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7. Februar 2020 - Wahldebakel in Thüringen

Publié par Cécilia Fernandez le 07/02/2020

Der Tabubruch

Timo Lehmann (Spiegel Online, 05/02/2020)

Was ist bloß in Thüringen los? Eine Fünfprozentpartei lässt sich von den Rechtspopulisten das Ministerpräsidenten-Amt zuschanzen, die CDU macht mit. Hintergründe eines politischen Bebens.

Und dann ist es passiert. Auf der Besuchertribüne springen Menschen von ihren Sesseln, schockierte Gesichter, Kopfschütteln.

"Schämen sollten Sie sich!", hört man jemanden rufen.

Kameramänner und Fotografen drängeln sich in den Plenarsaal und stürmen auf den frisch gewählten Thüringer Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich von der FDP zu.

"Heuchler", "Scharlatan", "Pfui", solche Worte fallen an diesem Tag im Plenarsaal. Auf den Fluren umarmen sich manche, Tränen fließen. AfD-Abgeordnete stolzieren lächelnd durch die Kantine.

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Kontrollverlust

Christoph Hickmann, Velt Medick und Christian Teevs (Spiegel Online, 05/02/2020)

Die Thüringen-Krise wird zum Test für die CDU-Chefin. Kann sich Kramp-Karrenbauer durchsetzen? Daran entscheidet sich auch die Zukunft der Großen Koalition.

Annegret Kramp-Karrenbauer ist an diesem Tag nicht in Berlin, sie ist in Straßburg, ein Besuch im Europaparlament. Reine Routine, eigentlich. Aber Routine ist jetzt gar nichts mehr, nicht nach diesem Tag. Sie ist mit ihrem Handy beschäftigt, sie tippt, sie telefoniert, bespricht sich mit Vertrauten. Plötzlich gilt es für sie, irgendwie ihre Partei zusammenzuhalten. Und, ja: auch die Große Koalition. Welch eine Entwicklung.

Am Mittag hat sich im Erfurter Landtag der FDP-Politiker Thomas Kemmerich zum neuen Ministerpräsidenten wählen lassen - mit den Stimmen von Björn Höckes AfD und den Stimmen der CDU. Es ist ein Tabubruch, eine Zäsur. Zum ersten Mal haben extrem Rechte darüber entschieden, wer in einem Bundesland die Regierung führt. Und die CDU mit ihrem Landeschef Mike Mohring steckt mittendrin.

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Was man in 24 Stunden alles kaputt machen kann

Kommentar von Martin Machowecz (Zeit Online, 06/02/2020)

Niemand hat bei dem thüringischen Geschacher gewonnen, nicht einmal die AfD. Es wird Monate, vielleicht Jahre dauern, den Schaden zu reparieren.

Wie viel Zerstörung passt in 24 Stunden? Offensichtlich jede Menge. Denn was Thüringen erlebt hat seit jenem Moment, in dem Thomas Kemmerich mit Stimmen von CDU und AfD zum FDP-Ministerpräsidenten dieses Bundeslandes gewählt wurde, ist teils grotesk, teils unglaublich. In jedem Fall geht es an die Substanz der Demokratie.

Natürlich ist es richtig, dass Kemmerich jetzt sein Amt zur Verfügung stellt – auch wenn um den Modus seines Rückzugs gleich wieder erbarmungslos gestritten wird. Aber sein Amtsverzicht kann nicht einfach heilen, was hier kaputtgegangen ist. Der politische Betrieb steht, so schaut es nicht nur für viele Thüringer Wähler aus, als Hau-und-Stech-Gesellschaft da, als tendenziell prinzipienlos und allzeit zur Missgunst bereit. Das ist ein besonders großes Problem in einer Zeit, in der viele Menschen denen ohnehin nicht mehr trauen, die sie vertreten sollen. Alle sind beschädigt, niemand kommt hier unverletzt raus.

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Der verschleppte Rückzug

Detlef Esslinger und Cerstin Gammelin (Süddeutsche Zeitung, 06/02/2020)

Thüringens gewählter Ministerpräsident Thomas Kemmerich will nach eigenen Worten nicht im Amt bleiben, da seiner Wahl der "Makel" der Zustimmung durch die AfD anhängt.
Er erklärt allerdings nicht seinen Rücktritt, was den Weg zu Neuwahlen beschleunigen würde, sondern will sich Mehrheiten für eine Auflösung des Landtages suchen.
AfD und CDU können dies jedoch gemeinsam blockieren und zeigen derzeit keine Bereitschaft für Neuwahlen.

Thomas Kemmerich, der neue FDP-Ministerpräsident von Thüringen, will nach eigenen Angaben sein Amt wieder aufgeben - gibt aber nicht an, wann und wie. In der Erfurter Staatskanzlei sagte Kemmerich am Donnerstagnachmittag: "Der Rücktritt ist unumgänglich, die Auflösung des Landtags ist unumgänglich." Aus seinen weiteren Ausführungen ergab sich jedoch, dass er entweder nicht wörtlich verstanden werden wollte oder aber die einzelnen Schritte noch nicht geplant hat. Zugleich deutete sich am Abend das nächste Zusammenwirken von CDU und AfD an: Der Thüringer CDU-Chef Mike Mohring sprach sich gegen Neuwahlen aus. Da auch die AfD die nicht will, könnten beide Parteien zusammen die Selbstauflösung des Landtags verhindern. Am Abend saß die CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer stundenlang bei der Thüringer CDU-Fraktion; dem Vernehmen nach, um sie umzustimmen. Ergebnisse standen bei Redaktionsschluss noch aus.

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Tausende demonstrieren deutschlandweit gegen Kemmerich-Wahl

mes/dpa (Spiegel Online, 06/02/2020)

In mehreren deutschen Großstädten haben Tausende Menschen gegen die Wahl von Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten protestiert. Die Spontandemonstrationen richteten sich vor allem gegen FDP und AfD.

Nach der von CDU und AfD unterstützten Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten kam es am Abend deutschlandweit zu spontanen Demonstrationen, an denen sich Tausende Menschen beteiligten. Sie kamen in mehreren Thüringer Städten und unter anderem auch in Hamburg, Köln, Leipzig, Düsseldorf und München zusammen. Kemmerich hatte sich im dritten Wahlgang gegen den bisherigen Amtsinhaber Bodo Ramelow (Linke) durchgesetzt.

In Berlin bekundeten mehr als tausend Demonstranten vor den Parteizentralen von FDP und CDU ihren Unmut. Dazu aufgerufen hatten verschiedene politische Gruppen. Vor dem Gebäude der FDP protestierten nach Veranstalterangaben am Abend mehr als 1000 Menschen. Die Polizei ging in der Nacht von 1100 Menschen aus. Vor der CDU-Zentrale wurden demnach etwa 30 Demonstranten gezählt.

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Was folgt nach einem Kemmerich-Rücktritt – und wie sind Neuwahlen möglich?

Albert Funk (der Tagesspiegel, 06/02/2020)

Der FDP-Politiker Thomas Kemmerich will als Ministerpräsident zurücktreten. Der Landtag soll aufgelöst werden. Wie es jetzt in Thüringen weitergehen könnte.

Selten einmal haben sich in Deutschland seit 1949 die Dinge so überschlagen wie in dieser Woche in Thüringen. Nach der umstrittenen Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten am Mittwoch geht es nun am Donnerstag wieder um das Ende der freidemokratischen Ein-Mann-Regierung, die mit den Stimmen der CDU und der AfD ins Amt gekommen ist.

Die aus fünf Abgeordneten bestehende FDP-Fraktion im Erfurter Landtag will jetzt einen Antrag auf Auflösung des Landtags zur Herbeiführung einer Neuwahl stellen. Das teilte sie am Donnerstag mit. Kemmerich will zudem sein Amt aufgeben. Bei einer Pressekonferenz sagte er: „Der Rücktritt ist unumgänglich.“

Was folgt nun? Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten:

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CDU-Spitze nach Thüringen-Eklat: Neuwahlen "der klarste Weg"

dpa (Zeit Online, 07/02/2020)

Berlin/Erfurt (dpa) - Die CDU-Bundesspitze hat SPD und Grüne in Thüringen aufgerufen, die Wahl eines neuen Ministerpräsidenten mit der Nominierung eines Kompromisskandidaten zu ermöglichen.

Nach dem Eklat um die Wahl des amtierenden Regierungschefs Thomas Kemmerich (FDP) mit den Stimmen der AfD forderte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer am Freitag in Berlin im Namen der Parteispitze, schnell für stabile und klare Verhältnisse zu sorgen. Wenn der Versuch scheitere, dies innerhalb des Parlaments zu erreichen, seien Neuwahlen unausweichlich.

«Wir sind nach wie vor im Präsidium der Meinung, dass Neuwahlen dafür der klarste Weg sind», hieß es in dem Beschluss der Parteispitze. Grüne und SPD in Thüringen wehrten den Vorschlag der CDU jedoch prompt ab.

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