Andrea Maria Schenkel: «Tannöd»
Andrea Maria Schenkel: Tannöd. Kriminalroman. Edition Nautilus, Hamburg 2006 Originalausgabe, 128 Seiten. ISBN: 3-89401-479-2
Der Krimibestseller 2006, Tannöd ist der Debütroman der 1962 geborenen und in Regensburg lebenden Schriftstellerin Andrea Maria Schenkel, die zur Lehrbeamtin bei der Post ausgebildet wurde, und die für diesen packenden Krimi den deutschen Krimipreis sowie den Friedrich-Glauser-Preis 2007 erhalten hat. Ihr Anfang August erschienener neuer Roman, Kalteis, hat es gleich nach dem Erscheinen auf den dritten Platz der KrimiWelt-Bestsellerliste geschafft.
In diesem Roman inszeniert Andrea Maria Schenkel den geheimnisvollen Mord an einer ganzen Bauernfamilie, dem eine wahre Begebenheit zugrunde liegt. Eines Tages, nachdem die Familie Danner seit einiger Zeit kein Lebenszeichen gegeben hat, werden alle Mitglieder in ihrem Stadel tot aufgefunden. Sie wurden mit einer Spitzhacke erschlagen. Vom Mörder keine Spur. Die Angst breitet sich im Dorf aus. Der Leser verfolgt die verschiedenen Aussagen der Bewohner mit und erfährt dabei viel über diese Familie, die von den Dorfbewohnern wenig geschätzt war. Der Vater war ein grober, gewalttätiger Patriarch, der es nicht duldete, dass man sich ihm widersetzte. Seine Frau war ihm hörig, sie verstummte vor ihm, ihre einzigen Worte bestanden aus ihrem täglichen Gebet. Liebevolle Beziehungen hatte sie nur zu ihren Enkelkindern, Marianne und dem kleinen Buben Joseph. Der Leser erfährt auch, dass die Barbara, die Frucht dieser unglücklichen Ehe, inzestuöse Beziehungen zu ihrem Vater hatte, dass sie von ihm zwei Kinder bekommen hat, und dass sie sich dann Liebhaber suchte, um ihnen die Vaterschaft zuzuschreiben.
Parallel zu diesen Zeugenaussagen wird die Geschichte von Anfang an rekonstruiert, so dass sich die Nachforschungen der Polizei und die Geschehnisse, die zum Mord führten, vermischen. Dabei wird der Leser zugleich zum Opfer und zum ungewollten Mittäter des Mordes, so dass er dazu gebracht wird, sich über seine Mitschuld an der Gewalt überhaupt Fragen zu stellen. Außerdem werden die verschiedenen Aussagen hervorragend inszeniert, das Sprachniveau und die Psychologie der einzelnen Figuren werden perfekt herausgearbeitet und das Ganze bildet ein Mosaik, das schließlich zur Wahrheit führt. Und die heißt: Ein jeder kann zum Mörder werden, und je mehr er geliebt hat, desto größer wird sein Haß sein. Der Höhepunkt der Rekonstruktion, nämlich dass der Mörder ungewollt und ohne Vorbedacht gehandelt und gehasst hat, wo er doch nur lieben wollte, wird auch glänzend eingeführt. Das Ende tritt jedoch etwas abrupt ein und die Motive, die den Mörder zum Erschlagen der ganzen Familie getrieben haben, werden nicht weiter aufgeklärt.
Pour citer cette ressource :
Galiote d'Antin, "Andrea Maria Schenkel: «Tannöd»", La Clé des Langues [en ligne], Lyon, ENS de LYON/DGESCO (ISSN 2107-7029), juillet 2008. Consulté le 05/11/2024. URL: https://cle.ens-lyon.fr/allemand/litterature/fiches-de-lecture/andrea-maria-schenkel-tannod