Juli ZEH: "Die Stille ist ein Geräusch. Eine Fahrt durch Bosnien"
Eine Reiseerzählung durch Bosnien-Herzegowina
"Die Stille ist ein Geräusch. Eine Fahrt durch Bosnien". München, btb, Oktober 2003, 272 S., ISBN-10: 3442731046, ISBN-13: 978-3442731046.
Die Reiseerzählung Die Stille ist ein Geräusch schrieb die junge Autorin Juli Zeh, geboren 1974, kurz nach ihrem erfolgreichen Debütroman Adler und Engel (2002). Kurz darauf folgten mehrere Romane, darunter Spieltriebe (2004) und ihr letztes Bestseller, Schilf (2007). Sie erhielt zahlreiche namhafte Preise, wie den Deutschen Bücherpreis (2002), den Ernst-Toller-Preis (2003) oder den Hölderlin-Förderpreis (2003).
Eine junge deutsche Schriftstellerin alias Juli Zeh fährt im Sommer 2001 allein mit ihrem Hund durch Bosnien-Herzegowina und versucht die Rätsel des Bosnienkriegs zu entziffern. Sie wandert durch faszinierende baufällige Städte wie Sarajevo, Jedokrevedna, und Mostar, und versucht sich eine Meinung zu bilden. Dort begegnet sie den verschiedensten Figuren: von der "international crowd" der SFOR, die daran verzweifelt, die Bedingungen nicht verbessern zu können, zu armen Einwohnern, die oft als ex-Flüchtlinge mit Deutschland schon vertraut sind.
Sie befragt sie über die Ursachen des Krieges, die sich als immer komplexer erweisen und stellt auch schrullige Fragen, von denen sie besessen zu sein scheint: "Wo wachsen die Melonen?", "Wie grün ist der Neretva-Fluss?", "Warum gibt's hier kein MacDonalds?". Anders gesagt, eine Sonderlingsfigur begegnet einem Land in Trümmern, und was geschieht dann?
Es gelingt Juli Zeh genau, die Gefühle und Qualen einer reisenden Frau wiederzugeben: erdrückende Hitze, Müdigkeit, Irritation wegen des Ärgers mit aufdringlichen Männern, auch ab und zu Entzücken. Und vor allem zeugt die Autorin von einer unstillbaren Neugierde auf die fremde Umwelt. Und die Reisechronik erfüllt ihr Versprechen: Sie entfaltet einen wahren "Kurs über die bosnische Politik für Anfänger" und erinnert dazu noch an die damalige Verbindung zwischen Bosnien und Deutschland, insofern als ein Großteil der Flüchtlinge in Deutschland eine Zuflucht fand. Außerdem erinnert der internationale Charakter ihrer Erzählung (Diplomaten, Reisende, ehemalige Auswanderer gehen aneinander vorbei) an einen gewissen Trend in der jungen deutschen Kultur. Man denkt z. B. an die multikulturellen Filme von Fatih Akin. – –
Es gibt aber ein paar Haken: Bedauernswerterweise irritiert der manchmal klägliche Tonfall der Erzählerin und das immer wiederkehrende Spiel mit Klischees (die Frage "warum gibt's kein McDonald's?"). Was aber einen bei der Lektüre am meisten belastet, ist das Fehlen eines Leitfadens: Auf Dauer riskiert diese Auseinanderreihung von seltsamen Begegnungen, den Leser zu langweilen. Also ist dieses Buch besonders für Fans der Autorin und eingefleischte Reisende zu empfehlen.
Erläuterungen über Bosnien-Herzegowina, Reiseempfehlungen von Juli Zeh und Photogalerie: http://www.stille-ist-geraeusch.de/
Leseprobe: http://www.juli-zeh.de/stille-lesen.php
Hörprobe: http://www.juli-zeh.de/stille-horen.php.
Hörprobe 1: Juli Zehs Vortrag über den Unterschied zwischen Journalismus und Schriftstellerei in der Wahrheitsfindung (Verhältnis zum Erlebten, Stil, Objektivität/Subjektivität).
Hörprobe 2: Juli Zeh liest aus dem 1. Kapitel von Die Stille ist ein Geräusch. Juli Zehs Reisevorbereitungen: "Dieses Land eignet sich nicht für touristische Reisen".
Wie der Hund in den Bus reingeschmuggelt wird: "Anscheinend hält man zusammen gegen jede Art von Obrigkeit".
Hörprobe 3: Begegnungen mit einer englischen Journalistin.
Interview : fluter.de
Pour citer cette ressource :
Juli ZEH: "Die Stille ist ein Geräusch. Eine Fahrt durch Bosnien", La Clé des Langues [en ligne], Lyon, ENS de LYON/DGESCO (ISSN 2107-7029), mars 2008. Consulté le 08/12/2024. URL: https://cle.ens-lyon.fr/allemand/litterature/fiches-de-lecture/juli-zeh-die-stille-ist-ein-gerausch-eine-fahrt-durch-bosnien-