9. Februar 2017 - Die 67. Berlinale
Auf der Mauer, auf der Lauer
Verena Mayer (Süddeutsche Zeitung)
10. Februar 2017
Politische Botschaften auf Oberteilen, eine eingezäunte Moderatorin und kaum noch Sex auf der Leinwand - auf der Berlinale ist die Filmwelt in diesem Jahr eindeutig auf Krawall gebürstet.
Das originellste Outfit auf dem roten Teppich hat Claudia Roth. Die Grünen-Politikerin kommt mit einem schwarzen Oberteil, auf dem in riesigen orangenen Buchstaben "Unpresidented" prangt, jenes Wort, das Donald Trump auf Twitter benutzte, als er fand, dass etwas unprecedented sei, beispiellos. Nur, dass er sich dabei verschrieb und seither dieser Ausdruck in der Welt ist, als Chiffre für eine beispiellose Zeit.
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Hauptsache, historisch
Andreas Kilb (FAZ)
09. Februar 2017
Auf dieser Berlinale kann man sehen – in einem Film von Raoul Peck –, wie „Der junge Karl Marx“ gelebt hat. Man erfährt (in „Viceroy’s House“ von Gurinder Chadha), wie Lord Mountbatten die britische Kolonialherrschaft in Indien beendete. Man erlebt die sterbende DDR an einem ihrer letzten festlichen Abende (in Matti Geschonneks Romanverfilmung „In Zeiten des abnehmenden Lichts“). Man verbringt mit Moritz Bleibtreu als jüdischem Kleidergroßhändler David Berman einige Tage in einem Vertriebenenlager bei Frankfurt kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs (in Sam Garbarskis „Es war einmal in Deutschland“). Und man verfolgt, in Etienne Comars Eröffnungsfilm, wie der Sinti-Musiker Jean „Django“ Reinhardt einen Wohnwagenbrand überlebt und zum größten Jazzgitarristen seiner Zeit aufsteigt. Und das ist erst der Anfang.
_______________Die Suche nach Menschen mit Mut
Berlinale-Chef Dieter Kosslick
dpa (FAZ)
29. Januar 2017
Welchen Schwerpunkt hat die kommende Berlinale? Warum gibt es so viele Filme aus Deutschland im Wettbewerb und so wenige aus Amerika? Und wie übersteht man das Festival? Antworten von Dieter Kosslick.
Welche Probleme brennen den internationalen Filmemachern unter den Nägeln?
Viele Filmemacher machen sich Gedanken darüber, warum die Welt so aussieht, wie sie aussieht, indem sie in die Geschichte zurückblicken. Da ist zum Beispiel das epische Historiendrama „Viceroy’s House“ von Gurinder Chadha („Kick it like Beckham“) über die Unabhängigkeit Indiens von Großbritannien vor siebzig Jahren und die damit verbundene Teilung des Landes. Oder Raoul Pecks „Der junge Karl Marx“ im Berlinale Special mit August Diehl in der Titelrolle. Im Bären-Wettbewerb haben wir außerdem mehrere lateinamerikanische Filme, die sich mit der Frage der Kolonialisierung beschäftigen und warum sich zum Beispiel auch in Afrika gar nicht so viel verändert hat - die Kolonialmächte von damals sind heute die Investoren.
Berlin -
Für den gerade erst ernannten Baustaatssekretär der Linken, Andrej Holm, wird es eng. Sein überraschendes Geständnis vom Mittwoch, bei seinem Lebenslauf für eine Anstellung an der Berliner Humboldt-Universität (HU) falsche Angaben zu seiner Stasi-Zeit gemacht zu haben, sorgt für Irritationen in der rot-rot-grünen Koalition, insbesondere in der SPD. „Es gibt Aufruhr in der Partei“, sagte ein gut vernetzter Sozialdemokrat der Berliner Zeitung. „Viele finden: Der Mann ist nicht mehr zu halten.“ Auch renommierte DDR-Historiker wie Ilko-Saschea Kowalczuk und Jens Gieseke werfen Holm vor, die Unwahrheit gesagt zu haben.
Der 46-jährige Soziologe und Stadtforscher Holm hatte der HU verschwiegen, dass er von September 1989 bis Januar 1990 hauptamtlicher Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit war. Stattdessen hatte er in einem Fragebogen nur seine militärische Grundausbildung beim Stasi-Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ angegeben. Ihm sei jetzt erst durch Einblick in seine Kaderakte klar geworden, dass er hauptamtlich als Offiziersschüler beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS) beschäftigt gewesen sei, erklärte Holm. Seinen Lebenslauf habe er korrigiert nachgereicht. Die HU prüft derzeit rechtliche Konsequenzen. Auch der Senat hat, wie bei jedem neuen Staatssekretär, eine Regelanfrage bei der Stasi-Unterlagen-Behörde gestartet.
Quelle: http://www.berliner-zeitung.de/25302198 ©2016
Alexander Van der Bellen konnte den Vorsprung auf Norbert Hofer bei höherer Wahlbeteiligung ausbauen, er steht als Bundespräsident fest. Die FPÖ bekräftigt, auf eine Anfechtung zu verzichten - derstandard.at/2000048771312/Van-der-Bellens-Wahlsieg-fiel-deutlicher-aus-als-erwartetAlexander Van der Bellen konnte den Vorsprung auf Norbert Hofer bei höherer Wahlbeteiligung ausbauen, er steht als Bundespräsident fest. Die FPÖ bekräftigt, auf eine Anfechtung zu verzichten - derstandard.at/2000048771312/Van-der-Bellens-Wahlsieg-fiel-deutlicher-aus-als-erwarte
Es ist kurios, dass eine Buchpreisrunde mit einer fußballmetaphernhaltigen Verleihung endet. Aber erst die wichtigen Dinge. Bodo Kirchhoff hat am Montagabend im Kaisersaal des Frankfurter Römers den mit 25.000 Euro dotierten Deutschen Buchpreis zugesprochen bekommen.
Der Deutsche Buchpreis zeichnet den „Besten Roman“ eines Jahrgangs aus, „Widerfahrnis“ ist eine Novelle, aber Kirchhoff mendelte sich beim fortschreitenden großen Lesen zunehmend als Favorit unter den letzten sechs der Nominierten heraus – der vielleicht noch am häufigsten genannte Mitfavorit Thomas Melle hat äußerst gezielt gar keine Fiktion geschrieben, so viel dazu.
Quelle: http://www.berliner-zeitung.de/24932162 ©2016
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"Wir sind eine Industrie"
Christian Endt (Süddeutsche Zeitung)
07. Februar 2017
Deutsche Filmschaffende suchen die Anerkennung, die in anderen Staaten selbstverständlich ist. Das Wirtschaftsministerium hat nun eine Studie zur Stärke der Branche vorgestellt.
Im Eichensaal an der Berliner Invalidenstraße lernten Offiziersanwärter einst Tanz und Tischmanieren. Jetzt richtet das Bundeswirtschaftsministerium hier seine Empfänge aus. Unter der Stuckdecke zupft eine Harfenistin Melodien aus James-Bond-Filmen, übers Fischgrätenparkett tragen schwarz gekleidete Kellner Tabletts mit Taboulé-Salat, das Buffet bietet zarte Ochsenbäckchen.
Die Gäste sind begeistert. Weniger der Ochsenbäckchen wegen. Die sind zwar wirklich lecker, aber gutes Essen bekommen sie in ihrer Branche öfter. Vor allem freuen sich die Topleute der deutschen Filmindustrie - Produzenten, Regisseure, Schauspieler wie Matthias Schweighöfer - dass sie endlich mal ins Wirtschaftsministerium eingeladen worden. "Sonst werden wir immer unter Kultur eingeordnet", sagt etwa Günther Russ, Geschäftsführer der Hamburger Produktionsfirma Letterbox. Kulturpolitiker kümmern sich um die Förderung von Filmen, wie sie auch Theater, Orchester und Malerei unterstützen. "Natürlich ist das Kunst, was wir machen", sagt Russ, "Aber von Kunst allein kann ich meine hundert Mitarbeiter nicht bezahlen. Wir sind eine Industrie."
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Wie Berlin vom Filmfestival profitiert
Theresa Dräbing (Berliner Zeitung)
09. Februar 2017
Von diesem Donnerstag an schaut die gesamte Filmbranche auf die deutsche Hauptstadt und die Berlinale. Zum Start des Filmfestivals werden wieder lange Schlangen vor den Kinosälen und Filmpalästen erwartet, genauso wie schon in den vergangenen Tagen vor den Ticketverkaufsstellen. Die Berlinale ist ein Publikumsfestival, die Nummer eins in Deutschland.
Und nicht nur auf die Berlinale bezogen ist Berlin mit seinen knapp hundert Lichtspielhäusern Filmhauptstadt: Die Region beherbergt mit dem Studio Babelsberg das weltweit älteste Filmstudio, das Kino Moviemento in Kreuzberg ist das älteste Deutschlands, und vergangenes Jahr kamen zwei neue Rekorde hinzu:
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Ihr, Daniel Blake
Debatte um politisches Kino
Hannah Pilarczyk (Spiegel Online)
09. Februar 2017
Ist das Kino von Filmen beherrscht, die politisch wertvoll, aber ansonsten furchtbar langweilig sind? Darüber stritten Kritiker, Künstler und Wissenschaftler vor Beginn der Berlinale auf einer Konferenz.
2016 organisierte das Team der Woche der Kritik (WdK), einer unabhängigen Filmreihe parallel zur Berlinale, seine erste Konferenz am Vorabend des Festivals. Und gleich die erste Ausgabe, die der Frage nachging, warum der deutsche Film auf internationalen Festivals so einen schlechten Stand hat, fühlte sich zeitlich und thematisch so gut abgepasst an, dass man sich ab sofort keine Berlinale mehr ohne WdK-Konferenz vorstellen konnte: Momente des gemeinsamen Reflektierens und auch Streitens gibt es im Festivalwirbel viel zu wenige.
Und auf den deutschen Film, so zeigte sich im Verlauf des ausufernden Abends im Berliner Kulturquartier Silent Green, haut nicht nur die deutsche Filmkritik gern ein.
Wenige Woche nach der Konferenz wurde dann aber Maren Ades "Toni Erdmann" in den Wettbewerb von Cannes eingeladen und trat von dort aus seinen hinlänglich berichteten Siegeszug an. Diese Entwicklung war mehr als eine ironische Fußnote zur Konferenz, sie stellte eine an dem Abend tunlichst umgangene Frage noch einmal dringender: Wie sinnvoll ist es, sich bei der Themensetzung so stark von der Auswahl und den Begrifflichkeiten der großen Festivals leiten zu lassen?
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Der Schwabe, der Hollywood erfand
Hanns-Georg Rodek (Welt)
08. Februar 2017
Der deutsche Auswanderer Carl Laemmle gründete mit Universal die erste Filmstadt – und arrangierte sich mit Hitlers Zensur. Eine große Ausstellung in Stuttgart erinnert an den jüdischen Schwaben.
Vor ziemlich genau 100 Jahren, am 17. Januar 1917, fand im New Yorker Aschenbrödel-Klub in der 86. Straße eine glanzvolle Geburtstagsfeier statt. Der Aschenbrödel, ein vierstöckiger Neorenaissancepalast, bildete einen der wichtigsten Treffpunkte für deutsche Einwanderer an der Ostküste; wer dort Aufnahme fand, hatte es in der Neuen Welt geschafft.
Das Geburtstagskind hieß Carl Laemmle, und in der ihm gewidmeten Ausstellung im Haus der Geschichte Baden-Württemberg hängt ein ins Unscharfe aufgeblasenes riesiges Foto des Jubilars, ein jovialer Fünfziger, umgeben von respektablen Gratulanten, Beleg eines wohlgelebten Lebens. Im weiteren Verlauf des Abends sollte die Gesellschaft zwei Lieder anstimmen: „America, I Love You“ – und „Die Wacht am Rhein“.
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Pour citer cette ressource :
9. Februar 2017 - Die 67. Berlinale, La Clé des Langues [en ligne], Lyon, ENS de LYON/DGESCO (ISSN 2107-7029), février 2017. Consulté le 21/11/2024. URL: https://cle.ens-lyon.fr/allemand/revue-de-presse/archives-revue-de-presse-2017/9-februar-2017-die-67-berlinale