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Feministische Sprachkritik in Frankreich und Deutschland im Spiegel postmoderner Theoriebildung

Par Jutta Hergenhan : Doctorante en sciences politiques - Freie Universität Berlin
Publié par MDURAN02 le 21/11/2008

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Der vorliegende Beitrag diskutiert die Wechselwirkung von Sprache und Gesellschaft anhand der Problematik geschlechtergerechten Sprachgebrauchs (Gender Studies) in Frankreich und in Deutschland. Ausgehend von einer historischen Analyse geschlechterhierarchischer Sprachnormen insbesondere bei Berufs- und Amtsbezeichungen werden Strategien zu deren Überwindung in beiden Ländern vorgestellt. Abschließend werden diese Initiativen zu geschlechtergerechtem Sprachgebrauch aus der Perspektive postmoderner Geschlechtertheorie kritisch hinterfragt.

Ebenso wie das Recht übt Sprache eine normierende Wirkung auf die Gesellschaft aus. Durch die permanente Wiederholung und Neukombination von Sinnelementen prägt Sprache - im Rahmen der ihr zugrunde liegenden grammatikalischen und lexikalischen Möglichkeiten - Vorstellungen von Wirklichkeit. Dabei kann Sprechen nach Noam Chomsky (1971, 70) als "der unendliche Gebrauch von endlichen Mitteln" gesehen werden. Inwiefern diese uns zur Verfügung stehenden sprachlichen Mittel Einfluss auf Geschlechterverhältnisse besitzen, soll im Zentrum dieses Beitrages stehen; ebenso wie die Möglichkeiten, durch abweichendes Sprachverhalten auf bestehende Geschlechterverhältnisse einzuwirken.

Die Idee, dass nur sprachlich ausgedrückt werden kann, was im Rahmen der jeweiligen Sprachstrukturen möglich ist, geht auf die Sprachauffassung Wilhelm von Humboldts zurück. Sprachen sind bei Humboldt nicht nur materiell verschieden, sondern eigene semantische Universen. Verschiedene Sprachen beinhalten ihm zufolge unterschiedliche "Weltansichten" und haben als kulturell partikulare Konzeptualisierungen auch Einfluss auf das Denken (Trabant, 1998, 15-25). Die an Humboldt anknüpfende sprachwissenschaftliche Tradition geht daher ebenfalls davon aus, dass mit der Sprache eine gewisse Sicht der Welt vermittelt wird. So besagt die in den 1960er Jahren entwickelte sprachliche Relativitätstheorie, die sogenannte Sapir-Whorf-Hypothese, dass es universelles Denken an sich nicht gebe. Vielmehr sei die Art, wie Menschen die Welt wahrnehmen, abhängig davon, wie die Welt in der Muttersprache strukturiert ist.

Roland Barthes (1980, 17) geht sogar noch weiter, wenn er sagt:

"[...] ein Idiom [wird] weniger durch das definiert [...], was es zu sagen erlaubt, als durch das was es zu sagen zwingt. In der französischen Sprache [...] bin ich seit jeher gezwungen, zwischen Maskulinum und Femininum zu entscheiden, das Neutrum oder das Komplexe ist mir untersagt [...] So impliziert die Sprache durch ihre Struktur selbst eine unausweichliche Entfremdung."

Im Rahmen der Geschlechterforschung sind diese sprachphilosophischen Überlegungen insofern von Interesse als im Zuge feministischer Sprachkritik in den 1970er und 80er Jahren davon ausgegangen wurde, dass Sprache bestehende Geschlechterverhältnisse widerspiegelt und perpetuiert. Die Argumentation der feministischen Linguistik ging dahin, dass Sprache die Strukturen, Normen und Werte einer von Männern geprägten und dominierten Gesellschaft reflektiere. Frauen blieben darin häufig unsichtbar oder nähmen eine nachgeordnete Stellung ein. Insofern als Sprache geschlechterhierarchisch konstruiert sei, ermögliche sie auch keinen gleichwertigen Ausdruck, ja nicht einmal geschlechterneutrales Denken.

Im Folgenden soll es darum gehen, feministische Sprachkritik an Beispielen der französischen und deutschen Sprache zu erläutern und diese in den jeweiligen historischen Kontext zu setzen. Darüber hinaus werden konkrete Initiativen zur Herbeiführung einer geschlechtergerechteren Ausdrucksweise diskutiert. Abschließend soll eine Kritik der feministischen Linguistik aus der Geschlechterforschung selbst heraus vorgenommen werden.

1. Das generische Maskulinum

Besonders kritisch wird in der feministischen Linguistik das so genannte generische Maskulinum betrachtet. Es handelt sich dabei um eine sprachliche Konvention, der zufolge Personenreferenzformen männlichen grammatischen Geschlechts nicht nur Personen männlichen Geschlechts bezeichnen können. Sie können in der männlichen Pluralform für Gruppen von Männern und Frauen verwendet werden oder im Singular in einer anscheinend geschlechtsneutralen Form.

Beispiele hierfür sind Ausdrücke wie: "wir hatten unsere Freunde zu Besuch", "der Kunde ist König" oder "zum Arzt gehen".

Wie experimentelle psycholinguistische Untersuchungen zeigen, ist diese theoretisch neutrale Verwendung des Maskulinums jedoch sehr fragwürdig. So führt eine maskuline Personenbezeichnung in geschlechtsneutralen Zusammenhängen in der Regel nicht zu einer geschlechtsneutralen mentalen Repräsentation. Sie bewirkt vielmehr eine männlich geprägte Vorstellung, die sich nicht auf Frauen bezieht. Dieser Tatbestand erhält eine praktische Relevanz, wenn Personen männlichen Geschlechts durch ihr unmittelbares Gemeintsein einen impliziten Vorteil gegenüber weiblichen Personen erhalten. Dies ist z. B. bei Stellenanzeigen der Fall. Das Fehlen weiblicher Berufsbezeichnungen bewirkt dort tendenziell ein mentales Nicht-Gemeintsein bei weiblichen Personen und bereitet ihnen damit in der Arbeitswelt einen strukturellen Nachteil gegenüber männlichen Personen. Umgekehrt zeigen diese Untersuchungen auch, dass die Verwendung von Beidbenennungen und Neutralformen zu wesentlich mehr weiblichen Assoziationen führen.

Lisa Irmen und Astrid Köhncke (1996, 163 f.) weisen darauf hin, dass es sich beim generischen Maskulinum um ein sprachhistorisches Phänomen handelt.

In Frankreich setzte sich die Vorstellung, dass das männliche das edlere Geschlecht sei und über dem weiblichen stehen müsse, ab dem 17. Jahrhundert durch. Sie kam zeitgleich mit dem Denken Descartes auf, d. h. mit dem Beginn der Moderne. Sie hat ihre Ursprünge in den 1647 veröffentlichten Remarques sur la langue française von Claude Favre de Vaugelas, dem stilbildenden Werk des klassischen Französisch. Einige der Bemerkungen Vaugelas' bezogen sich auf die Verwendung von Femininum und Maskulinum in der Sprache. Aus ihnen geht die bis heute gültige Regel des generischen Maskulinums hervor.

So stand in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Frage nach der Konjugierung eines Adjektivs, das sich auf zwei Substantive unterschiedlichen Geschlechts bezieht, zur Debatte. Bislang war das Adjektiv in diesem Fall entsprechend dem Geschlecht des nächststehenden Substantivs konjugiert worden, je nachdem ob es weiblich oder männlich war. Dies war einerseits logisch und andererseits dem Ohr angenehm, wie Vaugelas selbst befand. Der damals prägende Dichter des modernen Französisch, François de Malherbe, verwarf diesen Gebrauch jedoch. Er war der Auffassung, dass zwei Substantive unterschiedlichen Geschlechts das sich auf sie gemeinsam beziehende Adjektiv im Maskulinum erforderten (Brunot, 1966, 469). Vaugelas (1647, 83) schließt sich in seinen Remarques letztendlich dieser Sichtweise an und verfestigt sie zur Regel, als er 1647 schreibt:

"[...] le genre masculin estant plus noble, [il] doit prédominer toutes les fois que le masculin et le feminin se trouvent ensemble."  (übersetzt heißt das: "Da das Maskulinum das edlere Geschlecht ist, muss es immer dann dominieren, wenn Maskulinum und Femininum zusammen auftreten.")

Auch in der Geschichte der deutschen Sprache ist der Gedanke der Höherwertigkeit des Maskulinums prägend. So schreibt Jakob Grimm in der Deutschen Grammatik (1880, 357):

"Das masculinum scheint das frühere, größere, festere, sprödere, raschere, das thätige, bewegliche, zeugende; das femininum das spätere, kleinere, weichere, stillere, das leidende, empfangende; [...]."

Indem er den grammatischen Geschlechterkategorien solche stereotypen, feststehenden Eigenschaften zuweist, betreibt er deren Essentialisierung. Darin kommen die gängigen Geschlechtervorstellungen seiner Zeit zum Ausdruck. Gleichzeitig demonstriert er die sprachliche Asymmetrie der Geschlechter, wenn er die Abhängigkeit des Femininums vom Maskulinum darlegt. So schreibt Grimm (1831, 314):

"[...] aus masc. können feminina moviert werden (herr, herrin, könig, königin), sehr selten aus fem. masculina. [...] äußerlich movierte feminina geben sich zu keiner weiteren ableitung her, z. B. aus dichter kann dichterisch, aus gärtner gärtnerei gebildet werden, aus dichterin, gärtnerin kein dichterinnisch, gärtnerinnei."

Gegenbeispiele dazu bestätigen in der Tat als Ausnahme eher die Regel, z. B. im Fall: "die Witwe, der Witwer".

Zur Überwindung der auf dem generischen Maskulinum basierenden Geschlechterungleichheit wurden verschiedene Strategien entwickelt, die sich mit Marlis Hellinger in eine "generische Strategie" und eine "Sichtbarkeitsstrategie" (1984, 139) einteilen lassen. Die "generische Strategie" wird überwiegend in Sprachräumen verfolgt, in dem es viele Personenbezeichnungen gibt, die grammatisch korrekt auf beide Geschlechter bezogen werden können, wie z. B. im Englischen. Die Sichtbarmachungsstrategie erfolgt hingegen in solchen Sprachen, die differenzierte Möglichkeiten zur grammatischen Genusmarkierung haben, wie das Französische oder das Deutsche. Hier geht es darum, sich auf Frauen nur noch mit weiblichen Begriffen zu beziehen. Im Plural oder in einem allgemeingültigen Zusammenhang werden dabei durchgängig sowohl die weibliche als auch die männliche Form oder aber wirklich neutrale Bezeichnungen verwendet, z. B. "die Leserschaft" statt "die Leser", "die Redaktion" statt "die Redakteure".

Sprachökonomische Gründe, die die Nennung beider Geschlechterformen für zu umständlich oder stilschädigend halten, werden dabei Prinzipien der Sprachgerechtigkeit und Sprachgenauigkeit untergeordnet. Wie wurde nun in Frankreich und in Deutschland auf das Problem des generischen Maskulinums reagiert?

2. Initiativen zu geschlechtergerechter Sprache im Französischen

In Frankreich waren die Initiativen der Frauenministerin Yvette Roudy in den ersten Jahren der Staatspräsidentschaft François Mitterrands Anfang der 1980er Jahreder Ausgangspunkt zu einer geschlechterpolitischen Mentalitätsveränderung. Roudy ließ im Juli 1983 ein Gesetz zur beruflichen Gleichheit von Frauen und Männern verabschieden, das auf diskriminierungsfreie Behandlung am Arbeitsplatz sowie Chancengleichheit bei Berufsfindung, -ausübung und Karriere zielte. Dazu gehörte auch die Formulierung von Stellenanzeigen in einer Frauen ansprechenden Form. Durch Presse- und Informationskampagnen zielte ihr Ministerium darauf ab, Frauen den Zugang zu technischen Berufen zu eröffnen. In diesem Kontext gewann das Problem der Benennung von Frauen in vormals typisch männlichen Berufen an Aktua¬lität. Das Bemühen um gleichberechtigte Präsenz in der Sprache stand damit im Zusammenhang mit der ebenbürtigen Anerkennung von Frauen und Männern in Politik, Gesellschaft und Beruf. Neben dem gesellschaftlichen Problem bestand jedoch auch ein linguistisches. Im Laufe der Jahrhunderte waren, bedingt durch den Ausschluss von Frauen aus vielen Berufen, sehr viele weibliche Tätigkeitsbezeichnungen verschwunden oder veraltet. Die existierenden hingegen wurden oft in einer matrimonialen Form verwendet. Wurde von "la pharmacienne" gesprochen, so war die Frau des Apothekers gemeint und nicht eine ausgebildete Apothekerin. "L'ambassadrice" bezeichnete die Frau eines Botschafters und keine amtierende Botschafterin. Frauen, die diese Funktionen ausübten, bestanden aus diesem Grund auf der männlichen Bezeichnung für ihre Tätigkeit.

Bei der Bildung weiblicher Berufsbezeichnungen konnte also nicht immer eine Ableitung von der männlichen Bezeichnung gebildet oder auf ehemals existierende weibliche Formen zurückgegriffen werden. Eine Ärztin bzw. professionelle Heilerin hieß im Mittelalter, als dieser Beruf auch von Frauen ausgeübt wurde, "une miresse". Heute kann der Begriff "Ärztin" nicht umstandslos von der männlichen Form "le médecin" abgeleitet werden, da "la médecine" eine andere Bedeutung hat. In anderen Fällen bestehen ähnliche morphologische Probleme.

Zur Klärung solcher Fragen setzte die Ministerin im Februar 1984 eine Terminologiekommission unter der Leitung der Schriftstellerin Benoîte Groult ein. Deren Arbeiten wurden von einer kontroversen öffentlichen Debatte begleitet und mündeten im März 1986 in ein Regierungsrundschreiben zur Feminisierung von Berufsbezeichnungen. Es richtete sich an alle der Regierung unterstehenden Behörden, hatte aber keinen verpflichtenden Charakter. Aufgrund des kurz darauf folgenden Regierungswechsels fand diese Norm auch zunächst keine Anwendung.

Mehr als 10 Jahre später, im Frühjahr 1997, wurde die Diskussion um die Verwendung weiblicher Berufs- und Funktionsbezeichnungen von der frisch gewählten Regierung unter Lionel Jospin wieder aufgegriffen. Die Ministerinnen ebenso wie viele weibliche Abgeordnete forderten, mit der weiblichen Amtsbezeichnung "Madame la Ministre" bzw. "Madame la Députée" angesprochen zu werden. Im März 1998 verabschiedete die Regierung trotz vehementen Protestes vor allem der "Académie française" erneut das Rundschreiben von 1986. Es fand dieses Mal starken Anklang und auch eine breite unmittelbare Anwendung. 1999 legte die Regierung ein Handbuch zur Feminisierung von Berufsbezeichnungen vor, welches deren Grundregeln darlegt und ihre Anwendung dem breiten Publikum zugänglich macht.

Die französischen Feminisierungsregeln folgen dem Prinzip, möglichst wenige Begriffe neu zu erfinden und stattdessen bestehende Formen und Regeln auf alle Berufs- und Amtsbezeichnungen entsprechend auszudehnen.

Bei Berufen, die im Femininum wie im Maskulinum gleichlauten (den sogenannten "épicènes"), wird die Feminisierung über die Verwendung des weiblichen Artikels erreicht.

z. B.: "un comptable" - "une comptable", "le juge" - "la juge" In anderen Fällen wird ein -e ans Wortende gehängt, das teilweise stumm ist.

Z. B. "le professeur" - "la professeure" oder aber "un agent" - "une agente" Berufsbezeichnungen, die auf -teur enden, sollen auf -trice oder -teuse feminisiert werden.  

Z. B. "un programmateur" - "une programmatrice", "un acheteur" - "une acheteuse"

Die französische Sprachreform ist insofern sehr begrenzt, als sie sich lediglich auf die adäquate Bezeichnung von Personen weiblichen Geschlechts im konkreten, meist individuellen Fall beschränkt. Sie hält jedoch weiterhin am generischen Maskulinum als der beide Geschlechter in allgemeinen Zusammenhängen bezeichnenden Form fest. Wie Edwige Khaznadar (2008, 83 f.) unterstreicht, zeigt die Tatsache, dass in Frankreich in der Regel von "Feminisierung" gesprochen wird, wenn es um geschlechtergerechte Sprache geht, dass dabei die Vorstellung herrscht, es reiche, die weibliche Form in der entsprechenden Situation anzuwenden oder der männlichen hinzuzufügen. Dieser Sachverhalt evoziert aber vor allem, dass der "eigentliche" Terminus männlichen Geschlechts sei und die weibliche Form ein mehr oder weniger künstlicher Zusatz.

Teilweise wird deswegen bewusst von "parité linguistique", sprachlicher Parität, gesprochen. Dabei wird die Gleichwertigkeit der Geschlechter betont und in einen breiteren Rahmen zusammen mit den Bestrebungen zu politischer Geschlechterparität gestellt. Allerdings wird dabei auch die Vorstellung von einer Dualität der Geschlechter zur Norm erhoben.

10 Jahre nach der Verabschiedung dieser Feminisierungsrichtlinie in Frankreich liegen nun empirische Untersuchungen vor, die deren Niederschlag in der Alltagssprache untersucht haben. Marie-Marthe Gervais-Le Garff (2008, 101) kommt beispielsweise zu dem Ergebnis, dass die Feminisierung in der französischen Sprache voran schreitet, jedoch nicht unbedingt nach den in den Feminisierungshandbüchern vorgegebenen Regeln, sondern vielmehr im Einklang mit dem allgemeinen Sprachempfinden. Eine Studie bezüglich der drei größten französischen Tageszeitungen zeigt, dass in der Schriftpresse ein bedeutender Wandel stattgefunden hat. Die Zeitung Libération nimmt stark an der Einführung weiblicher Personenbezeichnungen teil und verwendet Formen wie "la procureure", "la professeure", "la manageuse", "l'écrivaine", "une auteure", "une metteure en scène". In Libération ebenso wie in Le Monde hängt es jedoch stark von den schreibenden Journalistinnen und Journalisten selbst ab, ob sie feminisierte Bezeichnungen verwenden, was selbst innerhalb eines Textes, für die gleiche Tätigkeit und die gleiche Bezugsperson variieren kann. Le Figaro hingegen verwendet - entsprechend einer internen Redaktionsrichtlinie - weiterhin ausnahmslos das generische Maskulinum zur Bezeichnung von Frauen.

Die Feminisierung von Berufsbezeichnungen im Französischen stößt vor allem dort auf Widerstand, wo es um Frauen in ehemaligen Männerdomänen und sozial hochgestellten Berufen geht, und das nicht zuletzt bei den betroffenen Frauen selbst. Dabei wird immer wieder die universelle Bedeutung des generischen Maskulinums angeführt und mit dem Grundsatz des Universalismus in der französischen Staatstheorie in Verbindung gebracht. Bei der Bezeichnung von Frauen in typischen Frauenberufen kam es bislang noch zu keinen bemerkenswerten Widerständen. Dies wirft die Frage auf, ob eine veränderte Sprache zu einem neuen Bewusstsein hinsichtlich der Stellung der Frau in der Gesellschaft führen kann oder ob doch erst eine wirklich egalitäre Geschlechterordnung den entsprechenden sprachlichen Wandel nach sich ziehen wird.

3. Initiativen zu geschlechtergerechter Sprache im Deutschen

Für die feministische Sprachkritik in Deutschland war eine Gruppe von Linguistinnen der Universität Konstanz federführend. Luise Pusch (1984, 20-42), Ingrid Guentherod, Marlis Hellinger und die Schweizerin Senta Trömel-Plötz wandten sich 1980 mit der Veröffentlichung von Richtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs gegen die sprachliche Diskriminierung von Frauen. Sie kritisierten darin, dass Frauen durch den üblichen Sprachgebrauch abgewertet und unsichtbar gemacht würden. Der deutschen Sprache warfen sie vor, sie reproduziere die patriarchal-hierarchische Struktur der Gesellschaft, in der sie sich entwickelt habe. Ihre Forderung ging dahin, das generische Maskulinum abzuschaffen, da es als Oberbegriff für beide Geschlechter nicht in der Lage sei, Frauen und ihre Lebensrealitäten sprachlich sichtbar werden zu lassen.

In Deutschland wurde gerade die Tatsache stark kritisiert, dass der Staat in all seinen Erscheinungsformen - den Parlamenten, Behörden, Gerichten - bei Personen- und Funktionsbezeichnungen nur die männliche Form benutzt. Wie Marianne Grabrucker (2001, 1) darlegt, kommt dies daher, dass Maskulinum und Femininum in jahrhundertelanger Tradition in der Rechtssprache für Personen entsprechend dem natürlichen Geschlecht verwandt wurden. Gesetze bezogen sich auf Männer, und dementsprechend waren sie im Maskulinum formuliert. Davon ausgeschlossen oder eingeschränkt waren Frauen. Ihren Ausschluss von der Norm signalisierte das Femininum in Sondervorschriften. So trug die Rechtssprache maßgeblich dazu bei, dass sich das Maskulinum als das die Normalität schlechthin anzeigende Genus herausbildete.

Die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach, machte daher 1989 darauf aufmerksam, dass sich das Gleichstellungsgebot nicht nur auf den Normeninhalt, sondern auch auf deren sprachliche Gestalt beziehe. Dieses veränderte Sprachbewusstsein führte zur Verabschiedung von verbindlichen Regelungen für geschlechtergerechten Sprachgebrauch in exekutiven und legislativen Organen auf allen politischen Ebenen. Die Gesellschaft für deutsche Sprache mit Sitz in Wiesbaden bietet mittlerweile Bundestag, Bundesrat sowie Ministerien und Behörden in Bund und Ländern Beratung bei allen geschlechterrelevanten Sprachfragen bzgl. Gesetzesentwürfen, Verordnungen und ähnlichem. Sie hat einen eigenen Redaktionsstab im Bundestag. Ihre Strategie zur Vermeidung des generischen Maskulinums besteht darin:

  1. Frauen in Texten sprachlich sichtbar zu machen durch Paarformulierungen oder Beidnennungen (z. B. "die Lehrerinnen und Lehrer", "die Politikerinnnen und Politiker")
  2. geschlechtsspezifische Bezeichnungen zu neutralisieren durch Verwendung geschlechtsneutraler Personenbezeichnungen (z. B. "die Person", "die Lehrkraft", "das Elternteil") ebenso wie über nichtpersönliche Funktions- und Amtsbezeichungen (z. B. "das Ministerium", "die Personalvertretung")
  3. kreative Lösungen vorzuschlagen oder Sach- statt Personenbezeichnungen zu verwenden (z. B. "ärztliche Hilfe holen" statt "einen Arzt holen").

Darüber hinaus hat auch die Schreibung mit Binnen-I ( z. B. die StudentInnen) zum Ausdruck des Gemeintseins beider Geschlechter ab den 1980er Jahren eine gewisse Verbreitung gefunden. Diese Schreibweise wurde 1984 von der Züricher Wochenzeitung woz eingeführt, wo sie auch bis heute relativ konsequent angewendet wird. 1986 übernahm auch die deutsche Tageszeitung taz das Binnen-I, verwendet es allerdings schon seit langem nur noch ausnahmsweise.

Im Vergleich mit Frankreich kann gesagt werden, dass in beiden Ländern durch die Sichtbarmachung von Frauen auf deren systematische sprachliche Abwesenheit reagiert wurde. Allerdings hatte die Frage in Deutschland nicht die gleiche linguistische Tragweite, da die Bildung des Femininums durch Anfügen der Endung -in in der Regel unkompliziert und eindeutig ist. Im Französischen dagegen sind mehrere Formen möglich. Ein den Sprachwandel bremsendes Problem besteht auch weiterhin darin, dass bestimmte Femininformen dem Ohr ungewohnt sind bzw. abwertende oder lächerliche Zweitbedeutungen haben.

4. Postmoderne Kritik an geschlechtergerechtem Sprachgebrauch

Nachdem wir nun die Problematik der geschlechtlichen Asymmetrie in der Sprache anhand des Französischen und des Deutschen in historischer Perspektive dargelegt sowie Strategien zu ihrer Aufhebung diskutiert haben, sollen diese nun noch einmal einer kritischen Betrachtung unterzogen werden, die sich aus den neueren Tendenzen innerhalb der feministischen Theorie ergibt.

Wie für die "Gender Studies" insgesamt, stellte die Veröffentlichung von Judith Butlers Das Unbehagen der Geschlechter (1991) auch für die feministische Linguistik einen Einschnitt dar. Butler betreibt in ihrem Werk eine radikale De-Essentialisierung der Kategorie Geschlecht. Sie stellt politische Praxis auf der Grundlage von Geschlechterkategorien, vor allem aber binärer Vorstellungen von Geschlecht, in Frage. Butler dekonstruiert alle Denkweisen, die von festen, unveränderbaren Identitäten ausgehen. Die Argumentation der feministischen Linguistik ging bislang allerdings gerade dahin, das kollektive Recht auf eigenständige weibliche Identität durch sprachliche Repräsentation einzufordern. Dem stellt sich Butler mit der Argumentation entgegen, dass weibliche Identitätspolitik nur bestimmten Frauen zugute komme. Andere, die in herkömmliche Vorstellungen nicht hineinpassten, blieben weiterhin unsichtbar. Das neu gebildete kollektive Subjekt "Frau" beanspruche fortan, die Norm für weibliche Identität zu setzen und untergrübe damit die vielfältigen und ständig variierenden Arten, Frau zu sein.

Postmoderne Linguistinnen wie Antje Hornscheidt teilen die Kritik Judith Butlers. Auch Hornscheidt (1998, 148 f.; 2002, 26 f.; 2006, v) sieht in der semantischen Verbindung von grammatischem und natürlichem Geschlecht die Verfestigung konstruierter und historisch gewachsener Zweigeschlechtlichkeit durch Sprache. Das Sprachsystem trage damit zur Erhaltung von heterosexuellen Geschlechterstereotypen bei. Hornscheidt geht daher davon aus, dass eine Lösung des Problems männlich dominierter Sprache nicht allein auf der Ebene von Grammatik zu suchen ist. In ihrem poststrukturalistischen Verständnis ist Sprache permanente soziale Praxis. Eine davon losgelöste, sprachsystematische und objektivierbare Ebene existiert für sie nicht. Sie fordert vielmehr eine Analyse gesellschaftlicher Geschlechterverhältnisse über die Frage grammatischer Asymmetrie hinaus. Auf deren Basis sollen mittels einer ständig bewussten und reflektierten Sprachpraxis bestehende Geschlechterkonzeptualisierungen stets neu verhandelt und vielfältige Formen von Subjektivität verwirklicht werden. Es handelt sich dabei um einen Prozess, der nie abgeschlossen wäre und auch keine klare und eindeutig benennbare Zielvorstellung verfolge. Vielmehr würde über eine kontinuierliche ReSignifizierung in der Sprachpraxis eigenständige Deutungsmacht und damit geschlechteradäquater Ausdruck erreicht.

Schlusswort

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die aus der feministischen Linguistik hervorgehende Kritik der Sprachnorm und die Vorschläge zu ihrer Demokratisierung zu einer neuen, aus poststrukturalistischer Perspektive ebenso kritisierbaren Norm führen.  Universalismuskritik kann damit zu neuen Universalismen führen. Das heißt allerdings nicht, dass kein Handlungsbedarf besteht. Vielmehr kann die feministische Linguistik als der Beginn eines normenkritischen Sprachbewusstseins und neuen Umgangs mit Sprache gesehen werden, die auch für andere Bereiche relevant sein können.

Bibliographie

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Hornscheidt, Antje: Die Nicht-Rezeption poststrukturalistischer Gender- und Sprachtheorien der Feministischen Linguistik im deutschsprachigen Raum. In: Germanistische Linguistik, Nr. 167/168, Marburg/Lahn, 2002, S. 5-51.

Hornscheidt, Antje: Die sprachliche Benennung von Personen aus konstruktivistischer Sicht. Genderspezifizierung und ihre diskursive Verhandlung im heutigen Schwedisch. Berlin/New York, 2006.

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Khaznadar Edwige: Etat des textes constitutionnels francophones - la notion de nom de fonction. In: Sêméion, Paris, Sonderausgabe 2008, S. 83-89.

Pusch, Luise: Das Deutsche als Männersprache. Aufsätze und Glossen zur feministischen Linguistik. Frankfurt/M., 1984.

Trabant, Jürgen: Artikulationen. Historische Anthropologie der Sprache. Frankfurt/M., 1998.

Vaugelas, Claude Favre de: Remarques sur la langue française. Paris, 1647: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k509950  (22.09.2008)

Was sind "Gender studies"?

http://www.genderkompetenz.info/genderkompetenz-2003-2010/handlungsfelder.html

 

Pour citer cette ressource :

Jutta Hergenhan, Feministische Sprachkritik in Frankreich und Deutschland im Spiegel postmoderner Theoriebildung, La Clé des Langues [en ligne], Lyon, ENS de LYON/DGESCO (ISSN 2107-7029), novembre 2008. Consulté le 24/11/2024. URL: https://cle.ens-lyon.fr/allemand/langue/langue-et-normes/feministische-sprachkritik-in-frankreich-und-deutschland-im-spiegel-postmoderner-theoriebildung