17. November 2023 - Die Linke in schwerem Fahrwasser
Linke: Eine Partei kämpft um ihr Überleben
Kommentar von Marcel Fürstenau (Deutsche Welle, 17/11/2023)
Vor der letzten Bundestagswahl träumte die Linke noch davon, Deutschland mitregieren zu können. Seitdem geht es bergab. Auch wegen Sahra Wagenknecht, aber nicht nur.
Der 6. Dezember 2023 wird als Tiefpunkt in die Geschichte der Partei Die Linke eingehen: An diesem Tag soll ihre Fraktion im Deutschen Bundestag endgültig abgewickelt sein. Auslöser war der Austritt ihrer bekanntesten Abgeordneten, Sahra Wagenknecht. Neun weitere Genossinnen und Genossen, wie sich Linke selbst nennen, folgten ihr und kündigten die Gründung einer eigenen Partei an.
Für die Linke sitzen seitdem nur noch 28 Frauen und Männer im Plenarsaal des Parlaments. Zu wenig, um als Fraktion mit umfangreichen Rechten wie der Mitarbeit in Ausschüssen und längeren Redezeiten in Debatten anerkannt zu werden. Dafür sind mindestens fünf Prozent der aktuell 736 Mandate nötig, also 37. Bei der Bundestagswahl 2021 hatte die Linke diese Schwelle knapp überschritten.
Die Linksfraktion löst sich auf, doch kaum jemand vermisst sie
Kommentar von Susann Kreutzmann (NZZ, 15/11/2023)
Die Partei versucht, ihr Scheitern allein Sahra Wagenknecht anzulasten. Das ist billig, denn weltfremde Politik und permanente Streitereien haben die Wähler vertrieben. Das Ende der Linken im Bundestag hinterlässt keine Lücke.
Die Linke ist tot – es lebe die Linke. So lautet die Botschaft, die die Linkspartei derzeit gern glauben möchte. Die Bundestagsfraktion hat gerade ihre eigene Auflösung beschlossen oder, wie es offiziell heisst, ihre Liquidation. Das ist der folgerichtige Schritt nach dem Parteiaustritt von Sahra Wagenknecht und neun weiteren Abgeordneten. So verlangt es die Geschäftsordnung des Bundestages.
Die Totgesagten
Ein Gastbeitrag von Thorsten Holzhauser (Zeit Online, 14/11/2023)
Die Linke stand bereits mehrfach vor dem Aus. Doch jedes Mal gelang das Comeback, weil sie sich neu erfand. Das kann auch jetzt gelingen – unter einer Voraussetzung.
Der Historiker Thorsten Holzhauser hat über die Integration der PDS in das politische System der Bundesrepublik zwischen 1990 und 2005 promoviert. Er ist heute Mitarbeiter bei der Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus in Stuttgart.
Als Gregor Gysi kürzlich gefragt wurde, ob er nun auch der Linkspartei den Rücken kehren und zur SPD übertreten werde, muss es ihm wie ein Déjà-vu vorgekommen sein. Nicht zum ersten Mal in seiner langen Karriere musste sich der Linkenpolitiker gegen den Eindruck zur Wehr setzen, seine Partei stehe kurz vor ihrem Ende.
Linksfraktion beschließt Auflösung zum 6. Dezember
Boris Herrmann und Angelika Slavik (Süddeutsche Zeitung, 14/11/2023)
Die Abgeordneten ziehen die Konsequenz aus den Parteiaustritten Wagenknechts und ihrer Verbündeten. Die Linke müht sich sichtlich, die Abgänge als Neuanfang zu inszenieren.
Die Fraktion der Linken im Bundestag wird am 6. Dezember aufgelöst. Das beschlossen die Abgeordneten bei ihrer Sitzung am Dienstag. "Dieser Tag ist kein Grund zur Freude", sagte der Vorsitzende Dietmar Bartsch schon vor Beginn des Treffens. Das Ende der Fraktion sei "natürlich eine Niederlage, auch für mich persönlich".