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Alternative für Deutschland : Entstehung, Spaltung und Eintritt in den Bundestag

Par Clémentine Richard
Publié par Clémentine Richard le 30/06/2021

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Ein Porträt der rechtsradikalen deutschen Partei Alternative für Deutschland (AfD)

1. Die Gründung der AfD-Partei

Die rechtsliberale und EU-skeptische Partei AfD wurde am 6. Februar 2013 als Antwort auf die Eurorettungspolitik gegründet. Die widersprüchliche Entscheidung Merkels, die das wirtschaftlich starke Deutschland zum Zahlmeister jener EU-Staaten machte, die selbstverschuldet in Not geraten waren, motivierte die Gründung der AfD, die am 13. April 2013 Bernd Lucke, Konrad Adam und Frauke Petry zu gleichberechtigten Sprechern des Parteivorstandes wählte.

Konrad Adam, Frauke Petry et Bernd Lucke, regardent leurs soutiens le jour de la création de l'AfD, souriants et se tenant par la main ou par l'épaule pour souligner leur complicité

Konrad Adam, Frauke Petry und Bernd Lucke beim Gründungsparteitag der AfD 2013 in Berlin

Im Mai 2013 zählte die Partei bereits rund 10 000 Mitglieder und verfehlte den Einzug in die Parlamente bei der Bundestagswahl 2013 und der in Hessen stattfindenden Landtagswahl nur knapp. Zum ersten Mal seit 1949 erzielte eine neue Partei bei der Bundestagswahl 4,7% der Stimmen auf Bundesebene. Zu dieser Zeit galt die AfD noch nicht als rechtspopulistische Partei, sie wurde stattdessen eher von Politikwissenschaftlern in ihrer Gründungs- und Aufbauphase als liberal-konservativ ausgerichtete, eurokritische Partei beschrieben.

2. Die Aufspaltung innerhalb der neuen Partei

Erst ab 2014 entwickelte sich der konservative Flügel der AfD signifikant, vor allem durch die erfolgreich verlaufenen Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im Spätsommer 2014, wo die AfD 10,6%, beziehungsweise, 9,7% und 12,2% der Stimmen erhielt. Die Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke und André Poggenburg stellten im März 2015 den Kurs der Partei mit der „Erfurter Resolution“ in Frage, die völkisch-nationalistische und rechtsextreme Kräfte vereinigte und die anschließend „Der Flügel“ genannt  wurde.

 

  Logo des Flügels

Nach dieser ersten Spaltung verließ im August 2015 etwa ein Fünftel ihrer 21 000 Mitglieder die AfD, darunter, neben Lucke selbst, die meisten Protagonisten des wirtschaftsliberalen Flügels, die die Partei Liberal-Konservative Reformer (LKR), davor „Allianz für Fortschritt und Ausbruch“ (ALFA), gründeten. Erst im Sommer 2015 wandte sich die AfD unter der Leitung von Frauke Petry und Jörg Meuthen rechtspopulisitischen Ideen zu.

     Logo der Partei Liberal-Konservative Reformer

Parallel zu der rechtsorientierten Entwicklung der Partei halfen auch politische und kulturelle Ereignisse dabei, die Partei noch weiter nach rechts zu rücken und dementsprechende Zustimmung zu erhalten. 2015 überrollte die Flüchtlingskrise Europa, hinzu kamen die Terroranschläge von Paris, Brüssel und Berlin, sowie die Übergriffe überwiegend maghrebinischer Migranten auf Frauen am Silvesterabend in Köln, die viele Fragen im Bereich der Zuwanderungs- und Asylpolitik aufwarfen, sowie die Angst vor einer „Islamisierung“ Deutschlands zur Folge hatten. Der AfD-Vize, Alexander Gauland, äußerte sich diesbezüglich unmissverständlich: Die Flüchtlingskrise sei ein Geschenk für seine Partei gewesen ((DECKER, Franck. 20.10.2020. « Etappen der Parteigeschichte der AfD », Bundeszentrale für politische Bildung: https://www.bpb.de/politik/grundfragen/parteien-in-deutschland/afd/273130/geschichte.)). Um die Ereignisse von 2015 zu nutzen, entwickelt die AfD starke politische Punkte und Argumente, vor allem auf ihrer Internet-Seite, die die folgenden Untertitel in der Rubrik Zuwanderung/Asyl anwendet:

  • Keine weitere Einwanderung in die Sozialsysteme
  • Schlepperdienste beenden
  • Zweifelsfreie Identifizierung von Asylbewerbern ermöglichen
  • Kein Familiennachzug in die Sozialsysteme
  • Die Kosten für unbegleitete minderjährige Ausländer explodieren
  • Nein zur doppelten Staatsbürgerschaft
  • Der Islam gehört nicht zu Deutschland   ((Webseite der AfD, https://www.afd.de/))

Es sind jene starken politischen Maßnahmen, in denen sich die AfD von den sonstigen Altparteien unterscheidet. Hier ist die Idee eines „wahren“ Volkes erkennbar erneuert, d.h. das deutsche Volk wird von der „Islamisierung“ und der massiven Zuwanderung im Kern bedroht.

Zwei Jahre nach der Spaltung zeigen aber die Wahlplakate der AfD für die Bundestagswahl 2017, dass es zu diesem Zeitpunkt immer noch unterschiedliche Strömungen innerhalb der Partei gab. Dies wird an den folgenden Plakatserien sichtbar: 

          Plakatserie des AfD-Bundesvorstands

Dieses Plakat stellt zwei unterschiedliche Bilder der Frau gegenüber, die nur schwer miteinander vergleichbar scheinen. Das Pronomen „Wir“ des Mottos „Wir steh'n auf Bikinis“, schließt burkastragende Frauen in Deutschland aus, um das „deutsche“ Verhalten der Frauen mit Bikinis hervorzuheben. Das Leitmotto „Trau dich, Deutschland!“, das unter allen Wahlplakaten des Bundesvorstands steht, verstärkt den Eindruck, dass das Verhalten der drei Frauen das einzig „wahre“ verkörpert, und nicht durch ein „von dem Islam geschwächten“ Deutschland gefährdet werden darf.

Das Beispiel des Themas rund um die Burka, die die AfD verbieten will, wird andererseits in der Bayern-Serie trockener dargestellt. Statt drei Frauen ist auf diesem Plakat eine voll verschleierte Frau abgebildet, deren "Freiheit" als unverhandelbar gefordert wird. 

      Plakatserie des AfD-Landesvorstands in Bayern

Die AfD scheint ihre inneren Spaltungen nicht aufgelöst zu haben, denn ihr gelang es nicht, sich für eines der beiden Wahlplakate zu entscheiden. Beide dienten also für die Kampagne als Werbemittel, obwohl sie unterschiedliche Vorstellungen des Partei-Images widerspiegeln.

3. Wahlergebnisse vom 24. September 2017

Am 24. September 2017 fand die Bundestagswahl in Deutschland statt. Die AfD erhielt 12,6% der Stimmen und trat zum ersten Mal mit 94 Sitzen in den Bundestag ein, und erzielte damit den Titel, eine legitime Partei in Deutschland zu sein. Ein großer Teil der Wählerschaft der Partei ist männlich und besteht hauptsächlich aus 45 bis 59-Jährigen. Die AfD konnte in den Altersgruppen der 25 bis 69-Jährigen ein relativ konstantes Wählerpotenzial von 12,8% bis 15,4% für sich behalten, wohingegen sie in der jüngsten Wählergruppe lediglich bei 8% Unterstütztung fand. Bei den ältesten Wählern und Wählerinnen ist das gleiche Phänomen zu bemerken: sie bilden nur 8,3% der Zweitstimmen der Partei. Die folgende Grafik hilft zum Verständnis der Stimmen aller Parteien nach Altersgruppen (Erst- und Zweitstimmen):

graphique montrant l'âge des électeurs par parti politique aux élections de 2017 au Bundestag

   Grafik 1: Altersstruktur der Wahlberechtigten bei der Bundestagswahl 2017 (Erst- und Zweitstimmen) ((Statistisches Bundesamt: https://www.bundeswahlleiter.de/dam/jcr/390abd1b-20da-4317-b321-195b332c884b/btw17_wista_03-2018.pdf ))

Der Hauptteil der AfD-Wähler ist bei den 45 bis 59-Jährigen zu verorten, die 36% der Wählerschaft darstellen. Die jüngste und älteste Altersgruppe war jeweils, gemessen an allen Wahlberechtigten, unterdurchschnittlich vertreten. Daraufhin wird behauptet, dass die AfD vor allem von männlichen Wählern profitiert. 16,3% der Männer in Deutschland, die an der Wahl teilgenommen haben, stimmten für sie, wohingegen nur 9,2% der Frauen der AfD ihre Stimme gaben. Daraus ergibt sich, dass es hauptsächlich 45 bis 59-jährige Männer sind, die für die AfD stimmen. ((KOBOLD, Kevin et SCHMIEDEL Sven. 2018. « Wahlverhalten bei der Bundestagswahl 2017 nach Geschlecht und Alter : Ergebnisse der repräsentativen Wahlstatistik », Statistisches Bundesamt: https://www.bundeswahlleiter.de/dam/jcr/390abd1b-20da-4317-b321-195b332c884b/btw17_wista_03-2018.pdf, WISTA.))

Aber das bedeutendste Phänomen, das sich durch die Wahlergebnisse bestätigen lässt, ist die Tendenz des Ostens, für die AfD zu stimmen, wo sie doppelt so oft wie im Westen gewählt wurde.  

 

Votes AfD en pourcentage par Bundesland lors des élections au Bundestag en 2017

Grafik 2: Ergebnisse der AfD im Osten und Westen (Bundestagswahl 2017) ((Statista Research Department: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/754391/umfrage/stimmenanteile-der-afd-in-den-bundeslaendern-bei-der-bundestagswahl/))

Diese aufschlussreiche Grafik zeigt, dass die fünf stärksten Ergebnisse der AfD ausschließlich aus den neuen Bundesländern kommen. Mit 27% erreichte die Partei in Sachsen ihr bestes, jemals bei einer Wahl in Deutschland erreichtes Ergebnis. ((FUNK, Albert et FIEDLER, Maria. 03.09.2019. « Wer die AfD-Wähler sind und was sie umtreibt » in Der Tagesspiegel: https://www.euractiv.de/section/wahlen-und-macht/news/wer-die-afd-waehler-sind-und-was-sie-umtreibt/.)) In Brandenburg, Thüringen, Sachsen-Anhalt, und Mecklenburg-Vorpommern sind die Ergebnisse fast doppelt so hoch wie in den westlichen Bundesländern und sie befinden sich alle über dem bundesweiten Durchschnitt. Der Stimmenanteil der AfD war im Osten sowohl bei Frauen als auch bei Männern doppelt so hoch wie im Westen.

Eine mögliche Erklärung der „AfD-Welle“ im Osten für diese besonders starke Ergebnisse könnte die von der AfD benutzte Rhetorik sein, die sehr oft auf die DDR verweist. Zum Beispiel gab es während der Brandenburger Kampagne Slogans wie „Vollende die Wende“, „Wende 2.0“ und „Friedliche Revolution mit dem Stimmzettel“, die eindeutig auf die Wende von 1989 anspielen. Damit wird behauptet, die Wende sei ein Misserfog, und die Ost-Bürger seien von der Regierung vergessen und vernachlässigt worden. Der Parteivorsitzende Alexander Gauland spielte gerne mit diesem Bild und wiederholte oft die Äußerung „Westdeutsche haben Sie zur Bürgern zweiter Klasse gemacht“ ((FUNK, Albert et FIEDLER, Maria. 03.09.2019. « Wer die AfD-Wähler sind und was sie umtreibt » in Der Tagesspiegel: https://www.euractiv.de/section/wahlen-und-macht/news/wer-die-afd-waehler-sind-und-was-sie-umtreibt/.)) . Die Ostdeutschen, die das Gefühl haben, mehr Nachteile als Vorteile seit der Wiedervereinigung zu erleben, haben so die Möglichkeit, ihre Stimme durch die AfD zum Ausdruck zu bringen. Zudem bilden sie eine überwiegende Mehrheit der Ost-Stimmen, die der AfD zustimmen, vor allem in Brandenburg und Sachsen, wo 78% der AfD-Wähler laut Infratest sagten, Ostdeutsche seien Bürger zweiter Klasse. Die Wahlergebnisse, die zweifelsohne sehr unterschiedlich in West und Ost ausfallen, bringen angesichts der Infratest-Umfrage ans Licht, dass ein Gefühl der Verbitterung und des Ressentiments fast dreißig Jahre nach dem Mauerfall noch immer in Ostdeutschland fortbesteht.

4. Anmerkungen

Pour citer cette ressource :

Clémentine Richard, "Alternative für Deutschland : Entstehung, Spaltung und Eintritt in den Bundestag", La Clé des Langues [en ligne], Lyon, ENS de LYON/DGESCO (ISSN 2107-7029), juin 2021. Consulté le 05/10/2024. URL: https://cle.ens-lyon.fr/allemand/civilisation/civilisation/vie-politique/alternative-fur-deutschland-entstehung-spaltung-und-eintritt-in-den-bundestag