03. Mai 2019 - Merkels Besuch in Afrika
Terrorismus und kein Ende: Merkel reist in den Sahel auf der Suche nach Stabilität
Michaela Küfner (Deutsche Welle, 30/04/2019)
Bundeskanzlerin Angela Merkel reist nach Afrika, um den Sahel-Ländern im Kampf gegen den Terrorismus den Rücken zu stärken. Als Teil der UN-Mission MINUSMA hat auch Deutschland Soldaten in Mali.
Bundeskanzlerin Angela Merkel will auf ihrer knapp dreitägigen Reise nach Burkina Faso, Mali und Niger in erster Linie Deutschlands "intensives Interesse" daran zeigen, dass sich die G5-Sahel-Staaten stabilisieren. Das betonte Regierungssprecher Steffen Seibert am Dienstag, dem Vortag der Abreise. Wie wichtig die Stabilität der Region für Europa ist, lässt sich leicht daran ablesen, dass die Europäische Union für den Zeitraum 2017 bis 2021 rund eine Milliarde Euro an Entwicklungshilfe zugesagt hat. Hinzu kommt das militärische Engagement der EU im Einsatz gegen Terroristen. Zu den G5-Staaten gehören neben Burkina Faso, Mali und Niger - den Ländern auf Merkels Programm - auch Mauretanien und Tschad.
Gleich zu Beginn ihrer Reise wird die Bundeskanzlerin in Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, die Staatschefs aller G5-Länder zum gemeinsamen Gespräch treffen. Die G5 kämpfen unter ständigem Druck von Terror und Gewalt zumeist darum, so etwas wie staatliche Kontrolle über ihre Territorien zu erlangen. Ein Anschlag auf eine evangelische Kirche in Norden von Burkina Faso mit sechs Toten nur drei Tage vor Merkels Ankunft ist nur der letzte in einer Serie von Angriffen, zumeist durch islamistische Terroristen. Seit zwei Jahren versuchen die G5 den Dschihadisten mit einer gemeinsamen Einsatztruppe etwas entgegenzusetzen. Bereits 2015 beschlossen sie die sogenannte "Force Conjointe" mit 5000 Soldaten aufzustellen um vor allem die Grenzregionen besser kontrollieren zu können. Doch der Aufbau der Truppe kommt nur schleppend voran, trotz umfangreicher internationaler Unterstützung von rund 400 Millionen Euro, davon 100 Millionen Euro aus Europa.
Merkel sichert Sahel-Ländern Unterstützung für mehr Stabilität zu
stu/kle dpa/afp (Deutsche Welle, 01/05/2019)
Kanzlerin Angela Merkel ist in Burkina Faso eingetroffen. In der Hauptstadt Ouagadougou sagte sie dem Land und weiteren Staaten der Sahel-Zone die Hilfe Deutschlands im Anti-Terror-Kampf zu.
Burkina Faso stehe auch angesichts eines Bevölkerungswachstums von drei Prozent und der sich verschlechternden Sicherheitslage vor großen Herausforderungen, sagte Angela Merkel nach einem Gespräch mit Staatspräsident Roch Marc Kaboré in Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso. Deutschland stehe bei der Kooperation im Sicherheitsbereich an der Seite des westafrikanischen Landes. Waffenlieferungen lehnte die Kanzlerin aber weiterhin ab.
Merkel hob hervor, Unruhen und die schlechtere Sicherheitslage hätten auch mit der Krise in Libyen und der Entwicklung im Sudan zu tun. Kaboré verlangte von Europa eine gemeinsame Haltung zur Krise in Libyen. Die libysche Frage müsse dringend gelöst werden, sonst werde sich die Bedrohung noch weiter verschärfen - etwa durch den Waffenschmuggel in die Region.
Merkel besucht die nächste Krisenregion
Donata Riedel (Handelsblatt, 30/04/2019)
Die Bundeskanzlerin reist nach Burkina Faso, Mali und Niger. Diesmal ohne Wirtschaftsdelegation, denn es geht vorrangig um Sicherheit und Staatsaufbau.
Berlin. Bei ihren bisherigen Reisen auf den afrikanischen Kontinent standen stets Wirtschaftsbeziehungen im Mittelpunkt: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich nach der Flüchtlingskrise fest vorgenommen, Fluchtursachen vor allem durch eine Stärkung der Wirtschaft vor Ort zu mildern. Mitreisende Unternehmerdelegationen unterstrichen stets ihr Ziel, die deutsche Entwicklungshilfe vorrangig auf den Aufbau von Firmen, auf Ausbildung, Produktion vor Ort und Handel neu auszurichten.
Wenn Merkel am 1. Mai erneut nach Afrika aufbricht, ist ihr Fokus jedoch ein komplett anderer: Diesmal geht es nicht in die Herkunftsländer von Migranten aus Westafrika, wie Ghana, Senegal, Marokko oder Algerien, sondern in die „Transitstaaten“ der Sahel-Region. Merkel wird auf ihrer dreitägigen Reise Burkina Faso, Mali und Niger besuchen.
Warum Merkels Engagement nicht unbedingt für Entwicklung sorgt
Nico Fried (Süddeutsche Zeitung, 01/05/2019)
Afrika ist ein Schwerpunkt von Merkels Außenpolitik geworden.
Doch gerade in der Sahel-Region zeigt sich, dass ein verstärktes Engagement Deutschlands nicht mit einer Verbesserung der Situation vor Ort einhergeht.
Der größte entwicklungshemmende Faktor ist die instabile Sicherheitslage - vor allem in der Sahel-Region.
Ein paar Zahlen machen deutlich, wie sich Angela Merkels Aufmerksamkeit für Afrika verändert hat. Zwischen Juli 2011 und Oktober 2016 setzte die Kanzlerin mehr als fünf Jahre lang keinen Fuß auf den Boden eines afrikanischen Landes. Nachdem die Migrationspolitik 2015 in den Vordergrund gerückt war, änderte sich das nahezu schlagartig: Wenn Merkel Ende dieser Woche, vorbehaltlich etwaiger Probleme der Flugbereitschaft, von einer dreitägigen Reise durch Burkina Faso, Mali und Niger zurückkehrt, hat sie in zweieinhalb Jahren insgesamt zwölf afrikanische Staaten besucht, drei davon sogar zweimal.
Afrika ist ein Schwerpunkt von Merkels Außenpolitik geworden. Und fast drängt sich die Faustregel auf: Je ärmer ein Land, desto mehr Beachtung schenkt ihm die Kanzlerin. Im Bericht der Vereinten Nationen zur menschlichen Entwicklung belegen Mali Rang 182, Burkina Faso Rang 183 und Niger den letzten Platz (189). Doch den nigrischen Präsidenten Mahamadou Issoufou trifft Merkel am Donnerstag nicht nur zum zweiten Mal in Niamey, sie begegnete ihm in den vergangenen Jahren auch auf dem EU-Afrika-Gipfel in Abidjan und bei einem internationalen Friedenstreffen in Münster, sie sprach mit ihm in Paris, empfing ihn auf Schloss Meseberg - und dazu schon zweimal im Kanzleramt.
BRD for Africa
Martin Knobbe (Spiegel Online, 02/05/2019)
Mit ihrer Reise nach Westafrika unterstreicht Kanzlerin Merkel, wie wichtig ihr die Unterstützung der ärmsten Länder der Welt ist. Doch in der drängenden Frage nach mehr Sicherheit in der Region kann Deutschland nur begrenzt helfen.
Ein rundes Auditorium an der Universität zu Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, die Studenten stehen von ihren Sitzen auf und klatschen, als Angela Merkel die Bühne betritt. Ein kurzer Moment der höflichen Etikette nur, denn gleich die erste Frage eines jungen Mannes ist schonungslos: "Die Terroristen ermorden uns mit Waffen, die in Ländern wie Frankreich, Deutschland, China und Russland hergestellt werden", sagt der Student in fast perfektem Deutsch. "Wie kann das sein?"
Die deutsche Kanzlerin holt zu einer längeren Antwort aus. Viele der Waffen stammten aus Libyen, einem Land ohne stabile Staatlichkeit, das sei ein großes Problem. Deutschland sei sehr restriktiv mit dem Export von Waffen, trotzdem könne man nicht verhindern, dass sie in falsche Hände gerieten. Andererseits müsse ein Land wie Burkina Faso auch ausreichend Waffen haben, um sich gegen die Terroristen zu verteidigen. "Wie also sollen wir uns diesen Ländern gegenüber verhalten?", fragt die Kanzlerin und beschreibt damit das Dilemma, in dem sie auf dieser Reise steckt: Deutschland will den ärmsten Ländern dieser Welt helfen, das soll die Botschaft ihres Besuches sein. Doch gerade da, wo am dringendsten Hilfe benötigt wird, ist Deutschlands Einfluss beschränkt. "Wir sind in der Sicherheitsunterstützung schwächer als andere", sagt Merkel zu den Studenten.
Ein willkommener Gast
Helene Bubrowski (FAZ, 02/05/2019)
Mit Angela Merkel besucht zum ersten Mal ein deutscher Regierungschef Burkina Faso. Die Region ist längst ein Schwerpunkt ihrer Außenpolitik geworden – und die Kanzlerin wird herzlich empfangen.
Angela Merkel hat in den Ländern der Sahel-Zone einen exzellenten Ruf. Das liegt nicht nur daran, dass Deutschland die Staaten, die zu den ärmsten der Welt gehören, finanziell und logistisch unterstützt. Im Gegensatz zu den ehemaligen Kolonialmächten kann die Bundeskanzlerin glaubhaft machen, dass Deutschland keine eigenen Interessen in der Region hat. Oder besser gesagt: keine egoistischen.
Wenn das Pulverfass Sahel-Zone explodiert, hat das massive Folgewirkungen für Europa und Deutschland, das betrifft die Migration ebenso wie die Sicherheit. Nach dem Treffen Merkels mit den Staatspräsidenten von Burkina Faso, Tschad, Niger, Mauretanien und Mali am Mittwochabend im 40 Grad heißen Ouagadougou sagte Merkel: „Wenn hier das Chaos Überhand gewinnen würde, was wir verhindern wollen, dann wirkt sich das auch auf andere Bereiche aus.“ Sie versprach daher, das deutsche Engagement noch zu erhöhen.