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17. Januar 2020 - Debatte um die Organspende

Publié par Cécilia Fernandez le 17/01/2020

Widerspruch oder bewusste Entscheidung?

Christina Berndt, Henrike Roßbach (Süddeutsche Zeitung, 16/01/2020)

Der Bundestag entscheidet am Donnerstag darüber, wie die Organspende in Deutschland in Zukunft aussehen soll. Hier können Sie die Debatte im Livestream verfolgen.
Gesundheitsminister Spahn befürwortet die Widerspruchslösung, nach der jeder Bürger automatisch Spender ist - es sei denn er widerspricht.
Dem steht ein Vorschlag der Grünen-Chefin Annalena Baerbock entgegen, wonach die Organspende eine "bewusste und freiwillige Entscheidung" sein müsse.
Da die Fraktionsdisziplin aufgehoben ist und sich die unterschiedlichsten Unterstützer hinter die Vorschläge sammeln, ist nicht klar, wie die Entscheidung aussehen wird.

Schon die Gesetzentwürfe sehen ungewöhnlich aus. Lange Namenslisten füllen die ersten anderthalb Seiten der Drucksachen 19/11096 und 19/11087. Aufgelistet sind die Abgeordneten, die den jeweiligen Entwurf unterstützen, und es sind nicht nur sehr viele, sie gehören auch unterschiedlichen Parteien an. Am kommenden Donnerstag wird über die Reform der Organspende abgestimmt. Ohne Fraktionszwang.

Zwei überparteiliche Entwürfe stehen zur Wahl. Die "doppelte Widerspruchslösung im Transplantationsgesetz" und das Gesetz "zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende". Der erste Entwurf ist der des Gesundheitsministers. Zusammen mit seinen Mitstreitern macht sich Jens Spahn (CDU) dafür stark, dass künftig jeder als Organspender gilt - es sei denn, "es liegt ein erklärter Widerspruch oder ein der Organ- oder Gewebeentnahme entgegenstehender Wille vor". Für die Dokumentation der Erklärungen soll ein Register geschaffen werden. Den Angehörigen steht, außer bei Minderjährigen, "kein eigenes Entscheidungsrecht zu". Sie sollen nur gefragt werden, ob ihnen ein Widerspruch bekannt ist.

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Darum geht es im Streit über die Widerspruchslösung

Heike Le Ker (Spiegel Online, 15/01/2020)

Am Donnerstag entscheidet der Bundestag über die Zukunft der Organspende. Worum geht es? Und was würde sich ändern? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wenn die 709 Abgeordneten des Bundestages am Donnerstag darüber abstimmen, wie zukünftig die Organspende in Deutschland geregelt sein soll, sind sie vom Fraktionszwang entbunden. Sie sollen sich also nicht danach richten, was ihre Partei vorgibt, sondern allein ihrem Gewissen folgen. Zwei Gesetzentwürfe haben Aussicht auf Erfolg: die doppelte Widerspruchslösung und die Entscheidungslösung. Kommt kein Antrag durch, bleibt erst mal alles beim Alten.

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Deutschland bei Neuregelung der Organspende gespalten

mho (Spiegel Online, 16/01/2020)

Spiegel-Umfrage

Wer nicht widerspricht, soll im Fall eines Hirntods seine Organe spenden: Gesundheitsminister Spahn will das zum Gesetz machen. Die Neuregelung stößt einer Umfrage zufolge auf geteiltes Echo.

Das Vorhaben von CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn ist umstritten: Jeder, der zu Lebzeiten nicht offiziell widerspricht, würde im Falle eines Hirntods potenzieller Organspender - es sei denn, die Angehörigen wissen, dass er dies nicht wollte. Dieses Gesetzesvorhaben wird am morgigen Donnerstag im Bundestag debattiert.

Es könnte ab 2022 in Kraft treten. Ziel des Ministers: die Zahl der Organspenden zu erhöhen. Denn Deutschland ist bei der Bereitschaft international auf den hinteren Rängen.

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Organspende: Bundestag lehnt Widerspruchslösung ab

Astrid Prange (Deutsche Welle, 16/01/2020)

Die große Reform kommt nicht. Der Bundestag hat einen Gesetzesentwurf abgelehnt, der die Zahl der Organspenden erhöhen sollte. Auch künftig braucht es hierzu die bewusste Einwilligung möglicher Spender.

Die Operation dauert acht Stunden. Als Oliver Weber nach eineinhalb Tagen aus dem künstlichen Koma erwacht, überkommt ihn eine unbändige Energie. "Es war ein ganz irres Gefühl, ich fühlte mich glückselig, voller Energie", erinnert er sich.

Kurz zuvor war noch alles ganz anders. Der damals 47-Jährige kämpfte ums Überleben. Aufgrund einer seltenen Autoimmunerkrankung seiner Leber, genannt Primär sklerosierende Cholangitis (PSC), fing sein Körper an, zu vergiften. Seine Haut färbte sich gelb, eine extreme Schwäche übermannte ihn.

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Darum ist die Widerspruchslösung bislang immer gescheitert

Kim Björn Becker (FAZ, 16/01/2020)

An diesem Donnerstag entscheidet der Bundestag, ob die Organspende auch ohne die Zustimmung des Spenders möglich sein soll. Es gab bereits mehrere Versuche, die Widerspruchslösung einzuführen.

Ulla Schmidt hat den Wagen gleich vor der Tür geparkt, sie tritt durch die Glastür herein und ist erst einmal irritiert. „Ist ja übersichtlich hier“, sagt Schmidt. Der Blick der Sozialdemokratin geht durch das Foyer des Bürgersaals von Roetgen, der Ort liegt ein paar Kilometer südöstlich ihrer Heimatstadt. Im Wahlkreis Aachen I haben die Bürger sie drei Mal hintereinander direkt in den Bundestag gewählt, zuletzt musste es – wie ganz am Anfang – über die Landesliste klappen. Seit 1990 sitzt Ulla Schmidt für die SPD im Parlament, es ist ihre letzte Amtszeit. Schmidt ist jetzt 70, bei der nächsten Wahl tritt sie nicht mehr an. Doch noch ist sie mittendrin, und deshalb ist sie an einem Samstagmorgen die paar Kilometer nach Roetgen hinausgefahren, um mit den Bürgern über Organspende zu diskutieren. In zwei Reihen haben sie 22 Stühle aufgestellt, der Bürgermeister ist gekommen, ein paar Interessierte, manche Plätze bleiben leer. Es ist vier Minuten vor elf, eigentlich sollten auch die Mitglieder des örtlichen Jugendbeirats da sein, auf deren Initiative hin die Diskussionsrunde zustande gekommen war, doch die haben verschlafen, es vergessen oder einfach anderes zu tun. Also kann es auch losgehen, findet Ulla Schmidt. Sie tritt ans Pult und klatscht einmal laut in die Hände: „So!“

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Bundestag lehnt Widerspruchslösung für Organspenden ab

Kim Björn Becker (FAZ, 16/01/2020)

Angesichts Tausender todkranker Menschen auf den Wartelisten sollen in Deutschland dauerhaft mehr Organe gespendet werden. Der Bundestag hat nun gegen einen radikalen Neustart gestimmt.

Der Bundestag hat die Einführung einer Widerspruchslösung für Organspenden in Deutschland abgelehnt. Der Entwurf einer Abgeordnetengruppe um Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), nach dem jeder Mensch bis auf Widerruf als Organspender gelten soll, fand am Donnerstag keine Mehrheit. Gegen den Gesetzentwurf stimmten 379 Parlamentarier, 292 stimmten dafür. Drei Abgeordnete enthielten sich.

Dagegen fand ein zweiter Gesetzentwurf, den unter anderem die Parteivorsitzende der Grünen, Annalena Baerbock, unterstützt hatte, die Zustimmung einer Mehrheit der Abgeordneten. Diesem zweiten Entwurf zufolge soll die bisherige Zustimmungslösung im Kern bestehen bleiben, eine Organentnahme bleibt also an das Einverständnis des Spenders zu Lebzeiten oder alternativ der Angehörigen gebunden. Dafür sollen die Bürger häufiger auf das Thema Organspende angesprochen werden, zum Beispiel regelmäßig vom Hausarzt oder wenn sie einen neuen Personalausweis abholen. Für die Reform stimmten 382 Abgeordnete, dagegen waren 261, weitere 28 enthielten sich.

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Bundestag stimmt für moderate Organspende-Reform

Zeit Online / dpa / stü (Zeit Online, 16/01/2020)

Eine Mehrheit der Abgeordneten hat sich für eine erweiterte Zustimmungslösung in der Organspende ausgesprochen. Die doppelte Widerspruchslösung wurde abgelehnt.

Der Bundestag hat für einen Gesetzentwurf unter anderem der Grünenchefin Annalena Baerbock und der Linkenvorsitzenden Katja Kipping zur Neuregelung der Organspende gestimmt. In der entscheidenden dritten Lesung votierten 432 Abgeordnete dafür, 200 stimmten dagegen, 37 enthielten sich. Damit bleiben Organspenden in Deutschland nur mit ausdrücklich erklärter Zustimmung erlaubt.

Bürger sollen künftig mindestens alle zehn Jahre direkt auf das Thema angesprochen werden. Wer ab dem Alter von 16 Jahren einen Personalausweis beantragt, ihn verlängert oder sich einen Pass besorgt, soll auf dem jeweiligen Amt Informationsmaterial bekommen. Beim Abholen soll man sich dann vor Ort oder auch später zu Hause in ein neues Onlineregister eintragen können – mit Ja oder Nein. Selbst beraten sollen Ämter ausdrücklich nicht.

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"Es ist ein Wettlauf mit dem Tod, und man weiß nicht, wer schneller sein wird"

Aufgezeichnet von Barbara Hans (Spiegel Online, 16/01/2020)

Marc Bargmann bekam vor elf Jahren ein neues Herz. Von wem, weiß er bis heute nicht. Hier erzählt er, wie er die Zeit damals erlebt hat - und was er über die aktuelle Organspende-Debatte denkt.

Der erste Kontakt zu Marc Bargmann ist mehr als elf Jahre her. In seiner ersten Mail im Herbst 2008 schrieb er: "Da ich im Moment auf einer Halbintensivstation liege und diese nicht verlassen darf, müssten wir uns dann quasi an meinem Krankenbett kennenlernen. Ich hoffe, das ist Ihnen nicht unangenehm. Sie können versuchen, mich mobil zu erreichen, aber mein Empfang in diesem Bunker ist manchmal ziemlich schlecht." Der Bunker war die Uniklinik Hannover; Bargmann, zweifacher Vater, damals 37 Jahre alt, wartete dort auf ein neues Herz und eine neue Lunge, und seine Chancen waren schlecht. Wir trafen uns mehrmals in der quälenden Zeit des Wartens und nach der Transplantation, der Text erschien 2009. Hier blickt Bargmann zurück:

"Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als mir die Ärzte 2008 sagten: 'Wenn Sie leben wollen, kommen sie um eine Herz-Lungen-Transplantation nicht herum.'

Damals war ich sehr schnell dabei: 'Dann soll es so sein', dachte ich. Einige Tage zuvor hatte ich diese Welt bereits um ein Haar verlassen, mein Herz stand still, nur dank eines umsichtigen Pflegers hatte ich überlebt. Das hatte mich damals schon irgendwie erschreckt.

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"Der mutmaßliche Wille zählt"

Nina von Hardenberg (Süddeutsche Zeitung, 16/01/2020)

In Österreich werden verhältnismäßig mehr Organe transplantiert. Transplantationsreferent Stephan Eschertzhuber erklärt, warum das so ist - und wovor die meisten Menschen immer noch Angst haben.

Der Bundestag will am diesem Donnerstag über eine Neuregelung der Organspende entscheiden. Beobachter erwarten eine engagierte knapp dreistündige Debatte, da die Reform ethisch brisant und die Entscheidung bis zuletzt völlig offen ist. Der Fraktionszwang ist aufgehoben. Den Abgeordneten liegen zwei konkurrierende Gesetzentwürfe vor, zu denen sich die jeweiligen Befürworter am Mittwoch nochmals klar positionierten. Beide Initiativen verfolgen dasselbe Ziel: Die in Deutschland niedrige Zahl an Organspendern zu erhöhen.

SZ: Herr Eschertzhuber, in Österreich gilt die Widerspruchsregelung, aber nur 0,5 Prozent der Bevölkerung haben sich in das Widerspruchsregister eingetragen. Der Rest ist also bereit zur Spende?

Nein, garantiert nicht. Die wenigsten tragen sich ein. Viele kennen die Regel vermutlich auch nicht.

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