03. September 2020 - „Querdenkende“ oder „Anti-Demokraten“? Die besorgniserregende Allianz der Extreme
Bundesregierung beklagt "schändliche Bilder" bei Protesten in Berlin
mes/flo/AFP (Spiegel online, 31/08/2020)
Regierungssprecher Seibert hat die Aktion von Rechtsextremen und Mitläufern am Reichstag scharf verurteilt. Er dankte zudem der "überwiegenden Mehrheit der 83 Millionen Menschen in diesem Land", die sich in der Pandemie "vernünftig verhalten".
Hunderte Rechtsradikale und Mitläufer haben am Samstag in Berlin die Absperrungen vor dem Reichstagsgebäude in Berlin durchbrochen - und damit scharfe Kritik aus der Politik auf sich gezogen. "Wir haben am Wochenende ein Beispiel dafür erlebt, wie aus einer Demonstration heraus von einigen die Demonstrationsfreiheit missbraucht worden ist", sagte nun der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert. "Das Ergebnis waren schändliche Bilder am Reichstag, die so nicht hinzunehmen sind."
Das Volk nicht verbannen
Oliver Georgi (Frankfurter Allgemeine Zeitung online, 01/09/2020)
Mit einer Bannmeile auf die Respektlosigkeit gegenüber dem Bundestag zu reagieren, wäre das falsche Signal. Damit würden nur Vorurteile bestätigt, das Parlament schotte sich ab.
Die Bilder haben sich dem kollektiven Gedächtnis schon eingebrannt: Rechtsextreme, „Reichsbürger“ und deren Mitläufer durchbrechen bei der Corona-Demonstration am Samstag in Berlin die Absperrung vor dem Reichstag und stehen wenig später triumphierend auf den Stufen des Parlaments.
Verglichen mit den Zehntausenden, die in der Hauptstadt auf die Straße gingen, waren es nur wenige hundert. Doch in einer Zeit, in der Botschaften auch und gerade über Bilder in den sozialen Netzwerken transportiert werden, hat die überschaubare Gruppe ihr Ziel erreicht: Wenn Deutschland über die Demonstration spricht, spricht es fast nur noch über dieses Bild.
Muss man das aushalten?
Frédéric Valin (Die Tageszeitung online, 01/09/2020)
Die Proteste vom Wochenende müsse eine Demokratie wegstecken, behaupten manche. Das ist zynisch, wo sich doch Risikogruppen seit Monaten isolieren.
Der bequemste Satz dieser Tage ist wohl: „Das wird eine Demokratie aushalten müssen.“ Er fiel sehr oft im Zusammenhang mit den Demonstrationen gegen Coronamaßnahmen vom vergangenen Wochenende. Das sei zwar alles ärgerlich und störend und bizarr, aber auch legitim. Wer aber sind die Leute, die diesen Satz sagen? Nach meiner Privatempirie sind das in erster Linie Menschen, die selbst nicht allzu viel auszuhalten haben. Für sie bleibt die Gewalt, die von diesen Demonstrant'innen ausgeht, eine abstrakte, theoretische Frage.
Reichsbürger trifft Impfskeptiker
Claudia Henzler (Die Süddeutsche Zeitung online, 31/08/2020)
Welche Organisationen die Corona-Demonstration in Berlin unterstützt haben - und was sie verbindet.
Die Corona-Demonstrationen in Berlin am Wochenende wurden hauptsächlich von der Initiative "Querdenken 711" aus Stuttgart organisiert, daneben haben aber auch die Neonazi-Partei "III. Weg", NPD und AfD zur Teilnahme aufgerufen. Offen rechtsextreme und rechtspopulistische Gruppen bildeten allerdings nur einen kleinen Teil der Menge, die sich bei der Kundgebung gegen die Corona-Politik versammelte. Um die Symbolvielfalt von der Regenbogen- über die Deutschlandflagge bis zum "Q" zu verstehen, lohnt ein Blick auf das Netzwerk rund um "Querdenken 711".