12. März 2021 - Union von der Maskenaffäre stark belastet
Die Panik-Union
Anna Clauß, Florian Gathmann, Kevin Hagen und Veit Medick (Spiegel Online, 07/03/2021)
Chaos in der Corona-Politik, die Minister versagen reihenweise: Die Union erlebt ohnehin schon schwere Zeiten. Die jüngsten Skandale um geldgierige Abgeordnete könnten CDU und CSU nachhaltig schaden.
Die eine Nachricht dieses Tages lautet: Die politische Karriere des Nikolas Löbel ist nicht vorbei. Jedenfalls noch nicht. Der junge CDU-Abgeordnete will offensichtlich retten, was zu retten ist. Ein Rückzug auf Raten, das ist seine Idee – trotz des Skandals um seine Maskendeals, der aktuell die Union ins Mark trifft.
Löbel verlasse sofort die Bundestagsfraktion, teilte sein Büro am Vormittag mit. Doch sein Mandat, hieß es, werde er erst am 31. August aufgeben. Ein paar Monate mehr im Parlament können Löbel wohl Tausende Euro an Diäten und Übergangsgeldern bescheren.
Nüßlein und Löbel ziehen weitere Konsequenzen aus Maskenaffäre
kle/qu (dpa, afp rtr) (Deutsche Welle, 08/03/2021)
Durch die Corona-Maskenaffäre stolpern zwei konservative Politiker in ein dunkles Loch: Der CSU-Abgeordnete Nüßlein und sein CDU-Kollege Löbel verlassen ihre Parteien.
Der innerparteiliche Druck muss enorm gewesen sein. Er hat jedenfalls gewirkt. Am Montag traten die Hauptakteure in der Affäre um Politikergeschäfte mit Corona-Masken, der CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein aus dem Wahlkreis Neu-Ulm und der Mannheimer CDU-Bundestagsabgeordnete Nikolas Löbel, aus ihren Parteien aus.
Gegen Nüßlein ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft München wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit im Zusammenhang mit dem Ankauf von Masken. Nüßlein hatte zuerst sein Amt als Vizevorsitzender der Unionsfraktion ruhen lassen. Am Freitag kündigte sein Anwalt dann an, dass sich der 51-Jährige wegen der Korruptionsermittlungen aus der Bundespolitik zurückziehen und bei der Bundestagswahl nicht wieder antreten werde. Seinen Posten in der Fraktion lege er nieder. Nun erklärte er auch den sofortigen Parteiaustritt. Bundestagsabgeordneter will er aber bis zum Ende der Legislaturperiode bleiben.
Sind CDU und CSU besonders korruptionsanfällig?
Katharina Schuler und Jurik Caspar Iser (Zeit Online, 09/03/2021)
Dreimal mutmaßliche Vorteilsnahme in einer Woche: Hat die Union ein strukturelles Problem? Was die Vorwürfe mit der Partei zu tun haben und welche Regeln helfen könnten.
Es hätte besser laufen können für die Union. Am Wochenende stehen gleich zwei wichtige Landtagswahlen an, die ersten im Superwahljahr 2021. Doch statt den politischen Gegner zu attackieren, ist die CDU derzeit vor allem mit sich selbst beschäftigt. In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass zwei Unionspolitiker – der Mannheimer CDU-Abgeordnete Nikolas Löbel und der CSU-Politiker und Fraktionsvize Georg Nüßlein – Provisionen dafür erhalten haben, dass sie bei der Beschaffung von Corona-Schutzmasken vermittelten. Gegen Nüßlein wird nun wegen Korruption und Steuerhinterziehung ermittelt, auch gegen Löbel leitete die Mannheimer Staatsanwaltschaft ein Überprüfungsverfahren ein.
Dealer statt Diener
Kommentar von Cornelius Pollmer (Süddeutsche Zeitung, 08/03/2021)
Die Fälle Löbel, Nüßlein und Amthor vermitteln den Eindruck, Abgeordnete dienten mehr der eigenen Gier als dem Gemeinwohl. Über eine Minderheit, deren Verhalten der gesamten politischen Klasse schadet.
Nikolas Löbel hat viel für seinen neuen Ruf getan, ein Gierlappen zu sein. Als vergangenes Jahr Millionen Menschen auf Balkonen standen, um in Richtung örtlicher Krankenhäuser und Pflegeheime zu applaudieren, fingerte Löbel auf seiner Tastatur herum und schickte über ein Mailkonto des Bundestags an Firmen das Angebot, Verträge über die Beschaffung dringend benötigter Schutzmasken zu vermitteln. Jedoch bot Löbel diese Dienste nicht an als krisenfester Ehrenmann, sondern gegen Provision. Er bot sie an als ein Dealer, nicht als Diener des Volkes.
"Es beginnt damit, dass Abgeordnete zu Jagden eingeladen werden"
Zacharias Zacharakis (Zeit Online, 11/03/2021)
Interview mit dem Historiker Jens Ivo Engels
Der Historiker Jens Ivo Engels hat die großen Korruptionsskandale der Bundesrepublik erforscht. Er sagt, früher war mehr verdeckte Einflussnahme möglich als heute.
Der Historiker Jens Ivo Engels ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der TU Darmstadt. Im Jahr 2019 veröffentlichte er eine umfassende Forschungsarbeit zur Geschichte der Korruption in Deutschland: "Alles nur gekauft? Korruption in der Bundesrepublik seit 1949."
ZEIT ONLINE: Herr Engels, Sie haben die Geschichte der großen und kleinen Korruptionsskandale seit Gründung der Bundesrepublik erforscht. Ist die Union besonders anfällig für solche Affären?