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27. Juni 2019 - Wiederbeleben der rechten Szene und Widerstand in Deutschland

Publié par Cécilia Fernandez le 28/06/2019

Bürger kaufen Biervorräte aus Protest gegen Neonazis auf

frez. / epd / dpa (FAZ, 22/06/2019)

Eigentlich galt sowieso Bierverbot für die Neonazis, doch die Bürger im sächsischen Ostritz gingen auf Nummer sicher. Den für ein Festival angereisten hunderten Rechtsextremisten kauften sie den Alkohol im örtlichen Supermarkt weg.

Als Protest gegen das Neonazi-Festival „Schild und Schwert“ haben am Samstag Bürger aus Ostritz mehr als 100 Kästen Bier in einem Supermarkt aufgekauft. Die Mitglieder des Internationalen Begegnungszentrums des Klosters Sankt Marienthal verluden die Kisten auf einen Anhänger und transportierten das Bier weg. Neonazis schauten der Aktion zu.

Bei dem zum vierten Mal stattfindendem Rechtsrock-Festival auf dem Gelände des „Hotel Neißeblick“ hatten sich laut Polizei zwischen 500 und 600 Teilnehmer versammelt. Dazu wurden etliche Bands aus der extremen Rechtsrock-Szene erwartet. Vor der Veranstaltung war mit 750 Teilnehmern gerechnet worden.

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Ostritzer kaufen rechten Festivalbesuchern Biervorräte weg

dpa / aba (Berliner Morgenpost, 23/06/2019)

Ein nüchternes Wochenende feiern Nazis in Sachsen. Ihr Festival ist alkoholfrei. Die Biervorräte des Supermarkts kauften die Anwohner.

Ostritz.  Das rechtsextreme Schild und Schwert Festival im ostsächsischen Ostritz fand an diesem Wochenende zwar statt, die Rechten mussten jedoch auf dem Trockenen feiern. Am Freitag konfiszierte die Polizei sämtliche Biervorräte auf dem Gelände. Zuvor hatte das Verwaltungsgericht Dresden ein Alkoholverbot als Auflage des Landkreises Görlitz für das Festival bestätigt.

Damit sich die Rechtsradikalen nicht außerhalb des Festivalgeländes betanken können, schritten die Ostritzer in einer Gemeinschaftsaktion mit dem Internationalen Begegnungszentrums St. Marienthal (IBZ) zur Tat: Sie kaufen die gesamten Biervorräte des heimischen Supermarktes auf, um die 100 Kästen, um sie zu Hause und in der Begegnungsstätte zu lagern.

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Der Boden ist bereitet

Kommentar von Katharina Iskandar (FAZ, 21/06/2019)

Kassel, Köln, Altena: Die rechtsextreme Szene fühlt sich stark. Die Behörden haben die Gefahr von rechts offenbar übersehen. Der Verfassungsschutz verstrickt sich in Widersprüche.

Würde man den Fall des getöteten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke in einigen Wochen mit ein wenig Abstand genauer analysieren, wüsste man nicht, wo er eigentlich anfängt und wo er aufhört, wo er seinen Ursprung hatte und was aus dem folgt, was viele schon jetzt als „Lehren“ aus diesem Fall bezeichnen. Ein Tötungsdelikt aus mutmaßlich politischen Motiven zählte schon immer zu den schlimmsten aller gesellschaftlichen Verbrechen, weil es zeigt, wie verroht eine Gesellschaft in ihrem Kern sein kann. Aber dieser Fall offenbart noch vieles mehr.

Mit den Linksterroristen der RAF und den Rechtsterroristen des NSU gab es schon in der Vergangenheit Gruppierungen, die den Staat, die Sicherheitsbehörden, aber auch die Gesellschaft auf brutale Weise herausgefordert haben. Nie aber wurde der Nährboden dieser Entwicklungen so deutlich wie in diesem Fall. Noch ist unklar, aus welchem konkreten Motiv der CDU-Politiker getötet wurde, und der frühere Kasseler Rechtsextremist Stephan E. ist bisher nicht mehr als ein Tatverdächtiger, der ein Recht hat auf eine juristische Aufarbeitung des Falls. Aber die Hass-Kommentare, die zu Tausenden im Internet zu finden sind und das Opfer in einer unerträglichen Art und Weise verhöhnen, stehen für sich. Zur Tagesordnung überzugehen wäre deshalb fatal.

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Stephan E. gesteht Mord an Walter Lübcke

Florian Flade, Georg Mascolo und Ronen Steinke (Süddeutsche Zeitung, 26/06/2019)

Der tatverdächtige Stephan E. hat den Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke gestanden - das teilte nach Informationen von NDR, WDR und SZ der Generalbundesanwalt den Mitgliedern des Bundestags-Innenausschusses mit.
Grund für die Tat sei Stephan E.s Empörung über Lübckes Äußerungen zur Aufnahme von Geflüchteten im Jahr 2015 gewesen.
E. behauptet, er habe alleine gehandelt und keine Mittäter und Mitwisser gehabt.
Dem Generalbundesanwalt zufolge sind "viele Asservate" bei Stephan E. beschlagnahmt worden.
Innenminister Seehofer betonte, damit sei die "Aufklärung dieses politischen Mordes noch nicht abgeschlossen".

Der tatverdächtige Stephan E. hat den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke gestanden. In einer Vernehmung am Dienstag gab er zu, den CDU-Politiker erschossen zu haben. Das teilte der Generalbundesanwalt nach Informationen von NDR, WDR und SZ den Mitgliedern des Bundestags-Innenausschusses mit. Der Kasseler Regierungspräsident Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni auf der Terrasse seines Wohnhauses im hessischen Wolfhagen-Istha niedergeschossen worden. Die Bundesanwaltschaft stuft das Verbrechen als politisches Attentat mit rechtsextremem Hintergrund ein.

E. behauptet, er habe alleine gehandelt und keine Mittäter und Mitwisser gehabt. Die Polizei hat allerdings Hinweise auf weitere Täter. Bundesinnenminister Horst Seehofer sprach am Rande der Sondersitzung des Innenausschusses von einem schnellen Ermittlungserfolg, betonte aber: "Damit ist die Aufklärung dieses politischen Mordes noch nicht abgeschlossen."

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Ein Geständnis, viele offene Fragen

Kai Biermann, Christian Fuchs, Astrid Geisler, Anton Maegerle, Daniel Müller, Yassin Musharbash, Karsten Polke-Majewski, Martin Steinhagen und Fritz Zimmermann (Zeit Online, 26/06/2019)

Ermordete Stephan E. Walter Lübcke allein, wie er selbst behauptet? Die Ermittler bleiben skeptisch. Sie prüfen, ob E. Teil einer rechtsterroristischen Gruppe war.

Stephan E. hat gestanden. Er habe Walter Lübcke am 2. Juni erschossen, den Regierungspräsidenten von Nordhessen. Die Tat habe er allein geplant und allein ausgeführt. So hat es E. den Ermittlern am späten Dienstagnachmittag gesagt. Die aber bleiben skeptisch. Der Generalbundesanwalt ermittelt nach wie vor, ob E. Mittäter hatte. Die Einzeltäterthese sei nicht sein Ansatz, sagte Generalbundesanwalt Peter Frank am Mittwoch im Innenausschuss des Bundestages. Auch, welche Kontakte E. in die rechtsextreme Szene pflegte und was ihn vielleicht mit den Mördern des NSU verbindet, will Frank wissen. Für die Ermittler bleibt das Geständnis vorerst nur ein Baustein, von dem sich erst noch erweisen muss, wie viel Wahrheit es enthält.

Der Fall Lübcke ist also längst noch nicht aufgeklärt. "Das ist mitnichten das Ende der Ermittlungen", sagte Thomas Beck von der Generalbundesanwaltschaft im Innenausschuss des hessischen Landtages. "Die Arbeit fängt jetzt erst richtig an." Inzwischen forschen fünf Staatsanwälte der Bundesanwaltschaft nach Antworten, dazu die auf 80 Beamte aufgestockte Sonderkommission Liemecke des hessischen Landeskriminalamts.

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Kommentar: Der Fall Lübcke muss ein Weckruf sein

Fabian von der Mark (Deutsche Welle, 27/06/2019)

Deutschland muss dem Kampf gegen Rechtsextremismus nach dem Mord an Walter Lübcke höchste Priorität einräumen. Die Gefahr ist größer geworden, jetzt muss auch die Gegenwehr größer werden, meint Fabian von der Mark.

Ein deutscher Politiker wird wegen seiner Haltung von Rechtsextremisten umgebracht. Was Deutschland vor fast hundert Jahren mit der Ermordung von Walther Rathenau erlebt hat, wiederholt sich im Jahr 2019: Walter Lübcke wird von einem Mann erschossen, der für seine Ideologie und seine Gewalttätigkeit bekannt war. Lübcke wurde bedroht, aber nicht geschützt. Was für eine Tragödie.

So groß die Erschütterung über den Mordfall Lübcke ist - wirklich überrascht kann in Deutschland niemand sein. Es gab in den Jahren 2000 bis 2007 die zehn Morde des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), einer rechten Terrororganisation die vor allem Migranten zum Ziel hatte. Es gab Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und Mordversuche an Politikern.

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"Eine Stadt ist durchgerüttelt worden"

Gastbeitrag von Horst Seidenfaden (Spiegel Online, 27/06/2019)

Braune Vergangenheit: Das rechtsextreme Attentat auf Walter Lübcke hat Kassel erschüttert. Und es weckt Erinnerungen an das Wüten des NSU in der Stadt - und Kassels unrühmliche Zeit unter den Nazis.

Mein Bruder Manfred trifft sich nach der Arbeit gern mit Freunden im Grill 30. Das ist ein kleiner Imbiss mit winziger Terrasse im Kasseler Stadtteil Forstfeld. Der Stadtteil, in dem auch ich geboren wurde. Der Stadtteil, in dem Stephan Ernst, der mutmaßliche Mörder von Walter Lübcke, lebte.

Viele der Jungs vom Grill kennen Stephan Ernst. Vom Einkaufen im Edeka. Oder man sah ihn beim Bäcker nebenan. Schon der Mord an Lübcke wurde oft diskutiert, die Betroffenheit nun, nachdem klar ist, dass einer aus der Nachbarschaft nicht nur ein möglicher Mörder, sondern auch nachgewiesenermaßen ein ausgewiesener Neonazi ist, ist noch deutlich höher.

Als der Kasseler Halit Yozgat im April 2006 vom "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) in seinem Internetcafé hingerichtet wurde, war das in der Runde kein Thema dieser Dimension. Was auch daran lag, dass anfangs ja nicht klar war, dass es die Tat von Neonazis war.

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