied der Widerstandsorganisation "Rote Kapelle", einer der größten deutschen Widerstandsgruppen, die von dem Berliner Oberregierungsrat Arvid Harnack und dem Mitarbeiter des Reichsluftfahrtsministeriums Harro Schulze-Boysen schon in den dreißiger Jahren gegründet wurde. Sie zählte mehr als einhundert Gegner des Nationalsozialismus unterschiedlicher sozialer Herkunft und weltanschaulicher Ansichten und nahm Kontakt mit der Sowjetunion auf. Im Sommer 1942 wurde sie aufgedeckt, ca. 50 Mitglieder der Gruppe wurden hingerichtet. Um diese mit dem Todesurteil bestrafte Aktivität zu tarnen, nahm Weisenborn 1941 die Stelle als Dramaturg am Schillertheater an, schrieb zusätzlich Film-Drehbücher und arbeitete für den Rundfunk, wo er ebenfalls Widerstandsaktionen leistete. Die Gruppe "Rote Kapelle" flog 1942 auf, Weisenborn wurde verhaftet und vor dem Reichskriegsgericht wegen Hochverrats zu Tode verurteilt. Aufgrund der entlastenden Aussage eines Zellengenossen wurde das Todesurteil gegen ihn in 10 Jahre Festungshaft umgewandelt. Im April 1945 wurde er aus dem Zuchthaus Luckau von der Roten Armee befreit und wurde anschließend Bürgermeister der kleinen Stadt Langengrassau, bevor er zusammen mit Karl-Heinz Martin, ehemaliger bewährter Regisseur des Expressionismus, das Hebbel-Theater im Berliner Westsektor gründete. Er war außerdem Mitherausgeber der satirischen Zeitschrift Ulenspiegel und Mitbegründer des Studio 46, das 1946 mit der Uraufführung seines Dramas Die Illegalen im Hebbel-Theater eröffnet wurde.

Der Schriftsteller Weisenborn forderte von seinem zeitgenössischem Theater, dass es politisch sei:

Jeder Denkende wird aber fragen: Was will das Theater der Gegenwart? [...] Die wichtigste Funktion der Bühne, neben dem Vergnügen, ist die öffentliche Erschütterung, ist das in Verantwortung orchestrierte Erlebnis eines Dramas. Die Szene soll uns allen helfen, sehen und denken zu lernen, die Szene soll wieder Meinungen, Bewegung der gehorsam steif gewordenen Gehirne, innere Erregung, Vernunft und damit Impulse geben [...]. Also ist die Arbeit des Theaters zwangsläufig auch eine politische. (Weisenborn 1964, 184f.)

Tatsächlich setzte sich Weisenborn vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten und nach 1945 immer wieder mit der Verarbeitung seines Zeitgeschehens auseinander, wie es folgende Werke bezeugen: Der Roman Barbaren, Roman einer studentischen Tafelrunde (1931), die Autobiographien Memorial (1948) und Der gespaltene Horizont. Niederschrift eines Außenseiters (1965), die Widerstands-Dokumentation Der lautlose Aufstand (1953), der Berlin-Roman Der dritte Blick (1956) und der Bonn-Roman Auf Sand gebaut (1956). Seine Erfahrungen als Widerstandskämpfer hat er in seinem letzten, nachgelassenen Schauspiel Klopfzeichen. Szenen über Kampf und Ende einer Widerstandsgruppe (1968/69) noch einmal auf ganz unterschiedliche Weise aufgegriffen. In den Materialen zu Klopfzeichen werden ebenfalls Weisenborns Absichten deutlich, ein "Roman-Exposé" mit dem Titel Die Gruppe zu verfassen sowie einen Spielfilm zu drehen, beides Werke über die "Rote Kapelle". Es kam nie dazu.

Weisenborn fasste sich über die Entstehung von den Illegalen kurz: "Die ersten Szenen entstanden während des Krieges. Sie gingen auf die Erfahrungen einer Widerstandsgruppe zurück, der ich 1937 beitrat, als das Dritte Reich seinen glanzvollen Höhepunkt erreicht hatte." (Weisenborn 1964, 271). In dem Vorwort zu dem Stück beteuert er die Verpflichtung der überlebenden Widerständler, den umgekommenen Kämpfern ein Denkmal zu setzten:

Dieses Schauspiel wurde von einem überlebenden Zeugen als Denkmal einer illegalen Gruppe während der Nächte dieses verzweifelten Winters in Erschütterung niedergeschrieben. [...] Wir Überlebenden haben als Instrument der Toten die sehr konkrete Verpflichtung, Denkmäler für die Dahingegangenen in die Gegenwart zu setzen. Wir haben die Verpflichtung, ihre Taten dem deutschen Volk und besonders seiner Jugend bekannt zu machen. (Weisenborn 1947, 7)

Friedrich Wolf

Friedrich Wolf, "der vermutlich produktivste deutsche Dramatiker des Nachkriegs" (Schneider 1989, 78), wurde am 23. Dezember 1888 in Neuwied am Rhein geboren und starb am 5. Oktober 1953 in Lehnitz bei Berlin. Er studierte Medizin und war mit Kriegsbeginn Truppenarzt an der Front. Im November 1918 wurde er Mitglied des Arbeiter-und Soldatenrates in Dresden, zehn Jahre später Mitglied der KPD und des Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller. Sein Werk ist stets politisch und bestreitet Themen aus dem aktuellen Zeitgeschehen. Nach Hitlers Machtübernahme folgten, aufgrund Wolfs kommunistischer Aktivitäten und seiner jüdischen Herkunft, mehrere Emigrationsaufenthalte in Österreich, der Schweiz, Frankreich, Moskau und bei den Internationalen Brigaden in Spanien. Mit dem Kriegsbeginn 1939 wurde Wolf in Paris verhaftet und in das Internierungslager Le Vernet gebracht. Dieser Aufenthalt in Le Vernet hat sein Werk stark beeinflusst. Eine Ausreise nach Moskau gelang ihm dank sowjetischer Hilfe; 1941 erhielt er die sowjetische Staatsbürgerschaft. Er beteiligte sich als Propagandist an der Front und in Gefangenenlagern auf sowjetischer Seite. Juli 1943 wurde er Mitbegründer und Frontbeauftragter des "Nationalkomitee Freies Deutschland". Nach 1945 kehrte er nach Deutschland in die sowjetische Zone nach Berlin zurück, beteiligte sich an der Gründung der DEFA und wurde von 1949 bis 1951 der erste Botschafter der DDR in Polen. So wie Weisenborn äußerte sich auch Friedrich Wolf in seinen Schriften über das Zeitgeschehen. 1946 verfasste er den Artikel "Theater des Übergangs", in dem sichtbar wird, welche Hoffnung er an das Nachkriegstheater knüpft. Er betont, dass dieses Theater die Charakteristika einer Übergangsphase besitze:

Es war vorauszusehen, daß zwischen den Jahren naziotischer Gleichschaltung und der Entfaltung eines neuen geistigen Lebens in unserem Lande eine Periode des Atemholens, der Überwindung des Schocks eintreten würde - zumal bei dem Theater, das heute mehr als je eine gesellschaftliche Funktion zu erfüllen hat. (Wolf 1957, 169)

Es sei dabei die Rolle des Schriftstellers, Fragen aufzuwerfen und zu beantworten: "Die Antwort muß erfolgen! So oder so!" (Wolf 1957, 172).

Es gibt kaum ein Thema über das Kriegsgeschehen oder die Zeitumstände, das Wolf nicht behandelt hat. So befasst er sich mit den Themen der Rassenverfolgung und des Mitläufertums (Professor Mamlock 1933), einer der größten Erfolge des Zürcher Schauspielhauses, der französischen Résistance (Patrioten 1942-43), des militärischen Zusammenbruchs (Was der Mensch säet 1945), des Schicksals der Jugend bei Kriegsende (Wie die Tiere des Waldes 1947), des Wiederaufbaus (Bürgermeister Anna 1945), des deutschen Widerstands (Doktor Lilli Wanner 1945). Letzteres wurde während der Gründung des "Nationalkomitee Freies Deutschland", nach der Schlacht in Stalingrad (Februar 1943) geschrieben. Ziel des Komitees, das sich aus deutschen Emigranten und Kriegsgefangenen auseinandersetzt, war es, die breiteste Basis für den Kampf gegen Hitler zu ermöglichen, um alle anzusprechen. Angesichts dieses Entstehungskontextes richtet sich das Schauspiel also in erster Linie an die bürgerliche Intelligenz, die seit Jahren unter dem Faschismus lebte. Als überzeugter Kommunist hat Wolf in vielen seiner Stücke seine Ideologie kundgetan und somit ist auch in Doktor Lilli Wanner seine marxistische Position vertreten.

Carl Zuckmayer

"Die stärkste und anhaltendste Wirkung auf deutschen Bühnen wird von den Emigranten Brecht und Zuckmayer vertreten" (Schneider 1989, 80). Diese Aussage bestätigt Carl Zuckmayer als einen der bedeutendsten deutschen Dramatiker des 20. Jahrhunderts.

Er wurde am 27. Dezember 1896 in Nackenheim in Rheinhessen geboren und starb am 18. Januar 1977 in Visp in der Schweiz. Nachdem er als Freiwilliger in den Krieg gezogen war, begann er 1918 das Studium der Jura, Literaturgeschichte und Soziologie in Frankfurt am Main und Heidelberg. 1920 ging er nach Berlin, erhielt anschließend Engagements als Dramaturg in Kiel, München und am Deutschen Theater Berlin, wo er mit Erich Engel und Bertolt Brecht unter der Leitung von Max Reinhardt arbeitete. Im Dezember 1925 gelang ihm sein literarischer Durchbruch: Am 22. Dezember wurde im Theater am Schiffbauerdamm die Komödie Der fröhliche Weinberg aufgeführt - die zum meistgespielten Theaterstück in den 20er Jahren wurde - und mit dem Hauptmann von Köpenick gelang Zuckmayer ein weiterer bleibender Erfolg. 1933 folgte das Aufführungsverbot, einerseits weil Zuckmayer mütterlicherseits jüdischer Abstammung war, andererseits weil den Nazis seine Werke missfielen. Nach dem österreichischen Anschluss emigrierte er 1938 in die Schweiz, dann in die USA, wo er mehrere Jahre als Pächter der Backwoods-Farm in Vermont lebte. Dort verfasste er das Drama Des Teufels General. Der Anlass zum Schreiben kam durch die Todesnachricht seines Freundes Ernst Udet. In seiner Autobiographie Als wär's ein Stück von mir berichtet Zuckmayer:

Im Dezember des Jahres 1941, nicht lange nach dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg, war in den amerikanischen Zeitungen eine kurze Notiz erschienen: Ernst Udet, Generalluftzeugmeister der deutschen Armee, sei beim Ausprobieren einer neuen Waffe tödlich verunglückt und mit Staatsbegräbnis beerdigt worden. Sonst nichts. Es gab keine Kommentare, keine Mutmaßungen über seinen Tod. Verunglückt, Staatsbegräbnis. (Zuckmayer 1966, 462)

1946 kehrte er mit der amerikanischen Staatsbürgerschaft als ziviler Kulturbeauftragter des amerikanischen Kriegsministeriums nach Deutschland zurück. 1966 wurde er Schweizer Staatsbürger und sein letzter großer literarischer Erfolg erschien, nämlich die oben erwähnte Autobiographie, in der die sozialen und politischen Geschehnisse eines halben Jahrhunderts mit einfließen. Zuckmayers Äußerungen über seine Zeit und die Wiedergeburt des deutschen Theaters stehen vor allem mit Aussagen über sein eigenes Werk Des Teufels General in Verbindung. Zur allgemeinen Rolle des Theaters sagte Zuckmayer:

Wenn das Drama, dessen Aufgabe es nicht sein kann, fertige Lösungen zu geben, sondern zur Klärung beizutragen und einen Weg anzudeuten, diese jungen Menschen in ihrem Selbstvertrauen, in ihrer Zuversicht auf den endgültigen Sieg des Rechtes zu bestärken und zu festigen vermag, so liegt darin sein schönster Erfolg. (Zuckmayer, zit. nach Glauert 1977, 215)

Als Zivilbeauftragte für Kulturfragen beschäftigte er sich zwar mit der Kulturpolitik des geteilten Berlins, ging jedoch in seinen Schriften nicht insbesondere auf die Problematik des Theaters in Berlin ein. Seine Stücke selbst vertreten keine klaren politischen Ansichten und Ziele: So meint Harro Kieser, dass "Zuckmayer [...] von Anfang an kein gesellschaftskritischer Autor gewesen sei", und versucht zu begründen, weshalb Zuckmayer nicht in den deutschen Widerstand gegangen ist: "Er war ja kein politisch engagierter Mann mit verprägten Zielen, um sich nun hinter dem Widerstand zu verschanzen." (Kieser 1986, 16-18). In einer Diskussion mit Münchner Studenten beteuerte der Autor, dass er in der Niederschrift des Stückes eine Alternative zum aktiven Widerstand in Deutschland gefunden habe: "Für mich ist Oderbruch eine Art Selbsterlösung gewesen, denn der Schritt vom Wunsch zur Tat, den er in diesem Stück ausführt, ist der Ausdruck dessen, was unzählige Menschen empfunden und gelitten haben." (Zuckmayer, zit. nach Schröder 1964, 88).

Dramatisierungen des Widerstands: Thematische Schwerpunkte der Stücke

Die Werke verbinden auf den ersten Blick mehrere Gemeinsamkeiten: Die drei Schriftsteller begannen die Niederschrift der Stücke in den letzten Kriegsjahren, vollendeten sie spätestens 1946 und unmittelbar nach dem Kriegsende wohnten sie ihrer Uraufführung bei. Alle drei Werke sind eine Hommage an die deutschen Widerstandskämpfer und thematisieren die letzten Kriegsjahre sowie die vorauszusehende militärische Niederlage Deutschlands. Sie projizieren den gegen Hitler geführten Widerstandskampf als einzig mögliche Einstellung während der nationalsozialistischen Herrschaft auf die Bühne. Darüber hinausgehend werfen sie auch die Frage der Schuld der Mitläufer auf, sei es vonseiten der Armee (Des Teufels General), des einfachen Volkes (Die Illegalen) oder des Bürgertums (Doktor Lilli Wanner) und es werden Wandlungen einzelner Mitläuferfiguren zu Widerstandskämpfern veranschaulicht. Eine Darlegung der Handlungsgerüste und der zentralen Intentionen der Stücke verdeutlicht die unterschiedlichen literarisch-theatralischen Realisierungen des historischen Stoffes.

Des Teufels General von Carl Zuckmayer wurde zwischen 1942 und 1945 verfasst, am 14.12.1946 im Schauspielhaus Zürich uraufgeführt und hat sich als größter Theatererfolg der Nachkriegsjahre behauptet. Zwischen 1947 und 1950 wurde es 3238 Mal aufgeführt. Das Stück stellt sowohl die Frage des Widerstands als Sabotageakt, in dem andere Menschenleben nicht immer berücksichtigt werden können, als auch die der Mitschuld von Mitläufern aus der Armee.

Der beliebte und erfolgreiche Fliegergeneral Harras, der von der Gestapo verdächtigt wird, in eine Sabotageaffäre verwickelt und für mysteriöse Flugzeugabstürze im Luftfahrtministerium verantwortlich zu sein, gibt an einem Abend im Spätherbst 1941 in einem Berliner Restaurant eine Gesellschaft zu Ehren einiger von der Russlandfront auf Urlaub zurückgekehrter Fliegerobristen und -offiziere, auf der sich auch Militärs, NS-Ministeriale, Vertreter der Wirtschaft und Opernsängerinnen einfinden. Die standesgemäße Konversation und die fröhliche Stimmung werden allmählich getrübt durch die von Harras skeptisch beurteilten Kriegschancen Deutschlands sowie durch seine Auseinandersetzung mit dem NS-Kulturleiter Schmidt-Lausitz, dem er öffentlich seine Abneigung und Verachtung den Nazis gegenüber beteuert. Als die plötzliche, aufgrund der bedrängten Lage der deutschen Truppen vor Moskau Abberufung der Offiziere zurück an die Ostfront bekannt gegeben wird, ist die Soiree beendet. Nachdem Harras in 14-tägiger Haft den bekannten Methoden der Gestapo verfallen ist, überbringt ihm der NS-Kulturleiter Schmidt-Lausitz das Ultimatum, innerhalb zehn Tagen entdeckt zu haben, wer der Urheber der Sabotageakte ist. Als die Abendblätter die Nachricht von dem Flugzeugabsturz des jungen Oberst Eilers überbringen, der höchst wahrscheinlich einer Sabotage zum Opfer gefallen ist, bestellt Harras den Chefingenieur im Materialamt, Oderbruch, zu sich. Eilers Tod ruft Harras zur Verantwortung und zur Anerkennung seiner Mitschuld auf und er hofft, gemeinsam mit Oderbruch die Wahrheit über die Sabotageaffäre herausfinden zu können. Doch nach zehn Tagen ist Harras in der Angelegenheit nicht weiter gekommen und die persönliche Bedrohung nimmt zu. Seine letzte Chance sieht er in dem Verhör zweier Arbeiter, durch deren Hände Eilers Unglücksmaschine zuletzt ging. Die zwei Arbeiter verharren in Schweigen - Harras klagt sie jedoch nicht an. Ihm wird klar, dass die Gestapo in dieser Affäre genauso im Dunkeln tappt wie er und sich durch die Anklage Harras' nur erhofft hat, die Wahrheit zu erfahren. Nach Harras' Eid der Verschwiegenheit gibt sich Oderbruch als Widerstandskämpfer und Mitwisser der Sabotageakte zu erkennen. Es folgt ein intensives Gespräch, in dem Harras versucht, Oderbruchs Handlungen zu verstehen. Er weist alle Hilfsangebote und seine Aufforderungen, für die illegale Organisation im Ausland zu arbeiten, ab: Als einzigen Ausweg, um seine Mitschuld zu büßen, sieht Harras den Selbstmord. Er steigt bewusst in eine defekte Maschine und stürzt ab. Des Teufels General war vor allem aufgrund seines exakten und detaillierten Porträts der das NS-Regime tragenden Gesellschaft erfolgreich, und den Kritikern erscheint vor allem Zuckmayers Handhabung der Details als bewundernswert: "Das satte Behagen, die stupende, ja penetrante Kenntnis, mit denen Details aus der höheren Sphäre des dritten Reiches gesetzt sind, die Wirklichkeitsverliebtheit Zuckmayers verblüffen noch heute." (Rischbieter, zit. nach Mews 1987, 15).

Zuckmayers Schauspiel löste jedoch heftige Debatten, gar Skandale aus, die in dem folgenden Teil dieses Beitrags beleuchtet werden: Denn insofern als die zwiespältige Figur des Widerstandskämpfers Oderbruch der einheitlichen, eine Entwicklung durchmachenden Figur des sympathischen Mitläufers Harras gegenübersteht, und somit in den Schatten gerückt wird, bleibt die Widerstandsthematik stets im Hintergrund der Handlung. Ob demzufolge ein Zuschauer, sei er von damals oder von heute, die wahren Absichten Zuckmayers versteht, den Widerstand als Heldentat begreift und die einsame Figur des Widerständlers Oderbruch und dessen Taten denen des Mitläufers Harras bevorzugt, sei dahingestellt.

Günther Weisenborns Stück Die Illegalen, 1946 vollendet und am 21.03.1946 am Hebbel-Theater Berlin uraufgeführt, wurde von 104 Theatern inszeniert und fünf Rundfunkanstalten ausgestrahlt und gehört, mit Zuckmayers Werk Des Teufels General und Borcherts Hörspiel Draußen vor der Tür, das die Frage der Kriegsheimkehrer aufwirft, zu den drei größten Erfolgen des Nachkriegstheaters. Weisenborn veranschaulicht in dem Stück die tägliche Arbeit und die Organisation einer kleinen Widerstandsgruppe. Indem er eine Innenschau des Widerstands bietet und zur Identifikation mit den täglichen Ängsten unter der Diktatur einlädt, hat Weisenborn den Widerstandskämpfern ein ganz besonderes literarisches Denkmal gesetzt.

Lill, Kellnerin einer Berliner Kneipe, ist Mitglied einer Widerstandsgruppe von sieben Mitgliedern. Sie versucht, Walter, den letzten lebenden Sohn der Wirtin Manna, als neues Mitglied der Gruppe zu gewinnen, doch sie weiß nicht, dass er schon längst als Sprecher eines Geheimsenders als Widerstandskämpfer tätig ist. Bei dem ersten Zusammentreffen zwischen Walter und der Gruppe werden ihm Verhaltensregeln für die Untergrundarbeit erklärt. Wie wichtig diese Regeln sind, erweist sich, als die Gruppe von der Verhaftung des Mitglieds Bulle erfährt: Es befinden sich plötzlich alle in äußerster Gefahr. Die Unterlagen ihrer illegalen Arbeit müssen in Sicherheit gebracht werden, und so wird Lill beauftragt, die Mappe mit sich nach Hause zu nehmen. Sie hat also "Separation" und darf keinen Kontakt mehr zu den anderen Mitgliedern aufnehmen. Von Lills Separation wusste Walter allerdings nichts und sucht sie in ihrer Wohnung auf. Als er davon erfährt, sieht er ein, dass er sie in Gefahr gebracht haben könnte, zweifelt aber in diesem Augenblick an der Aufgabe der Widerstandskämpfer, die immerfort Opfer bringen müssen. Lill, mit Rücksicht auf den gemeinsamen politischen Kampf, weist Walters Zuneigungen zurück. Beim Abschied nimmt Walter heimlich die Materialmappe zu sich, um das Mädchen zu schützen und ihr die Verantwortung abzunehmen.

Der Schauplatz der Handlung wechselt von den Widerstandskämpfern zu ihren Gegenspielern, den Beamten der Gestapo. Bulle wurde von seiner siebenjährigen Tochter identifiziert, weiß, dass ihn nun die Todesstrafe erwartet und erhängt sich in seiner Zelle. Erneut wohnt der Zuschauer der Handlung der Illegalen bei: In Walters Mansarde taucht Lill angsterfüllt auf, weil ihre Mappe verschwunden ist. Nun ist sie diejenige, die an dem Sinn ihrer illegalen Tätigkeit zweifelt, und wehrt sich nicht mehr gegen ihre eigene Liebe zu Walter. Beide verbringen eine Liebesnacht zusammen. In den frühen Morgenstunden, nachdem Lill gegangen ist, liest Walter zum letzten Mal einen Aufruf, den Brief eines Häftlings an die deutsche Jugend, welcher als Vermächtnis und Rechtfertigung des Widerstandes gilt. Kurz darauf erscheint die Gestapo bei ihm, Walter, der sich bewusst ist, dass Selbstmord die einzige Lösung ist, um die anderen zu schützen, leistet bei der Verhaftung Widerstand und wird erschossen.

Die Stärke von Weisenborns Drama liegt in der Perspektivierung der Handlung. Im Gegensatz zu dem mächtigen, konservativen und elitären Militärmilieu in dem Drama Des Teufels General wohnt man hier den Aktionen einer kleinen Widerstandsgruppe bei, die sich parallel zu zwei weiteren Universen entwickelt, die Welt der kleinen Bürger, die als Mitläuferfiguren fungieren, und die Welt der Gestapo. Indem Weisenborn den Blickwinkel von jungen oder älteren Widerständlern des einfachen Volkes einnimmt, gewährleistet er dem Zuschauer Einblick nicht nur in die Taten und Handlungen einer Widerstandsgruppe, sondern ebenfalls in die Gefühlswelt ihrer Mitglieder.

Weisenborns Stück Die Illegalen mangelt es an politischen Betrachtungen, was die Motive und Ziele der Widerständler lückenhaft erscheinen lässt. Die Darstellung der menschlichen inneren Konflikte, die ihre Tätigkeit im Untergrund hervorruft, spielt in den Illegalen eine weitaus wichtigere Rolle als die der eigentlichen Widerstandsaktivitäten. Man verfolgt die Handlung ausschließlich aus der Sicht der Widerständler, Gegenfiguren werden kaum angeführt. Zwar ermöglicht diese Innenschau dem Zuschauer ein großes Identifikationspotential, doch kommen gefühlsbetonte Handlungselemente stärker zur Wirkung als das politische Engagement.

Friedrich Wolfs Schauspiel Doktor Lilli Wanner wurde 1944 verfasst und 1945 in Chemnitz uraufgeführt. Trotz des Erfolges Friedrich Wolfs und seines unglaublichen theatralischen Schaffens in der Nachkriegszeit ist dieses Stück von Kritikern und Publikum noch bis heute unbeachtet und unbekannt geblieben. Doktor Lilli Wanner wird in dem vorliegenden Beitrag mit einbezogen, weil dem Widerstand eine ausländische, französische Komponente verliehen und somit die Zusammenarbeit von Deutschen und Franzosen in dem Kampf gegen Hitler veranschaulicht wird. Zudem wirft das Stück die Frage der Mitschuld deutscher Bürgerlicher und Intellektueller auf.

Doktor Paul Wanner, ein gewissenhafter Chefarzt, der viel Wert darauf legt, auch die französischen Kriegsgefangenen der Klinik zu behandeln, hat sich freiwillig an die Front gemeldet. Seine Gattin, die Französin Lilli, ist trotz ihrer Gewissensbisse Paul gegenüber von dem Laboranten Gaston überredet worden, Röntgenbilder deutscher und französischer Patienten zu vertauschen, um die Franzosen in ihr Heimatland zurückschicken zu können. Sie liefert jedoch während des Abschiedsabends zu Ehren Pauls diesem ein halbes Geständnis über ihre Sabotageakte in der Klinik, was er nicht zu bewusst aufzunehmen scheint. Als Pauls Stellvertreter Doktor Klemm, ein früherer Freund von Paul Wanner und SS-Sturmbannarzt, auftaucht, äußert er sich stur gegen die Behandlungen der französischen Patienten und  benutzt diese als Versuchskaninchen für neue Operationen. Außerdem haben er und der Krankenhausinspektor Feuchtenbeiner den Sabotageakt entdeckt und verdächtigen die Existenz einer Widerstandsorganisation. Lilli vertraut ihre Hoffnungslosigkeit angesichts der allgemeinen Situation dem Laboranten Gaston an, der die Vernichtung der Materialen und die Flucht als einzigen Ausweg sieht. Die Rückkehr von der Front eines Patienten, der Gräueltaten aus dem Krieg erzählt, verändert die Situation: Er berichtet, Doktor Wanner auf einem Schlachtfeld inmitten Toter und Verletzter gesehen zu haben. Kurz darauf erscheint Paul mit einem amputierten Arm. Wanners Mutter platzt fast vor Stolz auf ihren mit dem EK1 ("Eiserne Kreuz erster Klasse") zurückgekehrten Sohn. Doch gegen ihre Erwartungen berichtet er nur von schrecklichen Kriegserlebnissen, in denen deutsche Soldaten von Deutschen ermordet wurden. Lilli gesteht ihrem Mann erneut die Sabotageakte, was Paul dazu führt, seine jetzige Haltung in Frage zu stellen und anzuklagen: Er möchte nun auch in den Widerstand gehen. Währenddessen hat Feuchtenbeiner, der sich als Gestapo-Inspektor entpuppt, seine SS-Leute mit in die Klinik genommen, um die Widerständler festzunehmen. Es kommt zu diversen Auseinandersetzungen, bei dem die SS-Männer, Feuchtenbeiner, Doktor Ritter und Doktor Klemm ums Leben kommen. Lilli, Gaston und Paul gelingt es zu fliehen.

Friedrich Wolf verfolgte mit diesem Stück mehrere Ziele: Hinsichtlich der veränderten militärischen Lage Deutschlands wollte er die Barbarei und das Verbrechertum des Faschismus zeigen, den Heldentum des antifaschistischen Kampfes lehren, der Todesmystik und Weltuntergangsstimmung des Faschismus (welche besonders während und nach Stalingrad bewusst und planmäßig ins deutsche Volk getragen wurden) die Lebensbejahung der Franzosen gegenüberstellen. Der Dramatiker hat auch dieses Stück aus einer gesellschaftlich-politischen Sicht geschrieben, die von seiner marxistischen Position geprägt ist. Entsprechend der kommunistischen These, dass der Nationalsozialismus ein Produkt des Kapitalismus und somit der Kampf gegen ihn als Klassenkampf zu betrachten sei, geht es Wolf um den entscheidenden Widerstand gegen den Nationalsozialismus und darüber hinaus um die Verbreitung der Idee des Kommunismus. Der Autor lässt demzufolge in seinem Stück direkt politische Stellungnahmen verlautbaren. Die Ziele der Widerständler sind konkret auf die Rettung von Menschenleben bezogen und auf klare politische Ideale zurückzuführen. Zudem zeigt Wolf gleichzeitig Figuren, die von Anfang an ihr Leben dem Widerstand widmen, und andere, die nur allmählich den Weg dahin finden, was dem Zuschauer ermöglicht, die Motivationen der Figuren unter verschiedenen Blickwinkeln und im Laufe ihrer Entwicklungen nachzuvollziehen.

Zur Rezeption der Werke

Die drei Schriftsteller schrieben in das jüngste Zeitgeschehen eingebettete Dramen, deren aufklärerischen Intentionen bei ihren Zeitgenossen unterschiedlichen Anklang fanden. Es muss gleich zu Anfang betont werden, dass die Inszenierung von Wolfs Doktor Lilli Wanner kaum Erwähnung findet: Nach einer Angabe über die Uraufführung des Stücks 1945 in Chemnitz verliert sich jede Spur.

Über die Wirkung von Weisenborns Stück sind sich Kritiker und Publikum einig: Es war ein großer Erfolg, dem Autor war es gelungen, das damalige Publikum zu interessieren und zu sensibilisieren. In den ersten beiden Nachkriegsspielzeiten erreichte das Stück neben Wolfs Professor Mamlock die meisten Inszenierungen (Riewoldt 1978, 70). Man hat nicht nur Weisenborns Mut bewundert, die Widerstandsthematik auf die Bühne zu bringen, sondern ebenfalls sein großes dramaturgisches Talent:

Hier ist einer am Werke, der das Gesetz der Bühne im Blute hat. Der rechnet nicht. Der klügelt nicht aus. Der tüftelt nicht. Er sieht beim Schreiben. Sie stehen auf, die Gestalten. Sie sprechen. Zwangsläufig und klar. Das ist nicht gemacht. Das atmet, hat Eigenleben, kommt aus einer unverstellten Natur, ist natürlich, ist Dichtung. (Luft 1982, 21)

Auch zu einem späteren Zeitpunkt, anlässlich der Herausgabe von Weisenborns gesammelten Werken in der DDR 1968, wurde noch kommentiert:

Für viele damals war dieser Theaterabend die Begegnung mit der politischen Stimme des 'Anderen Deutschlands', jenes Deutschlands, das während der zwölf Jahre brauner Barbarei im Untergrund gekämpft hatte. Und der Mann, der diesen ungezählten Helden des 'lautlosen Aufstands' ein bleibendes literarisches Denkmal setzte, wurde zu einem Exponenten des antifaschistischen Theaters. (Riewoldt 1978, 71)

Anders war es bei Zuckmayers Stück. Es sorgte für Aufruhr, Polemik, Skandale. Am 14. Dezember 1946 wurde es im Schauspielhaus Zürich uraufgeführt, jedoch musste es Zuckmayer in der ersten Probezeit durchsetzen. Die Minderheit des Ensembles war gegen das Stück, verlangte eine "politisch konsequente Haltung" (Zuckmayer, zit. nach Daiber 1976, 51), weigerte sich gegen die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Hans Hilpert. Anfangs hatte der Intendant Oskar Wälterlin das Stück gar nicht akzeptieren wollen: "Deutsche Offiziere auf seiner Bühne! Die verhassten Naziuniformen sollten dort paradieren, wo man jahrelang gegen sie gespielt hatte? Undenkbar!" und prophezeite, "Der Zuckmayer läuft keine sechsmal!" (Wälterlin, zit. nach Daiber 1976, 52) - es lief über sechzig Mal! Zuckmayer erinnert sich: "Diese Tage in Zürich waren ein einziger Rausch, ein Fest, eine Olympiade der Freundschaft. Alle waren da, die man überhaupt nur erwarten konnte, viele, die man nicht gehofft hätte, hier zu sehen." (Zuckmayer, zit. nach Schneider 1989, 83).

Erst ein Jahr nach seiner Uraufführung in Zürich erlebte Des Teufels General seine erste Aufführung in Deutschland im ehemaligen Frankfurter Börsensaal im November 1947. Grund für diese späte deutsche Uraufführung ist der Widerstand der amerikanischen Kulturbehörde - obwohl Zuckmayer doch selbst als Kulturberater für die Amerikaner arbeitete. Das Zögern der Besatzungsbehörde beruht auf der Angst vor einer Ovation der Wehrmacht-Uniformen, einer Entschuldigung des Mitläufertums durch die sympathische Figur Harras, sowie der Befürchtung, die Fiktion einer aktiven Sabotagegruppe innerhalb des Luftfahrtministeriums könne zu einer neuen Dolchstoßlegende führen. Der Autor äußerte sich selbst dazu: "Teils befürchtete man eine 'rückschrittliche' politische Wirkung, das Aufkommen einer 'Generals- und Offizierslegende', teils Widerspruch, Unruhen, Krawall. Es passte nicht in das sogenannte 'Umerziehungsprogramm'..." (Zuckmayer, zit. nach Schneider 1989, 84). Doch die deutsche Premiere wurde mit einem enormen Erfolg gekrönt, und um den Durchbruch des Stücks zu verstehen, muss genauer auf die damalige Polemik eingegangen werden. Das Publikum war von dem Stück begeistert, weil es wie kein anderes damals den "Irrweg" der Deutschen darstellte und versuchte eine Erklärung zu finden, wie es zu der Katastrophe des Nationalsozialismus gekommen war:

Die alten Nazis und Militaristen drängen sich ins Theater, die vielen jungen Menschen, die die Dinge noch unklar sehen (und das ist die Mehrzahl in Deutschland), machen es ebenso und lassen sich in verschwommen-romantische Vorstellungen der Vergangenheit zurückwerfen. (Anonym 1948, zit. nach Glauert 1977, 236)

Das Stück wurde von manchen als das Zeitstück schlechthin dargestellt:

Diese festliche Premiere im Börsensaal mit dem Drama des deutschen Fliegergenerals Harras bewies dreierlei: Erstens: Theater ist trotz Hunger, Not und Elend entscheidend für uns. Es reinigt, klärt und scheidet die Geister: es schärft die Gewissen, es ruft zur Besinnung auf und hilft mit, ein neues Menschenbild zu schaffen. Das ist wichtig für unsere innerdeutsche Situation. Zweitens: Fort mit dem eingewurzelten Misstrauen gegenüber den Zeitstücken! (Weber 1947, zit. nach Glauert 1977, 225)

Doch eine andere Meinungsgruppe betrachtete das Stück als skandalös, weil gefährlich, da es versuche, die Taten der Deutschen, die dem Nationalsozialismus stumm gefolgt waren, zu entschuldigen. "Zuckmayer segnet, wo er fluchen müßte" (Rilla 1970, 107) lautet der Grundgedanke dieser zweiten Meinungsgruppe. So meint ein Kritiker:

Und nun, keine zwei Jahre nachdem dies aufgehört hat, klatschen die Menschen einem Theaterstück zu, das all jenes schreckliche verwandelt, gleichsam lackiert, gewichst und glänzend gebürstet aus dem Staube hebt, das ein Kreislein um die 'Schuldigen' zieht, so eng, dass nur wenige darin Platz finden.(Schwarz 1947, zit. nach Glauert 1977, 216)

Nach Meinung zeitgenössischer Rezensenten stellt das Stück also eine "Gefahr" für deutsche Zuschauer dar:

Ist Zuckmayer so wenig Psychologe, die Gefahr eines 'sofortigen Rückfalls' in alte Fehler der Vergangenheit nicht zu bemerken? Warum gibt er uns Deutschen erneut ein feuergefährliches Spielzeug in die Hand, ein Spielzeug, mit dem wir schon zweimal einen Weltbrand entfachten? Bemerkt all dies der Dichter nicht? (Gebeschus 1948, zit. nach Glauert 1977, 251)

Zudem missverstand das deutsche Nachkriegspublikum das Stück, es identifizierte sich je nach Wunsch mit dem General und sah nicht das "Problem der Mitverantwortung des Einzelnen am im Staat (die Schuld des Generals)", sondern "die 'Tragödie' der vergangenen Jahre und das eigene Mitgefangensein im Teufelskreis der Entwicklung" (Wehdeking 1976, 516). Heute mag es schockierend wirken, dass sich Theaterbesucher und Kritiker nicht insbesondere über die Figur des General Harras aufregten, dem Mitläufer-Prototyp, der seine Seele dem Teufel verkauft hat, sondern über den im illegalen Untergrund wirkenden Ingenieur Oderbruch. Das Handeln dieser Figur schien man damals nicht verstehen zu können oder zu wollen. Dieses Unverständnis prangert Paul Rilla vehement an: "Beides ist bezeichnend: daß in den Diskussionen nie der General Harras, immer der Chefingenieur Oderbruch bezweifelt wurde - und daß der Autor nicht zögerte, dem Zweifel beizupflichten." (Rilla 1970, 105). 1963 zog Zuckmayer das Stück aus dem Bühnenverkehr, da es für viele "allzu leicht, im positiven oder negativen Sinne, als Entschuldigung eines gewissen Mitmachertyps mißzuverstehen" sei (Luft 1967, zit. nach Mews 1987, 15). Der Autor nahm einige Änderungen im Schlussdialog zwischen Harras und Oderbruch vor:

Man hat mir vorgeworfen, ich redete der Sabotage das Wort. Das war niemals meine Absicht. [...] Das Publikum [ist] heute wieder fähig, mein Stück aufzunehmen, wie ich es gemeint habe. (Zuckmayer 1967, zit. nach Mews 1987, 16)

Ich habe fast nichts geändert, nur ein paar Sätze von Harras und Oderbruch etwas verdeutlicht. Damit keine Missverständnisse mehr entstehen können über das, was die beiden meinen... Das Stück sollte nicht als Entschuldigung verstanden werden - aber es ist auch keine Beschuldigung.  (Zuckmayer 1967, zit. nach Mews 1987, 16)

Bei der Neuinszenierung 1967 lauteten die Rezensionstitel folgendermaßen: "Die Provokation ist vergangen", "Drama des sinnlosen Widerstands", "Der Weg ins Nichts", "Sudermann Redivivus?", "Endgültig beim Teufel" (Jacobius 1971, 204-308). Diese zum Teil positiven wie auch negativen Bezeichnungen der neuen Version verdeutlichen, dass man bei der Polemik noch keinen Endstrich ziehen konnte.

Heute hat man die Absichten Zuckmayers, keine Entschuldigung für den Mitläufertypus, sondern im Gegenteil Erklärungsmuster für das Mitläufer-Verhalten und den militärischen Gehorsam finden zu wollen, verstanden. Zudem ist deutlich geworden, dass Des Teufels General über eine Darstellung des Nationalsozialismus hinausgeht und allgemeine Fragen über Schuld, Unschuld und Güte des Menschen aufwirft. Anlässlich der Aufführung von Des Teufels General an den städtischen Bühnen Mainz in der Spielzeit 1978-79 wurden Zuschauerbefragungen von der Carl Zuckmayer Gesellschaft durchgeführt. Nach dem 2. Weltkrieg geborene Schüler und Studenten, sowie Vertreter der älteren Generationen wurden gefragt: "Harras, Hartmann, Oderbruch - Haben sie uns heute noch etwas zu sagen?". Ein Student meinte:

Vielleicht ist das Stück in seiner vorgegebenen Handlung heute nicht mehr so brisant, aber in seiner überzeitlichen Aussage über Mitwissertum und Mittäterschaft, über Schuldigwerden und Schuldigsein ist es lebendig und aktuell, sehens- und spielenswert geblieben. (Carl Zuckmayer-Gesellschaft 1978, 136)

Schlussbetrachtung

Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich das deutsche Theater zum Ziel gesetzt, der deutschen Bevölkerung nicht nur Zerstreuung und ein neues kulturelles Leben zu ermöglichen, sondern die Theaterbesucher auch mit der Aufführung von zeitbezogenen Stücken über die nationalsozialistische Herrschaft aufzuklären. Es ist deutlich geworden, dass in den Jahren 1945 bis 1947 antifaschistische Dramatik und dabei speziell das Thema des illegalen Widerstands trotz seines heiklen Charakters auf deutschen Bühnen gut vertreten war und bei dem Publikum sowie den Kritikern, auch wenn nicht immer auf einhellig positive, so doch auf interessierte Reaktionen gestoßen ist.

Von der heutigen Perspektive aus betrachtet, ist die Vielfalt der Stücke, in denen der Stoff der jüngsten Vergangenheit auf unterschiedliche Art in dramatischer Form umgesetzt wurde, ein Beweis für die Kühnheit und den zukunftsgerichteten Willen der Dramaturgen des Nachkriegsdeutschland, die Deutschen zu belehren, damit man den Widerstandskämpfern gedenke. Die damit zusammenhängenden Zweifel, ob diese Gedenkarbeit gelingen könnte, werden interessanterweise schon von den Widerstandsfiguren der zuvor dargestellten Stücke erwähnt. In der Tat sind außer Des Teufels General die Dramen schnell in Vergessenheit geraten. Die Illegalen und Doktor Lilli Wanner, welche zum einen den detailliert geschilderten Alltag und zum anderen präzise politische Anschauungen der Widerstandskämpfer thematisieren, verschwanden in den Jahren des deutschen Wirtschaftwunders allmählich von den Spielplänen und fanden nur noch wenig Erwähnung.

Während der Jahre nationalsozialistischer Herrschaft wurden die deutschen Widerständler verfolgt, hingerichtet und von einer Großzahl ihrer Landsleute für Feinde und Verräter gehalten. In den Stücken des Nachkriegstheaters wurden sie verehrt, doch war dieses Gedenken nur von kurzer Dauer. So soll die Figur Walters in den Illegalen, der das Vergessen der Gesellschaft vorausahnt, das letzte Wort erhalten:

Und wenn die neue Zeit kommt, sitzen die Menschen breit auf dem Sofa am Kaffeetisch, schimpfen über die Bürgermeister, spielen Skat, machen ihre Einkäufe, hocken im Büro, bummeln ins Kino... und wissen nichts von solch einer jungen, herrlichen Frau. Ja, sie kümmern sich einfach nicht um die Menschen, die jahrelang ihr Leben und ihre Liebe ihnen geopfert haben, ihre Schönheit, ihre Tatkraft, ihren Heldenmut. (Die Illegalen 1947, 250)

Bibliografische Hinweise

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Pour citer cette ressource :

Marie-Christine Gay, Das Nachkriegstheater als Sprachrohr der deutschen Widerstandsbewegung, La Clé des Langues [en ligne], Lyon, ENS de LYON/DGESCO (ISSN 2107-7029), décembre 2009. Consulté le 19/11/2024. URL: https://cle.ens-lyon.fr/allemand/arts/theatre/das-nachkriegstheater-als-sprachrohr-der-deutschen-widerstandsbewegung