Vous êtes ici : Accueil / Littérature / RDA et RFA / Littérature de RDA / «Das siebte Kreuz» von Anna Seghers als Bestandteil des literarischen Erbes der DDR

«Das siebte Kreuz» von Anna Seghers als Bestandteil des literarischen Erbes der DDR

Par Aurélie Cachera
Publié par mduran02 le 04/10/2013

Activer le mode zen

Le roman d’Anna Seghers, ((Das siebte Kreuz)), paru en 1942 pendant l’exil de l’auteur, raconte la fuite de sept prisonniers d’un camp de concentration. Des sept platanes qui doivent leur servir de croix une fois rattrapés, un seul restera vide. Le roman, dédié aux antifascistes, témoigne du combat d’Anna Seghers contre le national-socialisme et fait partie de l’héritage laissé par la littérature de RDA. ((Das siebte Kreuz)) wurde in der DDr zur Pflichtlektüre. Das Buch erzählt die Flucht von sieben Häftlingen aus dem Konzentrationslager Westhofen in der Provinz Rheinhessen im Herbst 1937. Von den sieben aufgestellten Baümen, an denen die Flüchtlinge aufgehängt werden sollten, bleib nur einer leer.

Einleitung

Der Begriff des „Erbes“ umfasst die Gegenstände, seien sie physisch oder geistig, die ein Individuum oder ein Kollektiv aus der Vergangenheit übernommen hat, beziehungsweise das, was ihm aus seiner Vergangenheit überliefert worden ist. Die Frage nach dem literarischen Erbe stellt also die Frage nach der Intertextualität der Texte: Welche Kulturreferenzen benutzt der Schriftsteller? Auf welche Autoren bezieht er sich? Sind diese vergangen oder zeitgenössisch? In dieser Perspektive wirft eine Arbeit über Das siebte Kreuz von Anna Seghers noch eine weitere Frage auf: die der möglichen Errichtung eines literarischen Erbes durch das Werk, da dieses Buch in der DDR zur Pflichtlektüre wurde. Diese Arbeit wird sich also nach einer kurzen Biografie der Autorin und Inhaltsangabe mit zwei Aspekten des Erbes im Buch beschäftigen: Zunächst wird auf das literarische Erbe innerhalb des Romans eingegangen werden. Dann wird die Rezeption des Romans sowohl als Exilliteratur als auch als wichtiges Werk des DDR-Regimes näher betrachtet werden.

1. Kurze Biografie

Netty Reiling wurde am 19. November 1900 in Mainz geboren. Ihre Familie gehörte dem jüdischen Großbürgertum an. Sie wurde zwar in der Tradition der jüdischen Religion erzogen, trat aber am Ende der zwanziger Jahre aus der jüdischen Gemeinde aus. 1920 begann sie ihr Studium in Heidelberg, wo sie Kunstgeschichte und Sinologie studierte. Nebenbei nahm sie an vielen Vorlesungen über die Geschichte des Marxismus und des Sozialismus teil, wenngleich sie diese Lehrveranstaltungen nie akademisch abschloss. 1924 promovierte sie mit einer Arbeit über „Jude und Judentum im Werk Rembrandts“. Während ihres Studiums lernte sie ihren zukünftigen Mann kennen, den Juden und Kommunisten Laszlo Radványi, mit dem sie 1925 nach Berlin zog. Ihr Ehemann widmete sein Leben als Gelehrter dem Unterricht marxistischer Ideen. 1928 trat sie der KPD und 1929 dem Bund Proletarisch-Revolutionärer Schriftsteller (BPRS) bei. Da sie in den letzten Jahren der Weimarer Republik zu einem aktiven Mitglied im linken Literaturleben geworden war, wurde sie 1932 in die Leitung des BPRS gewählt. Bereits 1933 musste sie nach Paris flüchten, wo sie weiterhin politisch und literarisch engagiert blieb. 1937 fing sie mit dem Schreiben des Siebten Kreuzes an, das sie 1939 kurz vor ihrer Flucht ins mexikanische Exil fertigstellte. Die ersten Kapitel des Buches wurden in Johannes R. Bechers Zeitschrift Internationale Literatur in Moskau veröffentlicht. Ihre Mutter wurde 1942 nach Dachau deportiert, wo sie starb. Seghers’ Vater war bereits 1940 gestorben. Erst 1947 kehrte sie nach Deutschland zurück. Ihr Mann folgte ihr 1952. 1950 entschied sie sich für den Ostteil der Stadt Berlins. Im gleichen Jahr wurde sie auch Mitglied des Weltfriedenrates. Als bekannte Schriftstellerin hatte sie in der DDR einige materielle Privilegien und Zugang zu den Regierenden des Staates. Dennoch behielt sie einen schlichten Lebensstil. Ab 1952 wurde sie zur Vorsitzenden des Schriftstellerverbandes gewählt und blieb es bis 1978, als sie sich nach dem Tod ihres Mannes ganz aus dem öffentlichen Leben zurückzog. Generell ist sie mit der DDR‑Regierung solidarisch geblieben, verurteilte die Aufstände 1953 und 1956, und nahm nie an öffentlichen Protesten teil. Doch fehlte es ihr nicht an Kritikfähigkeit, wie man es an einigen ihrer Texte erkennen kann. Auch die Tatsache, dass sie einige DDR-Künstler wie Max Lingner, Christa Wolf und Peter Hacks unter ihre Fittiche nahm, ist ein Beweis dafür, dass sie nicht immer mit dem politischen und künstlerischen Kurs der DDR einverstanden war. Als sie 1983 starb, hatte sie fast alle aus dem Exil zurückgekehrten Schriftsteller überlebt.

2. Zum Werk

 „Ich werde einen kleinen Roman beenden, etwa 200 bis 300 Seiten, nach einer Begebenheit, die sich vor kurzem in Deutschland zutrug. Eine Fabel also, die Gelegenheit gibt, durch die Schicksale eines einzelnen Mannes sehr viele Schichten des faschistischen Deutschlands kennenzulernen. Dieses Buch darf nicht allzu lange dauern […]“ (Anna Seghers, 1979, S.16)

Inhaltsangabe

Das Buch erzählt die Flucht von sieben Häftlingen aus dem Konzentrationslager Westhofen in der Provinz Rheinhessen im Herbst 1937. Die Lagerleitung stellt nach dem Entdecken der Flucht sieben Platanen auf dem Hauptplatz als Kreuze auf, an denen die Flüchtlinge, wenn sie wieder gefangen werden, gebunden werden sollen. Zudem schwört die KZ-Leitung, die fehlenden Flüchtlinge binnen einer Woche einzufangen. Tatsächlich werden zwei, Beutler und Pelzer, noch am gleichen Tag gefunden. Wallau, ehemaliger Reichstagsabgeordneter der KPD und Erfinder des Fluchtplans, wird ein paar Tage später auch wieder festgenommen und während seines Verhörs brutal zusammengeschlagen und schließlich ermordet. Belloni, ein Trapezkünstler, stürzt sich, um seiner Verhaftung zu entkommen, von einem Dach und stirbt in einem Krankenhaus an seinen Verletzungen. Aldinger, ehemaliger kommunistischer Bürgermeister eines Dorfes, der durch die Denunziation eines Rivalen ins KZ deportiert worden ist, stirbt am fünften Tag unweit seines Dorfes. So wie im Falle Bellonis hat sein Tod etwas Selbstbestimmtes. Füllgrabe ist ein bloßer Mitläufer, der in die Flucht „hineingeschlittert“ ist und der den Druck der immer drohenden Verhaftung nach wenigen Tagen nicht mehr aushalten kann: er stellt sich freiwillig. Georg Heisler, den sein Jugendfreund Franz Marnet mit der kommunistischen Bewegung vertraut gemacht hatte, ist der einzige, dem die Flucht glückt. Dieses erfolgreiche Ende verdankt er der Hilfe vieler Mitmenschen aus verschiedenen Schichten der Gesellschaft, die ihm manchmal sogar helfen, ohne ihn persönlich zu kennen. Das siebte Kreuz bleibt also leer und wird somit für die KZ-Häftlinge zum Symbol der Hoffnung und Freiheit.

Das Buch ist den „toten und lebenden Antifaschisten Deutschlands gewidmet“, was bereits 1939 Anna Seghers’ Wunsch darlegt, aktiv gegen den Nationalsozialismus zu kämpfen und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nicht aufzugeben.

Zu Form und Stil

Die Erzählung enthält mehrere Ebenen: Der Prolog bildet den Rahmen der Geschichte, indem ein fiktiver Erzähler, selbst KZ-Häftling, das glückliche Ende der Geschichte vorwegnimmt und die Erzählung einleitet. Am Ende der Geschichte wird nochmals näher auf das Gefühl der Erleichterung der Häftlinge eingegangen, wenn sie verstehen, dass Georg die Flucht gelungen ist. In der Binnenhandlung handelt es sich ausschließlich um die Flucht, wobei sich die Akzente verschieben: Zunächst scheint Franz Marnet, ehemaliger Freund, Lehrer und Mitbewohner Georgs, die Hauptfigur des Romans zu sein. Als er von der Flucht Georgs erfährt, sucht er nach ihm und will ihm helfen. Doch bald nimmt Georg den Hauptplatz in der Geschichte ein, wobei immer wieder einzelne Episoden die Akzente auf andere Personen der Erzählung legen. Ein allwissender Erzähler berichtet über das Geschehene in einer Abwechslung von Episoden, die an eine für die Filmkunst charakteristische Schnitttechnik denken lässt.

Schnell wird deutlich, dass für Seghers die Erzählung an sich, das was sie aussagt und im Menschen für Gefühle weckt, das Wichtigste ist. Die Erzählung ist spannend und einfach verständlich zugleich. Charakteristisch für Anna Seghers‘ Werk im Allgemeinen ist der Verzicht auf eine komplexe Sprache. Hier wird unter anderem durch den Gebrauch vom Dialekt deutlich, dass Seghers ein möglichst breites Publikum, auch von einfachen Leuten, ansprechen will. Die Erzählung ist in einem fast „volksliedhaften“ Ton (siehe Leis, 2009, S. 53) geschrieben. Auch die Dichotomie zwischen Gut und Böse wird im Buch relativ einfach geschildert, obgleich die komplexen Verstrickungen, die einzelne Leute im Alltag mit dem „Bösen“ verwickeln, tiefgründig und überzeugend veranschaulicht werden.

3. Das literarische Erbe im Roman

Geografisches Erbe

Bevor auf das konkrete literarische Erbe des Werkes eingegangen werden soll, scheint es relevant, auf die Lokalisierung des Buches einzugehen. Es ist kein Zufall, wenn Anna Seghers Das siebte Kreuz in der ihr aus Kindheit und Jugend wohlbekannten Rhein-Main-Gegend spielen lässt. Für eine Schriftstellerin im Exil hat es eine umso größere Bedeutung, wenn sie ihr antifaschistisches Buch in ihrer Heimat spielen lässt. Man bemerkt bei ihr allgemein den Willen zu einer neuen positiven Besetzung der durch den Nationalsozialismus missbrauchten Wörter der Heimat und des Vaterlands. So erklärt sie in ihrer Rede Vaterlandsliebe zum ersten Internationalen Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur 1935 in Paris:

„Fragt erst bei dem gewichtigen Wort ‚Vaterlandsliebe‘, was an eurem Land geliebt wird. Trösten die heiligen Güter der Nation die Besitzlosen?... Tröstet die ‚heilige Heimaterde‘ die Landlosen? Doch wer in unseren Fabriken gearbeitet, auf unseren Straßen demonstriert, in unserer Sprache gekämpft hat, der wäre kein Mensch, wenn er sein Land nicht liebte.“

Sie schildert also im Siebten Kreuz, wie einfache Menschen in ihrem Alltag mehr oder weniger in das NS-Regime (wie Füllgrabe in die Flucht) „hineingeschlittert“ sind, so zum Beispiel die Familie Paul Röders, die letztendlich jedoch zum wichtigsten Stützpunkt Georgs wird. Diese Menschen tragen Schuld und Hoffnung zugleich in sich: Sie sind es, die den Kurs der politischen Macht ändern können, sogar durch die kleinsten und scheinbar belanglosesten Aktionen. Die Inszenierung ihrer Geschichte ist Seghers umso wichtiger, da sie selbst in dieser Gegend den Originaleindruck bekommen hat:

„In dieser Stadt, in der ich meine Kindheit verbrachte, empfing ich, was Goethe den Originaleindruck nennt; den ersten Eindruck, den ein Mensch von einem Teil der Wirklichkeit in sich aufnimmt, ob es der Fluss ist, oder der Wald, die Sterne, die Menschen. – Ich habe versucht, in vielen meiner Bücher festzuhalten, was ich hier erfuhr und erlebte. Es ist kein Zufall, dass mein Roman: „Das siebte Kreuz“ in der Gegend von Mainz spielt, kein Zufall, dass der Flüchtling Georg Heisler sich eine Nacht im Mainzer Dom versteckt. Kein Zufall, dass ihm auf einem Rheinschiff die Flucht gelingt.“ (1979, S. 179)

Man kann also hier die These aufstellen, dass es zwei Gründe für diese Lokalisierung gibt. Zunächst ist ihr die Gegend wohlbekannt, was zur Genauigkeit der Erzählung beiträgt; so werden sehr viele wirkliche Dörfer und Städte genannt, was das exakte geografische Mitverfolgen der Flucht durch den Leser möglich macht. Ein weiterer Grund kann aber auch die Rehabilitierung des geschichtlichen Erbes und der Traditionen dieses Gebiets sein. So ist es wahrscheinlich kein Zufall, wenn bereits auf den ersten Seiten ein kurzer Überblick der Geschichte der Gegend über den Nationalsozialismus hinaus gegeben wird. Der Erzähler geht tief auf die Wurzeln der Gegend ein, erzählt vom Limes, von den Kelten, von Mainz, das „dem Heiligen Römischen Reich die Erzkanzler [stellte]“ (S. 13‑14), von der Großen Armee und der Schlacht von Verdun. Erst nach diesen geschichtlichen Verweisen kann die tatsächliche Erzählung anfangen: „Jetzt sind wir hier. Was geschieht, geschieht uns“ (S. 15). Mit der rhetorischen Figur des pars pro toto wird hier des Weiteren darauf hingewiesen, dass die Geschichte Deutschlands sich nicht auf das totalitäre Regime des Nazis reduzieren lässt. Das Rhein-Main-Gebiet und die Geschichte des Buches stehen für ganz Deutschland.

Anna Seghers zeigt also in ihrer antifaschistischen Fabel den Alltag von einfachen Menschen: Die meisten sind Bauern, Arbeiter, nur wenige gehören dem Kleinbürgertum an. Das wird auch durch die Benutzung des Dialekts verdeutlicht. So stehen Ausdrücke wie „schäkern“ (S. 36), ein etwas veraltetes und umgangssprachliches Verb, oder die Benutzung von „wie“ statt der Konjunktion „als“ („Bloß die Sirenen hatte noch fertiggeheult, wie er schon abgeknallt gewesen war“, S. 34) für diese Dialektsprache. Ferner wird manchmal in den Gedankengängen oder Gesprächen der Menschen der Genitiv durch den Dativ ersetzt, was auch ein Zeichen für eine unförmliche Alltagssprache ist: „Das scheint in diesem Mann seinem Leben eine Rolle gespielt zu haben, dachte Georg“ (S. 157).

Sowohl Gegend als auch Sprache sind signifikant für den Willen Seghers’, das kulturelle Erbe ihres Landes zu rehabilitieren und in diese einfachen Leute Hoffnung zu setzen.

Mythische Motive

In der Erzählung bedient sich Anna Seghers vieler Kulturreferenzen aus Mythen und Märchen. Schon der Name Georg ist ein Bezug auf ein mythisches Motiv: den des Drachentöters aus der Goldenen Legende von Jacobus von Vorangine, der eine Stadt von einem Drachen befreite und danach der Stadt erklärte, sie habe die Rettung Gott zu verdanken und solle sich bekehren. Natürlich kann man hier den mythischen Aspekt schwer von dem religiösen Aspekt des zum Schutzheiligen der Ritter gewordenen Georg trennen. Beruft man sich jedoch auf Seghers’ Leben und Überzeugungen, so kann man behaupten, dass hier die heroische Tat des Drachentöters an sich und nicht die darauffolgende Bekehrung von Ungläubigen als symbolischer Hintergrund benutzt wird. Denn auch Georg Heisler vollbringt das scheinbar Unmögliche: Er flüchtet aus dem KZ und wird so zum Symbol von Hoffnung, Widerstand und Freiheit.

Ferner hat der Schäfer Ernst, der in den Taunushöhen in scheinbarer Abgeschiedenheit lebt und die Handlungen im Tal mit Distanz betrachtet, etwas Märchenhaftes. Er veranschaulicht die Kontinuität des Lebens, in der das Naziregime nur eine kurze Episode ist. Franz bemängelt seine „Gleichgültigkeit“ (S. 135) dem Geschehen der Welt gegenüber. Es ist, als komme Ernst „aus einer dunklen Vorzeit“ (S. 134). Ihm fehlt es nie an etwas, denn die Bewohner des Dorfes versorgen ihn immer wieder mit Unterkunft und Lebensmitteln. In dieser Hinsicht erinnert er an den Schäfer im Märchen der Brüder Grimm Der liebste Roland, für den das Mädchen heimlich kocht und putzt, der sich um nichts zu kümmern braucht und der außerhalb des Geschehens zu leben scheint. Auch er steht für Kontinuität und seine einzige Funktion scheint es zu sein, die Treue des Mädchens zu Roland zu veranschaulichen.

Weiterhin ist die letzte Frau, die Georg vor seiner endgültigen Flucht aus Deutschland trifft, von mythischen und abergläubischen Zeichen umgeben. Allein der Name des Wirtshauses ist ein positives Zeichen: „Zum Engel“. Tatsächlich wird sich die junge Kellnerin auf eine Beziehung mit Georg einlassen und ihm so für die letzte Nacht Schutz und Unterkunft bieten. Die Kellnerin selbst trägt Zeichen, die darauf deuten, dass sie ein guter, liebevoller Mensch ist: Um den Hals hält ein „kleines Kreuz aus Granatsteinen […] ihren Kragen zusammen“ (S. 401) und am Finger trägt sie „einen dünnen Ring mit einem Glückskäfer, wie man in Jahrmarktsbuden gewinnt“ (S. 402). Der Maikäfer bringt im Volksmund Glück. Nur ein aufmerksamer Blick kann diese Details erkennen und doch sind sie besonders aufschlussreich, was ihre Persönlichkeit und ihr Verhalten betrifft.

Außerdem spielt die Zahl sieben eine zentrale Rolle, und dies auch in den Volksmärchen. Die Zahl sieben ist schon innerhalb des Buches ein Leitmotiv: Sieben Häftlinge flüchten aus dem KZ und sollen an sieben Kreuzen aufgehängt werden. Sie sollen innerhalb von sieben Tagen wiedereingefangen werden, am siebten Tag gelingt aber die Flucht des siebten Flüchtlings. Hinzu kommt noch, dass das Buch in sieben Kapiteln gegliedert ist. Die Zahl sieben trifft man immer wieder in Märchen und das Buch schlägt explizite Brücken zu dieser Welt. So denkt Georg, als er bei dem Arzt isst: „Ach, essen von sieben Tellerchen, trinken aus sieben Gläschen“ (S. 361). Dieses Zitat erinnert an Schneewittchen, das bei der Ankunft im leeren Haus der sieben Zwerge ein wenig von allen sieben Tellern isst und aus den sieben Bechern trinkt. Die Geschichte der sieben Häftlinge im Siebten Kreuz erinnert auch an das Märchen Der Wolf und die sieben jungen Geißlein. In diesem Märchen werden die sechs Geschwister des siebten Geißleins vom Wolf gegessen. Ihm haben sie es zu verdanken, dass ihre Mutter sie letztendlich aus dem Bauch des Wolfes retten kann. Symbolisch kann also Georg für das siebte Geißlein stehen, das die Rettung letztendlich möglich macht.

Religiöse Motive

Ferner ist die Zahl sieben untrennbar mit dem biblischen Schöpfungsmythos verbunden, welcher hier mit dem Eidschwur der KZ-Leitung, die Flüchtlinge innerhalb von sieben Tagen wieder zu verhaften, zusammenfällt. Wenn auch Seghers nicht christlich gewesen ist und aus der jüdischen Gemeinde austrat, so spielen viele christlich-religiöse Motive in ihrem Werk eine zentrale Rolle, da sie Teil ihres kulturellen Erbes sind: „Christliche Symbolik, die Seghers in Mainz, in vielen Kunstwerken, mit denen ihr Vater handelte, und in der Literatur, die sie las, überall umgab, spielt in ihrem Werk eine bedeutende Rolle“ (Romero, 2001, S. 9-10). So ist auch das Symbol des Kreuzes ein christliches Symbol, das der Erlösung durch den Opfertod Christi. Es ist auch ein Zeichen des Märtyrertods, dem die Wiedereingefangenen erliegen werden.

Weiterhin hat die Figur Wallaus etwas von einem Heiligen. Er hat den Fluchtplan ausgearbeitet und ist der Chef der auseinandergelaufenen Gruppe. In schwierigen Momenten führt Georg mit ihm in Gedanken Gespräche, um zu wissen, wie Wallau in seiner Situation gehandelt hätte. Wallau scheint, physisch und geistlich unerschütterlich zu sein, und Georg fragt sich immer wieder, ob er gefangen wurde. Um die anderen scheint er sich nicht zu scheren. Die zurückgebliebenen Gefangenen legen all ihre Hoffnung in Wallau und seine erneute Verhaftung erschüttert sie zutiefst. Sie scheinen dann zu verstehen, dass ihre ganze Generation ausgerottet wurde, dass sie ihr eigenes Erbe verlieren werden und die nächste Generation keinen Zugang mehr zu diesem kulturellen Erbe haben wird:

„Die ganze Generation hatte man ausgerottet. Das dachten wir an diesem furchtbaren Morgen, und wir sprachen es aus zum erstenmal […]. Was beinahe nie in der Geschichte geschehen war, aber schon einmal in unserem Volk, das Furchtbarste, was einem Volk überhaupt geschehen kann, das sollte jetzt uns geschehen: ein Niemandsland sollte gelegt werden zwischen die Generationen, durch das die alten Erfahrungen nicht mehr dringen konnten.“ (S. 164)

Der Verlust des Erbes spielt hier also in Verbindung mit Wallau eine zentrale Rolle. Doch Wallau verkörpert Willensstärke. Selbst wenn er körperlich zusammenbricht, bleibt er seelisch stärker als die KZ-Leitung. Er verkörpert den Widerstand gegen die Diktatur und sein Tod bedeutet Erlösung von der Welt.

Außerdem stößt der Leser auf konkrete christliche Bezüge: So verbringt Georg eine Nacht im Mainzer Dom, was ihm die Gelegenheit gibt, die Kirchenfenster und die darauf abgebildeten Geschichten zu betrachten. So erkennt er Adam und Evas Verjagung aus dem Paradies, das Kind in der Krippe, das letzte Abendmahl, die Kreuzigung (S. 81). Obwohl Georg „längst nicht mehr alle Bilder [kennt]“ (S. 81), so ist er dennoch in der Lage, die wichtigsten zu erkennen, was ein Zeichen dafür ist, dass das Christentum ein Teil des kulturellen und literarischen Erbes Deutschlands ist. Desweiteren stößt er zweimal auf den Heiligen Martin, was ein glückliches Ende vorahnen lässt. Das erste Mal sieht er ihn, nachdem er von dem jüdischen Arzt gepflegt worden ist (S. 101), und das zweite Mal sieht er ihn kurz vor seiner Abfahrt auf dem Schiff (S. 400). Christliche Symbole sind also auch Bestandteile des literarischen Erbes von Anna Seghers.

Zeitgenössische literarische Bezüge und Informationen

Besonders bewundernswert ist an diesem Buch die Tatsache, dass Anna Seghers bereits vor Kriegsausbruch in der Lage war, die Lebensumstände in Konzentrationslagern mit einer großen Genauigkeit zu schildern. Das ist darauf zurückzuführen, dass sie Zugang zu Dokumenten der KPD über die Zustände in Konzentrationslagern besaß und sich auf Zeugenberichte von geflohenen KZ‑Insassen stützte. Außerdem bezieht sich die Fluchtgeschichte Heislers auf die des Reichstagsabgeordneten Hans Beimler, den sie nach seiner Flucht persönlich kennenlernte. Selbst die Idee des Kreuzes wurde nicht erfunden, sondern einer wahren Begebenheit entnommen. Anna Seghers informierte sich von Paris aus über das Dritte Reich, indem sie bereits erschienene Bücher über das Thema las. Ihre Ideen entnahm sie auch zeitgenössischer Literatur, wie zum Beispiel den Büchern Mörderlager Dachau (Hans Beimler, 1933), Oranienburg (Gerhardt Seghers, 1934), Auf der Flucht erschossen (Walter Schönstedt, 1934), und Die Prüfung (Willy Bredel, 1934).

An dieser Stelle möchte diese Arbeit auch die These aufstellen, dass der Name „Georg“ sich nicht nur auf die Figur des Drachentöters bezieht. Die Ähnlichkeit mit dem Vornamen Gregor, der Hauptfigur von Kafkas Verwandlung, ist auffallend. Spätestens ab dem Moment, an dem Georg am Anfang seiner Flucht befohlen wird zu „krabbeln“, scheint die Brücke zu diesem Werk eindeutig: „Krabbel! hatte ihm Wallau geraten […]. Dass du immer weiterkrabbelst, Georg.“ (S. 33). Die Benutzung von zeitgenössischer, aber auch vergangener Literatur ist also klar.

4. Rezeption des Romans

Das siebte Kreuz als Exilliteratur

Das Buch erschien 1942 im Verlag El Libro Libre im mexikanischen Exil. Nach der englischen Übersetzung wurde es in den Vereinigten Staaten gelesen, wurde im Oktober 1942 zum „Book of the Month“ und schließlich zum Bestseller. Ab November 1942 kam die Geschichte als Comic Strip in mehreren Tageszeitungen heraus. 1943 wurde die Film-Story an die Metro-Goldwyn-Mayer verkauft. Gleich darauf wurde der Film The Seventh Cross unter der Regie des österreichischen Emigranten Fred Zinnemann mit Starbesetzung von Spencer Tracy in der Rolle Georgs gedreht. 1944 wurde sogar eine Militärausgabe für amerikanische Soldaten in Europa veröffentlicht. In Europa folgten zahlreiche Übersetzungen, 1943 ins Schwedische, Spanische und Portugiesische, 1946 ins Dänische, 1947 ins Norwegische und 1948 schließlich ins Französische und Niederländische. So wurde der Roman weltbekannt. Es ist an dieser Stelle interessant zu bemerken, dass das Buch ursprünglich nicht durch seine deutsche Originalfassung bekannt wurde. Das beweist auf der einen Seite, dass der Inhalt der Form überlegen ist, da das Buch ein ergreifender Bericht der Lebensbedingungen im Dritten Reich ist. Auf der anderen Seite zeugt dies auch von der Universalität des Erzählten und vom großen Interesse der Menschen aus aller Welt für die Ereignisse in Deutschland.

1948 gab es das Buch auch in Westdeutschland zu kaufen, doch wurde es nicht viel gelesen, da die Bevölkerung sich zunächst nicht mit der nationalsozialistischen Vergangenheit auseinandersetzen wollte. Außerdem war Seghers eine kontroverse Schriftstellerin, da sie sich für den Osten entschieden hatte. Doch ab dem Ende der sechziger Jahre befasste sich die junge Generation, die die Vergangenheit ihrer Eltern zu verstehen suchte, wieder intensiv mit dem Buch. In der Perspektive des Erbes zeigt das die wichtige Funktion der Literatur: In diesem Fall diente diese geerbte Erzählung der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und dem besseren Verständnis einer früheren Gesellschaft. Traditionen und Verhaltensmuster konnten so von der jüngeren Generation analysiert werden.

Was die Hollywoodverfilmung betrifft, wurde sie von der amerikanischen Besatzungsmacht 1947 verboten, da sie fürchtete, der Widerstandswille im Film könnte in Widerstand gegen die Besatzungsmacht innerhalb der Bevölkerung ausarten. Der Film wurde in der BRD erst 1972 vom ZDF wieder ausgestrahlt. Im Osten wurde der Film ab 1954 ausgestrahlt.

In der DDR wurde das Buch ab 1950 zur Pflichtlektüre, da sich das Regime tiefgründig mit der Nazi-Vergangenheit auseinandersetzen wollte und das Buch einen starken Antifaschismus vertritt. Im gleichen Jahr wurde es auch zur verbindlichen Schullektüre. Nun heißt es also zu analysieren, warum dieses Buch so sehr vom DDR-Regime geschätzt worden ist und warum es zum Bestandteil des literarischen Erbes dieses Regimes wurde.

Das Buch als literarisches Erbe der DDR

In der DDR herrschte offiziell die von Gorki eingeführte literarische Doktrin des Ostblocks: der sozialistische Realismus. Die Schriftsteller mussten sich in ihren Erzählungen den Prinzipien dieser Doktrin fügen, die man wie folgt zusammenfassen kann (siehe von Wilpert, 1989):

  • Wirklichkeitsgetreue und konkret-historische Darstellung der Verhältnisse
  • Darstellung des Klassenkampfes um den Fortschritt
  • Tendenz zur Vereinfachung der historischen Prozesse, didaktischer Inhalt und einfache Sprache
  • Politischer Optimismus und Hoffnung auf eine bessere Zukunft
  • Positiver Held, der aus dem Proletariat stammt und Probleme zu überwinden hat. Er soll als Vorbild fungieren können.

Das Buch, welches vor der Gründung der DDR geschrieben worden ist, übernimmt, wahrscheinlich unabsichtlich, wenn auch Seghers eine große Verehrerin der Sowjetunion gewesen ist, die Mehrzahl dieser Merkmale. In der Tat ist die Erzählung wahrheitsgetreu, da sie in einer der Autorin wohlbekannten Gegend spielt und die Schriftstellerin sich auf Zeugenaussagen und zeitgenössische Fakten bezieht, selbst wenn die Geschichte eine „Fabel“ sein soll. Dieser Wille zu einer wahrheitsgetreuen Darstellung wird zum Beispiel in den Zweifeln der einzelnen Figuren deutlich. Die Frau Paul Röders zum Beispiel reagiert hysterisch, nachdem sie erfahren hat, dass Georg ein KZ‑Flüchtling ist, der das Leben ihrer Familie aufs Spiel gesetzt hat, als er in ihr Haus eingetreten ist. Die Zweifel in kritischen Momenten zeigen die menschlichen Schwächen. Man hat es nicht mit Helden zu tun, sondern mit alltäglichen Menschen, die in Krisensituationen nicht immer wissen, wie sie handeln sollen. In diesen Krisenmomenten vermittelt Seghers eine prägnante, realistische Schilderung der Verhältnisse im Dritten Reich.

Was die Figur des positiven Helden betrifft, so gibt es davon mehrere. Georg ist natürlich ein positiver Held, er stammt aus dem Proletariat, ist Kommunist und kann am Ende den Nazis entkommen. Doch auch er hat schlechte Seiten, auf die der Erzähler eingeht. Außerdem gelingt ihm die Flucht nur durch die Hilfe anderer Menschen. In diesem Sinne sind alle, die ihm auf irgendeine Weise helfen, positive Helden. Sie symbolisieren die Fähigkeit des Menschen, sich zu bessern und sich in Krisensituationen für den richtigen, guten Weg zu entscheiden. Besonders aufschlussreich ist der innere Monolog, den Hermann mit sich selbst führt:

„Hermann fragte sich, während er selbst mit Haut und Haaren in dem Krach und Geflamm des gewöhnlichen Vormittags aufging, ob es richtig sei, so viel auf einen einzelnen Menschen zu setzen. Jener Mann, der den Röder aushorchen sollte, war bei Pokorny fast die einzige wirkliche Stütze. War das erlaubt, einen Menschen für den anderen aufs Spiel zu setzen? Unter welchen Bedingungen erlaubt? Hermann erwog alles noch einmal herüber und hinüber: ja, es war erlaubt. Nicht nur erlaubt, sondern nötig.“ (S. 332)

Hier entscheidet sich Hermann bedacht für den richtigen Weg, nachdem er nochmal alles abgewogen hat. Die letzten zwei Sätze haben sogar einen didaktischen und appellativen Ansatz. So soll der Leser, wenn er sich in einer solchen Situation befindet, handeln.

Diese positiven Helden stehen alle für eine bessere Zukunft. Doch das prägnanteste Beispiel ist das des Gärtnerlehrlings Fritz Helwig, der Mitglied der Hitlerjugend ist. Wenige Sätze, die er von seiner Mutter und seinem Lehrer hört, bringen ihn zum Nachdenken. Schließlich gibt er der KZ-Leitung falsche Angaben über die Jacke, die ihm von einem KZ-Flüchtling (Georg) gestohlen worden ist. Er eignet sich sogar diesen Flüchtling an, in dem er später von ihm als „meiner“ spricht. Er hofft am Ende auf eine glückliche Flucht. Das ist umso bemerkenswerter, als Fritz ein Kind der Zeit ist, der nichts anderes kennt als das Dritte Reich:

„Seitdem er ein wenig nachdachte, war das Lager immer dagewesen und mit dem Lager auch alle Erklärungen, warum es dasein musste. Er kannte gar nichts anderes. […] Er war herangewachsen in einem wilden Getöse aus Trompeten, Fanfaren, Heilrufen und Marschschritten.“ (S. 86)

Und doch ist der junge Gärtnerlehrling im entscheidenden Moment in der Lage, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Solche Menschen wie er sind unter anderem der Grund dafür, dass Frau Fiedler, als sie am Ende des Romans ein bisschen zur Flucht beiträgt, wieder Hoffnung auf eine bessere Zukunft schöpft:

„Alles war möglich in dieser soeben angebrochenen Zeit: Umschwung aller Verhältnisse, auch ihrer eignen, rascher, als man gehofft hatte, dass man noch jung genug war, gemeinsam das Glück zu nutzen nach so viel Bitternis.“ (S. 357)

Was die Parteilichkeit betrifft, so ist zu betonen, dass Wallau Reichstagsabgeordneter der KPD und Hermann Mitglied der Partei gewesen sind. Doch letztendlich spielen sie keine übermäßig große Rolle. Die Akzente werden eher auf das Zusammenarbeiten von unterschiedlichen Menschen gelegt, die veranschaulichen sollen, dass politische Veränderungen durch den Widerstand vom Volk eingeleitet werden können und sollen.

Werden in diesem Roman die historischen Prozesse vereinfacht? Da Seghers darauf aus ist, pädagogisch und anhand einer leicht verständlichen Sprache die tiefen Verstrickungen einfacher Leute mit dem Regime zu verdeutlichen, geht es um eine wahrheitsgetreue Darstellung, die aus didaktischen Gründen nicht übermäßig vereinfacht werden kann.

All diese literarischen Prinzipien, die in den Dienst des Antifaschismus gestellt wurden, erklären, weshalb das Buch in der DDR so hoch geschätzt wurde. Diese Aspekte haben dazu geführt, dass Das siebte Kreuz sowohl zur Fortsetzung als auch zur Gründung eines literarischen Erbes der DDR beigetragen hat.

Bibliografie

Seghers, Anna: Das siebte Kreuz. Aufbau Verlag, Berlin 2012

Seghers, Anna: Über Kunstwerk und Wirklichkeit II. Band I-IV. Herausgegeben von Sigrid Bock. Berlin 1970-1971 (Band I-III), 1979 (Band IV)

Grimm: Die schönsten Märchen. Limitierte Sonderausgabe, Frankfurt am Main 2005

Leis, Mario: Lektüreschlüssel. Anna Seghers. Das siebte Kreuz. Stuttgart 2009

Romero, Christiane: Anna Seghers. Monographie. Hamburg 2001

von Wilpert, Gero: Sachwörterbuch der Literatur. Stuttgart 1989


Informationen zum heiligen Georg gefunden auf: www.heinrich-tischner.de

Die Rede Vaterlandsliebe wurde gefunden auf: http://golm.rz.uni-potsdam.de

 

Pour citer cette ressource :

Aurélie Cachera, "«Das siebte Kreuz» von Anna Seghers als Bestandteil des literarischen Erbes der DDR", La Clé des Langues [en ligne], Lyon, ENS de LYON/DGESCO (ISSN 2107-7029), octobre 2013. Consulté le 02/05/2024. URL: https://cle.ens-lyon.fr/allemand/litterature/rda-et-rfa/litterature-de-rda/das-siebte-kreuz-von-anna-seghers-als-bestandteil-des-literarischen-erbes-der-ddr