1. Juli 2016 - Die Brexit-Folgen für Deutschland
Sebastian Fischer und Severin Weiland (Spiegel Online)
30. Juni 2016
Führung ja, aber bitte keine Dominanz: Der Brexit bedeutet eine Machtverschiebung in der EU - hin zu Deutschland. Kanzlerin Merkel muss darauf Antworten finden.
Als Barack Obama erfuhr, dass sich sein engster Verbündeter tatsächlich selbst zu verzwergen wünscht, da ließ er sich mit Downing Street 10 in London verbinden. Dem britischen Noch-Premier David Cameron, der sich so bitter verzockt hat beim Brexit-Referendum, versicherte der US-Präsident "trotz des Ergebnisses", dass es natürlich bei der special relationship zwischen den beiden Staaten bleibe.
Aufmunternde Worte für einen Verlierer. Mehr aber auch nicht.
Denn Obama und seine Strategen im Weißen Haus wissen nur zu genau, dass Großbritannien künftig im europäischen Abseits stehen wird. Ja, dass aus dem einstigen Stabilitätsanker der neue kranke Mann in Europa werden könnte. Zerfallserscheinungen inklusive. Aus der Sicht Washingtons hat sich das Vereinigte Königreich in der vergangenen Woche willentlich in die Vergangenheit expediert.
Der nächste Anruf Obamas galt deshalb der Zukunft. Der US-Präsident ließ sich mit dem Kanzleramt in Berlin verbinden. "Unverzichtbar" bleibe für die USA die Partnerschaft mit Deutschland und der EU, ließ Obama die Kanzlerin wissen.
Einen anderen europäischen Regierungschef rief Obama dann übrigens nicht mehr an. In all den Tagen seit dem Brexit-Votum nicht.
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Spitzentreffen in Berlin: Merkel und die Brexit-Drängler
Severin Weiland (Spiegel Online)
27. Juni 2016
In Berlin trifft Angela Merkel auf EU-Ratspräsident Tusk, Italiens Premier Renzi und Frankreichs Präsident Hollande. Sie brauchen eine Brexit-Strategie - doch die Meinungen gehen auseinander.
Die "Financial Times" hat einen Wunsch: Deutschland und Frankreich sollten bei ihrem Treffen in Berlin eine starke Botschaft aussenden. "Bürger und Märkte müssen sicher sein, dass das Herz der EU halten wird", schreibt das Blatt aus London über die Zusammenkunft im Kanzleramt.
Doch wird es diese Botschaft geben? Einen Tag vor dem EU-Ratsgipfel trifft sich Angela Merkel heute zunächst gesondert mit EU-Ratspräsident Donald Tusk, anschließend zusammen mit dem italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi und dem französischen Staatspräsidenten François Hollande.
Vor allem zwei Fragen dürften dabei eine Rolle spielen: Soll der britischen Regierung deutlich gemacht werden, dass sie möglichst bald den Austritt ankündigt und Gespräche mit der EU einleitet? Und wie geht es grundsätzlich weiter in der EU?
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Brexit im Bundestag: Große Krise, wenig Koalition,
Florian Gathmann und Severin Weiland (Spiegel Online)
28. Juni 2016
Die Kanzlerin gibt sich nach dem Brexit-Votum nüchtern, die SPD will mehr: eine neue Europapolitik. Sie will den Moment der Unsicherheit nutzen.
Thomas Oppermann hat seine Rede beendet, aber er will jetzt noch nicht abgehen. Der SPD-Fraktionschef bleibt einen Moment stehen am Rednerpult des Bundestags, während der Applaus aus den Reihen seiner Abgeordneten bereits verebbt, und dreht sich nach rechts zum Platz der Kanzlerin. Oppermann schaut Angela Merkel an, als wolle er sich nochmals versichern, dass sie verstanden hat.
Es ist ein ungewöhnlicher Vorgang: Die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende hält eine Regierungserklärung zum Brexit - und wird dann erst vom Linken-Oppositionschef Dietmar Bartsch kritisiert und anschließend auch noch vom Koalitionspartner. Lob bekommt Merkel von der SPD zwar selten, aber dass der Fraktionschef sie gleich mehrfach mahnt und drängt, hat man in den vergangenen zweieinhalb Jahren noch nicht erlebt.
Die Kanzlerin hat sich einmal mehr auf ihr Prinzip besonnen: bloß keine Hektik. Mit dieser Haltung geht sie in den Krisengipfel in Brüssel. Es sei in solch einer Situation "naturgemäß", dass es viele, diametral sich gegenüberstehende Vorschläge gebe, sagt Merkel, aber inzwischen sehe man die Dinge schon klarer. Die 27 anderen Mitgliedstaaten müssten sich nun "willens und fähig erweisen", auf der Grundlage einer "mit Ruhe und Besonnenheit vorgenommenen Analyse" gemeinsam die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Merkels Sätze wirken wie indirekte Nadelstiche gegen eine SPD, die bereits am Tag nach dem Referendum einen ambitionierten Zehn-Punkte-Plan vorgelegt hat.
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Diese Folgen hat der Brexit für Deutschland und die Europäische Union
Patricia Kämpf / Maximilian Kettenbach (Merkur.de)
28. Juni 2016
Update vom 28. Juni 2016: Die Briten wollen nicht mehr in der EU sein. Das hat das Volk in einem Referendum beschlossen. Allerdings ist ein Austritt nicht ohne Weiteres möglich. Am Dienstag treffen sich die EU-Mitgliedsstaaten, um über den Brexit zu debattieren.
Meldung
Die Briten haben abgestimmt, der Brexit ist beschlossen: 51,9 Prozent stimmten für den Austritt aus der Europäischen Union - das ist das offizielle Ergebnis des EU-Referendums. Nach dem Brexit-Beben diskutiert Europa und Großbritannien über das Ergebnis der Abstimmung. Über alle relevanten News, Reaktionen und Stimmen berichten wir in unserem News-Ticker.
Seit Monaten diskutierten Befürworter und Gegner in Großbritannien, welche Entscheidung besser für die Briten wäre. Kurz vor dem EU-Referendum lagen die Brexit-Befürworter in mehreren Umfragen vorne - und setzten sich am Ende durch. Premierminister David Cameron reagierte schnell: Am Freitagmorgen um 8.15 Uhr Ortszeit verkündete er vor 10 Downing Street, dass er sein Amt als Premierminister des United Kingdom aufgeben wird. Der große Brexit-Gewinner könnte nun Boris Johnson sein, der ehemalige Bürgermeister von London. Wird er Camerons Nachfolger?
Was ist der Brexit eigentlich? Wir beantworten die wichtigsten Fragen. Im Folgenden können Sie nachlesen, was der Austritt des UK für Deutschland bedeutet und was die Folgen sind.
Deutsche Unternehmen waren bereits nervös. Der Austritt der Briten hätte für die Wirtschaft gravierende Folgen: Mit fast 90 Milliarden Euro war Großbritannien laut Statistischem Bundesamt 2015 der drittwichtigste Exportmarkt. Über 30 Milliarden Euro betrug die Außenhandelsbilanz; über 2500 Unternehmen aus Deutschland haben eine Niederlassung im Vereinigten Königreich. Ihr Kapitalstock dort: etwa 130 Milliarden Euro, 400.000 Mitarbeiter. Die Börse reagiert direkt mit Panik auf das Brexit-Ergebnis: Es war ein tiefschwarzer Freitag. Pfund und Dax stürzten ins Tief.
Ein Nein zur EU bedeutet früher oder später den Austritt Großbritanniens aus dem europäischen Binnenmarkt. "Damit stehen auch in Deutschland Arbeitsplätze unter Vorbehalt", sagt Volker Treier, stellvertretender Hauptgeschäftsführer beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Grund: die Abwertung des britischen Pfunds gegenüber dem Euro und eine höhere Inflation. Das wird die Preise für deutsche Produkte im Vereinigten Königreich erhöhen und den Absatz wohl senken.
Laut einer Studie des Kreditversicherers Euler Hermes würden deutsche Exporteure durch einen Brexit bis 2019 Einbußen in einer Größenordnung von 6,8 Milliarden Euro erleiden. Besonders stark betroffen könnte nun demnach die deutsche Automobilindustrie mit einem Minus bei den Exporten von zwei Milliarden Euro sein, im Chemiesektor werden es 1,1 Milliarden und bei den Maschinenbauern eine Milliarde Euro werden.
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Merkel fürchtet für Deutschland teure Schnellschüsse
Robin Alexander (Die Welt)
26. Juni 2016
Die Verhandlungen über den Brexit werden sich über Monate hinziehen. Anders als Brüssel drückt Merkel nicht aufs Tempo. Die Kanzlerin fürchtet Schnellschüsse, die für Deutschland teuer kämen.
Es war nicht der Brexit, der Angela Merkel an jenem denkwürdigen Freitag überraschte. Die Entscheidung der britischen Wähler, die EU zu verlassen, hatte die Kanzlerin schon wochenlang, wenn nicht für wahrscheinlich, so doch für sehr gut möglich gehalten.
Vor der Öffentlichkeit verbarg Merkel ihren Pessimismus, nicht aber vor Vertrauten. In der letzten CDU-Präsidiumssitzung vor 14 Tagen etwa, schimpfte sie auf die EU-Kommission, weil die es geschafft habe, ihre Zugeständnisse an David Cameron so ungeschickt zu formulieren, dass dieser damit keinen Wahlkampf machen konnte.
Mit seiner Wackelpartie schenkt Cameron Merkel Zeit
Womit Merkel weniger und vor allem nicht so schnell gerechnet hatte, geschah nicht um 5.30 Uhr, als die BBC verkündete, "Leave" werde siegen, sondern vier Stunden später.
Um 9.18 Uhr europäischer Zeit sah Merkel in ihrem Büro im Kanzleramt auf dem Fernsehschirm, dass Großbritanniens Premierminister weder unmittelbar den Antrag auf Ausstieg aus der EU stellen wolle, noch unmittelbar zurücktreten wolle. Vielmehr will Cameron noch drei Monate weiterregieren. Und sein möglicher Nachfolger Boris Johnson teilte kurz darauf mit, es mit einem Austritt auch nicht besonders eilig zu haben. Es werden Monate vergehen, bevor die Verhandlungen über den Brexit überhaupt beginnen.
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Die deutschen Chefetagen fürchten den Brexit
Henrike Rossbach / Marcus Theurer (FAZ)
21. Juni 2016
Am Donnerstag stimmen die Briten über den Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union ab. Die Folgen für deutsche Unternehmen liegen im Ungewissen.
Normalerweise halten wir uns aus solchen politischen Entscheidungen raus“, sagt Jürgen Maier. Aber das hier sei nun mal nicht der Normalfall: „Dieser Volksentscheid ist auch für Siemens sehr wichtig“, sagt der Großbritannien-Chef des Münchner Industriekonzerns. Am Donnerstag stimmen die Briten in einem Referendum über den Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union ab – und nicht nur für Siemens, sondern für die deutsche Wirtschaft insgesamt steht viel auf dem Spiel.
Wie ginge es mit dem Geschäft auf der Insel weiter, wenn die Briten wirklich für den „Brexit“ stimmten? „Wir würden nicht am nächsten Tag unsere britischen Fabriken schließen“, sagt der Siemens-Manager Maier. „Aber das große Problem für uns wäre: Was wird langfristig aus unseren Standorten und unserem Geschäft in Großbritannien?“ Schließlich sei das Land global der viertgrößte Absatzmarkt für Siemens. Die Münchner sind seit 170 Jahren auf der Insel aktiv und beschäftigen dort 14000 Mitarbeiter. 13 Fabriken hat Siemens im Vereinigten Königreich. Die vierzehnte, ein Werk für Offshore-Windräder, wird gerade im nordenglischen Hull gebaut.
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Pour citer cette ressource :
1. Juli 2016 - Die Brexit-Folgen für Deutschland, La Clé des Langues [en ligne], Lyon, ENS de LYON/DGESCO (ISSN 2107-7029), janvier 2016. Consulté le 24/11/2024. URL: https://cle.ens-lyon.fr/allemand/revue-de-presse/archives-revue-de-presse-2016/1-juli-2016-die-brexit-folgen-fyr-deutschland