Comparaison de tableaux: Carl Spitzweg «Der Kaktusfreund» (um 1858) und Jean-Francois Millet «Les tueurs de cochon» (um 1867)
Historischer Hintergrund
Man kann sich fragen, welchen Aussagewert der Vergleich zwischen zwei Werken aus verschiedenen Ländern haben kann, doch bei Betrachtung des historischen Kontexts in Europa in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist festzustellen, dass die französische und die deutsche Geschichte eng verbunden sind. In der Tat erobert Napoleon einen großen Teil Deutschlands und führt den sogenannten “Code Napoléon” ein, doch er wird 1814 geschlagen. Darauf folgen die Restauration und der Wiener Kongress, an dem alle bedeutenden Mächte Europas (außer dem Osmanischen Reich) teilnehmen.
Der österreichische Außenminister Metternich, als politischer Ausgestalter der Heiligen Allianz (das Bündnis zwischen Russland, Österreich und Preußen nach dem Sieg über Napoleon) hat einen bedeutenden Einfluss auf den deutschsprachigen Raum, und führt das monarchische Prinzip in Europa wieder ein, was zu der sogenannten Periode des Vormärz führt, die mit den Karlsbader Beschlüssen durch eine hohe Zensur charakterisiert ist und als eine Zeit der Unterdrückung angesehen, um den rebellischen Aufschwung der französischen Revolution zu zerschlagen. Für die Bürger des Deutschen Bundes bedeutet dies ein Rückzug in das Private, da jegliche politische Äußerung schier unmöglich war: auf diese Weise entsteht der Biedermeier. In Frankreich und in Deutschland jedoch hält das Volk die Lage der Unterdrückung nicht mehr aus und 1848 kommt es in Europa zur Revolution. In Frankreich geht das Volk auf die Straße und erstellt Barrikaden, doch in Deutschland ist eigentlich eher von einer bürgerlichen Revolution die Rede, auf die das Volk wenig Einfluss hat. So wird in Frankreich eine Republik eingeführt, doch in Deutschland wird der Deutsche Bund (ein Bund von Fürsten deutscher Staaten) wiedererstellt, wie es ihn schon vor 1848 gab. Deshalb ist auch die Rede von einer “gescheiterten Revolution”, insofern als sich nicht viel geändert hat, keine richtige Emanzipation des Volkes stattgefunden hat, und die Revolution eher von der bürgerlichen Schicht ausgeführt wurde, die sich mehr politische Beteiligung erhoffte, was sie zwar nicht erhielt, aber dafür den Wohlstand und die Ruhe, die eine hohe soziale Stellung darstellt.
Aus ebendiesem Großbürgertum stammt Carl Spitzweg, denn seine Eltern waren reiche Kaufleute. Demnach hat er studieren können, und zwar Pharmazie und Botanik (heute sind diese zwei Fächer vielleicht nicht mehr so eng verbunden, aber zurzeit schon, da viele Medikamente aus Pflanzen gemacht wurden), und dieses wissenschaftliche Interesse für die Pflanzen spiegelt sich in dem Bild Der Kaktusfreund wider. Es ist also schon festzustellen, dass sein Leben einen starken Einfluss auf seine künstlerische Tätigkeit hat, was ebenfalls daran zu erkennen ist, dass sein Studium, aber besonders sein soziales Milieu dargestellt werden, auch in anderen Gemälden wie z. B. Der Schmetterlingsfänger, Der Blumenfreund oder Der Kaktusliebhaber. Dies ist auch der Fall für Millet, denn er ist auf einem kinderreichen Bauernhof geboren. Dank seinem Onkel, der als Priester tätig war, lernt er das Lesen und das Schreiben. Vielleicht kommt daher auch seine religiöse Seite, die z. B. in seinem berühmtesten Werk L'Angélus festzustellen ist, die aber in Les tueurs de cochon nicht so prägend ist.
Dennoch ist schon in der Wahl des Subjektes ein Unterschied festzustellen. Dieser Unterschied besteht nicht nur zwischen diesen beiden Gemälden, obwohl er hier ziemlich extrem ist, sondern eher zwischen dem deutschen Biedermeier, der ja durch die bürgerliche Gesellschaft entsteht, und dem französischen Realismus, der sich besonders nach der Revolution von 1848 entwickelt. Nichtsdestotrotz können beide Gemälde unter dem Begriff “Genremalerei” verbunden werden, d. h. die Darstellung eines Typus einer Person in ihrem Alltag, die oft durch ihre Tätigkeit charakterisiert wird, was in beiden Bildern der Fall ist: in dem Kaktusfreund ist ein älterer Herr zu sehen, er steht im Zentrum des Bildes und beobachtet einen Kaktus in seinem Garten. Um ihn herum befinden sich andere Kaktusse und hinter ihm Bäume. In den Tueurs de cochons sind es vier Erwachsene auf einem Bauernhof, sie ziehen ein Schwein an einem Seil um es zu töten. Im Hintergrund schaut ein Kind zu.
Genauere Analyse durch den Vergleich
I. Allgemeine Struktur
Schon von der Struktur her unterscheiden sich die zwei Bilder: im Zentrum des Kaktusfreund steht ein älterer Herr, der von Pflanzen umrundet ist und einen Kaktus betrachtet, was einen Eindruck von Harmonie entstehen lässt, da die verschiedenen Elemente im Einklang miteinander zu sein scheinen. In den Tueurs de cochon hingegen ist das Bild in zwei Seiten geteilt, die entgegengesetzt sind: links das Schwein (selbst wenn eine Figur hinter dem Tier steht) und rechts die Menschen. In der Struktur ist demnach schon der Konflikt festzustellen. Weiterhin steht im Kaktusfreund der Mann zwar im Zentrum, doch der größte Teil des Bildes ist der Natur - zwar einer beherrschten, kontrollierten Natur - geweiht, während in Millets Werk das Schwein ein isoliertes Element der Natur zu sein scheint. Schließlich sind im Kaktusfreund eher horizontale Linien zu beobachten: an beiden Seiten sind Mauern, im Hintergrund ist ein gerader Baum, die zentrale Figur steht aufrecht,...was die Wichtigkeit des Konzepts von Ordnung in der Struktur des Bildes in den Vordergrund bringen lässt, während es sich in den Tueurs de cochons mehr um vertikale Linien handelt: die Mauer und die Häuser im Hintergrund, die Tür auf der linken Seite, die Bäume sind auch nicht gerade, usw. Dies deutet ebenfalls darauf hin, dass es sich um eine Szene des Konflikts handelt, denn vertikale Linien findet man oft in Kampfszenen, man denke z. B. an L’enlèvement des Sabines von David, doch es handelt sich in diesem Bild nicht um eine grandiose antike Schlacht sondern um eine alltägliche Szene, was die zentrale diagonale Linie, das Seil, erklärt. Diese deutet darauf hin, dass ein Größenunterschied zwischen den “Kämpfern” besteht, da zwei Männer gegen ein Schwein in Konflikt miteinander stehen. Dieser ungerechte Kampf hat als Konsequenz, dass die Figuren sich beugen müssen, sowohl die Menschen als auch das Schwein, was weitere diagonale Linien entstehen lässt.
II. Die Figuren
Die Figuren in beiden Gemälden sind ebenfalls kontrastiert: einerseits der dickliche, ältere Mann des Kaktusfreund. Er trägt elegante, aber gemütliche Kleidung, es könnte sich um einen Morgenrock handeln. Er raucht eine Pfeife und wird der Freund genannt, was weiterhin die Idee von Ruhe und Ordnung unterstreicht. An seinen gut gepflegten Händen, seiner Kleidung und seiner Umgebung ist zu erkennen, dass er im Luxus lebt. Im Gegensatz dazu stehen die Figuren in Millets Gemälde, deren Kleidung viel billiger aussieht, die Schuhe kann man z. B. als dicke, grobe Lederschuhe auffassen. Sie sind am Arbeiten, anscheinend handelt es sich um eine schwere körperliche Arbeit. Ein weiterer Protagonist des Bildes ist das Schwein. Man erzählt, dass eine Frau bei Anblick des Gemäldes Millet für die Schönheit seines Kunstwerkes Komplimente gemacht habe, worauf er geantwortet haben soll “Madame, c'est un drame!”. Das lässt die Vermutung zu, dass der Maler dem Tier ebenfalls eine gewisse Größe verleiht, er stellt das Schwein mit Respekt dar, was daran zu merken ist, dass der Kopf des Schweines fast präziser dargestellt ist als das Gesicht der Menschen, als wäre das Tier “menschlicher” als die "Töter" (Tueurs).
Weiterhin könnte man deuten, dass es sich hierbei eigentlich nicht um genaue Personen handelt. Man erzählt, dass Millet selten mit Modellen gearbeitet hat sondern eher eine Szene beobachtet hat, um sie in seinem Atelier aus der Erinnerung wieder nachzuahmen. Es gibt zwar große Unterschiede zwischen den beiden Gemälden, doch dies ist eine Gemeinsamkeit: hier werden keine genaue Personen dargestellt wie etwa bei einem Porträt sondern eher ein Typ von Figur, worauf die Titel schließen lassen: “Les tueurs de cochon” und “Der Kaktusfreund”. Sie haben keinen Namen, sondern sind durch ihre Tätigkeit bezeichnet, sie stellen alle Schweinetöter und alle Kaktusfreunde dar, wie es auch kein genauer Tag ist sondern eher der Alltag des Landlebens bei Millet und des Bürgertums bei Spitzweg. Jedoch kann man in beiden Fällen ein moralisches Urteil vermuten: die Tueurs stellt die Figuren als Kriminelle dar, während der Begriff Freund dem Hobby eine positive Konnotierung verleiht.
III. Im Detail
Im Kaktusfreund sind in den Details ebenfalls die Ruhe und Harmonie vorhanden: die Farben sind warm, man kann sich die Stille des Bildes vorstellen, eventuell ein Vogelgezwitscher, die zentrale Figur hat eine Pfeife im Mund und trägt einen Morgenrock, hinter ihr ist eine Teekanne zu sehen, man erblickt im Hintergrund einen kleinen blauen Himmelsfleck, auf dem Stuhl liegt (vermutlich) eine Zeitung. Die Szene wird zu einer Idylle der Gemütlichkeit, gekennzeichnet durch eine warme Atmosphäre, ein Wohlbefinden auch durch die materielle Stabilität, und in diesem Gemälde eigentlich sogar mehr als Stabilität, denn es ist sogar ein gewisser Luxus festzustellen, was man z. B. am Morgenrock sehen kann, der verziert ist. Dies kann man als den Stil des Biedermeiers identifizieren, der durch einen Rücktritt ins Private charakterisiert ist, da keine oppositionelle politische Aktivität unter Metternich mehr möglich ist, und deshalb ist eine Entwicklung der privaten Güter festzustellen.
Im Gegensatz dazu stehen die schwere Arbeit und der Konflikt, die Hauptmerkmale des Gemäldes Les Tueurs de cochon. Durch die gebogenen Figuren wird viel Bewegung angedeutet, man könnte sich vorstellen, dass die Figuren fast am Schreien sind. Man kann die Einzelheiten in diesem Bild denen im Kaktusfreund entgegenstellen: auf der rechten Seite befindet sich ein kleines Detail: im Kaktusfreund eine Kaffeekanne, in den Tueurs de cochon ein Messer, woran schon der symbolische Unterschied zwischen den beiden Gemälden festzustellen ist, die Kaffeekanne weist auf einen ruhigen Sonntagmorgen hin, während das Messer ein gewalttätiges Instrument ist, besonders in diesem Kontext. Es ist eine ähnliche Konstruktion in beiden Werken zu bemerken: die Figuren befinden sich draußen aber sind von Mauern umrundet, mit einem Gittertor in der Mitte, demnach in einem Innenhof.
Diese Elemente schaffen eine gewisse Ähnlichkeit zwischen beiden Szenen, doch zur selben Zeit betonen diese Ähnlichkeiten auch inwiefern die Darstellung eines Innenhofes und der alltäglichen Tätigkeiten, die darin ausgeführt werden, anders sein kann, was z. B. an den Mauern erkennbar ist: bei Spitzweg sind die Mauern sehr glatt und sehen viel feiner aus als die rauen Steinmauern des Bauernhofs in Millets Gemälde. Auch das Gitter verläuft unregelmäßig und ist schräg im Hintergrund der Tueurs de cochon, vielleicht ist es eigentlich sogar aus Holz, während das Gitter bei Spitzweg mit Verzierungen beschmückt ist und die einzelnen Stäbe sehr gerade sind. Im Hintergrund sind Bäume zu sehen, aber bei Spitzweg handelt es sich um große, gerade, grüne Bäume, die die materielle Fülle betonen, während die fast schwarzen Bäume bei Millet kaum Blätter tragen und krumm wirken, was auf den ärmeren finanziellen Zustand der Bauern im Gegensatz zu dem bürgerlichen Sonderling bei Spitzweg hinweist.
Ein paar Konzepte, die durch die Bilder veranschaulicht werden
I. Harmonie
Es sind im Detail zwar viele Unterschiede zwischen den Gemälden festzustellen, doch einige Konzepte sind für beide Bilder treffend, was darauf hinweist, dass gemeinsame Ideen vermittelt werden. Wenn man den Begriff Harmonie erwähnt, denkt man mehr an den Kaktusfreund weil alles um die zentrale Figur ruhig ist und er im Zentrum steht, usw. Aber die Ruhe kann man eigentlich eher mit der Gemütlichkeit verbinden, und die Abwesenheit von Ruhe bei Millet bedeutet nicht Abwesenheit von Harmonie, denn, wenn man das Bild von weitem beobachtet sieht es fast harmonischer aus, besonders was die Farben betrifft. In der Tat ist fast alles im selben braun bis gräulichen Farbton dargestellt, sogar die Gesichter ähneln den Mauern, der Erde, und das weiße Hemd kann man mit dem Haar des Schweines in Beziehung gebracht werden. Dadurch entsteht eine Harmonie zwischen den Menschen und ihrer Umgebung, sie scheinen dem Land vollkommen angepasst zu sein. Dies verbindet Mensch und Natur, ein Begriff, der auch in beiden Bildern entwickelt wird.
II. Natur
Die Natur ist mannigfaltig in beiden Bildern vertreten, es ist sogar ein Zentralelement, denn es werden Menschen in der Natur dargestellt. Die ELemente der Natur unterstreichen noch die Art, wie wir die Menschen wahrnehmen: durch die Bäume im Hintergrund sehen die Bauern ärmer aus, während die Vielfalt an Kakteen den materiellen Wohlstand des Bürgertums nach der Revolution von 1848 betont. Aber ansonsten wird die Natur anders verarbeitet, und beide Maler vertiefen verschiedene Aspekte der Natur. Im Kaktusfreund erscheint die Natur als eine schützende Idylle, wie oft in der deutschen Malerei, aber hier handelt es sich um keine typisch deutsche Natur mehr. Man findet noch eine Erinnerung daran im Hintergrund, aber sie nimmt keine zentrale Stellung mehr ein. Zentral steht jetzt eine eher exotische Natur, für die ein fast wissenschaftliches Interesse entwickelt wird. Der Mann beobachtet befriedigt einen Kaktus, der gerade blüht (man kann eine rote Blüte rechts am Kaktus sehen). Dies ist vollkommen anders als in der Romantik, wo der Mensch durch die Natur seine Gefühle ausdrückt. In der Tat wird die Natur als neues Element an sich betrachtet. Diese Natur ist ganz von Gott unabhängig, sie ersetzt ihn fast sozusagen, denn der Mensch wird hier fast als Schöpfer dargestellt: er hat die Pflanzen gezüchtet und dank langwieriger Sorgfalt blüht nun der Kaktus.
In den Tueurs de cochons ist auch ein wissenschaftlicher Aspekt vorhanden, doch das Objekt dieser Wissenschaft ist weniger die Natur als die Menschen selbst, es geht nicht um Biologie, sondern eher um Anthropologie. Man könnte dieses Gemälde beinahe als eine Studie der Menschen auf dem Lande und in ihrem Alltag betrachten. Sie werden mit Kraft und Respekt dargestellt, man sieht z. B. ihre starken Arme. Man versteht weshalb die Bewegung Realismus heißt, denn es handelt sich hierbei um eine sehr realistische Darstellung in allen ihren Aspekten: einerseits müssen die Menschen töten aber sie stellen durch ihre kräftigen Körper zugleich das Leben dar. Daher kann man sagen, dass die Natur hier auch durch den Lebenszyklus dargestellt wird.
Diese zwei Gemälde bieten also ebenfalls zwei verschiedene Sichtweisen des Lebenszyklus: im Kaktusfreund wird das Leben durch den Schöpfungsakt dargestellt, bei Millet dagegen wird der gesamte Lebenszyklus - vom Anfang des Lebens bis zum Tod hin - in Betracht gezogen, insofern als die Bauern sich ernähren müssen und als sie eine große Familie bilden, was man unter anderem durch das Kind im Hintergrund und durch die Anzahl an Menschen im Gemälde vermuten. Auch bei Millet ist keine Darstellung Gottes vorhanden, auch wenn die Religion in anderen seiner Werke für den Maler wichtig zu sein scheint, sondern das Leben an sich wird zum Hauptelement. Das Schwein wird fast soziologisch betrachtet, denn es scheint Schmerz und Angst zu empfinden: es versteht, was passieren wird, deshalb wehrt es sich. In beiden Gemälden ist jedoch zu beachten, dass es sich nicht um eine “natürliche” Natur handelt, sondern eine gezüchtete, die wilde Natur ist draußen, außerhalb des Hofs. Das Seil bei Millet und die Mauern in beiden Werken erinnern daran, dass die Natur eingeschlossen sein muss, um näher betrachtet werden können, was erneut auf die wissenschaftliche Sichtweise, auf das Werk als Fallstudie hindeutet und den starken Einfluss der Forschungsarbeiten eines Alexander von Humboldt erkennen lässt.
Die Unterschiede zwischen den Darstellungen der Natur könnte man auf die Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich zu dieser Zeit zurückführen: in Deutschland hat das Bürgertum nach 1848 auf eine politische Rolle verzichten müssen, um im Wohlstand zu leben; deshalb tritt der Bürger aus der weltlichen Sphäre zurück aus den weltlichen Probleme und widmet sich dem, was gewissermaßen von der Politik am weitesten entfernt ist, während in Frankreich Napoleon III an der Macht ist, dessen Wahl Karl Marx als eine “Rache der Bauern” gedeutet hat, da Frankreich zu 80% ländlich ist aber die Bauern sich von der Republik vernachlässigt fühlen und daher für Napoleon III. stimmen, in anderen Worten gegen die Republik. Dies erklärt nach dem Scheitern der II. Republik ein starkes Interesse für das Land. Beide Bilder sind demnach mehr oder weniger mit der Politik verbunden, weshalb wir uns fragen können, inwiefern sie eine Sozialkritik darstellen.
Sozialkritik?
Wenn man den Begriff Sozialkritik erwähnt, würde man eher an Millets Gemälde denken. Vielleicht kritisiert er die schweren Umstände der Bauernarbeit, der Titel lässt uns heutzutage fast an eine Verteidigung der Tierrechte denken (was natürlich anakronistisch wäre), doch man könnte ebenfalls meinen, es handle sich lediglich um eine Darstellung der Realität, zwar ohne Naivität aber auch ohne politische Absicht. Wahrscheinlich hat Millet selbst eine solche Szene erlebt, vielleicht stellt er sich selbst in Gestalt eines der Kinder im Hintergrund dar; es würde sich demnach um eine markierende Szene aus seinem Leben handeln, die er auf einer universalen Ebene wiedergibt.
Bei Spitzweg kann man sich allerdings tatsächlich fragen, ob es sich nicht vielleicht um eine Sozialkritik handelt, obwohl das Bild scheinbar vollkommen apolitisch aussieht. In anderen Bildern wie z. B. Der Schmetterlingsjäger kommt die ironische Position Spitzwegs deutlicher zum Vorschein. Hier muss schon bemerkt werden, dass die Figur uns etwas lächerlich erscheint, da sie etwas älter, etwas dicklich ist, mit ihrer Pfeife und ihrer Brille, als stände sie eben für den Typus des Biedermannes. Der Mann erinnert den Beobachter an Figuren von Wilhelm Buschs Max und Moritz (1865 erchienen, also ungefähr zur selben Zeit). Busch wurde möglicherweise von Spitzweg inspiriert, und die Ähnlichkeit lässt uns denken, dass der Kaktusfreund auch mit Humor dargestellt wird. Es ist keine scharfe Kritik, sondern vielleicht eher eine Aufforderung, den Kopf aus seinen exotischen Pflanzen rauszuheben, denn der "Kaktusfreund" ist eingeschlossen und hält sich von der Welt abgeschottet, während die wahre Natur draußen zu finden ist. Daher wird Spitzweg zum Chronisten und zum Satiriker: er stellt seine Umgebung kritisch dar, mit Humor, aber ohne Gespött. Er verfolgt keineswegs die Absicht, sie an den Pranger zu stellen.
Zusammenfassung
Zusammenfassend ist festzustellen, dass beide Bilder eigentlich eine ähnliche Methode benutzen, die man z. B. in der Struktur des Bildes erkennen kann, was daran liegt, dass sie aus derselben Periode stammen, einer Zeit, in der die Malerei versucht, sich von der Fotographie zu unterscheiden (z. B. malt Millet auf sehr realistische Weise aber die Gesichter sind etwas grob und nicht fotorealistisch, sie schildern eine andere Realität). Was die Unterschiede im Subjekt des Gemäldes angeht, sind sie unserer Meinung nach auf die politischen Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich zurückzuführen.
Pour citer cette ressource :
Leon Huwer, "Comparaison de tableaux: Carl Spitzweg «Der Kaktusfreund» (um 1858) und Jean-Francois Millet «Les tueurs de cochon» (um 1867)", La Clé des Langues [en ligne], Lyon, ENS de LYON/DGESCO (ISSN 2107-7029), octobre 2021. Consulté le 05/11/2024. URL: https://cle.ens-lyon.fr/allemand/arts/peinture-et-sculpture/comparaison-de-tableaux-carl-spitzweg-der-kaktusfreund-um-1858-und-jean-francois-millet-les-tueurs-de-cochon-um-1867