Presseschau vom 30. Januar bis zum 6. Februar
– von Christophe Lehousse, Journalist
Grübelzeit bei den beiden VolksparteienDunkle Zeiten für die beiden großen Volksparteien. Nach ihren klaren Niederlagen bei den letzten Landtagswahlen - für die CDU hauptsächlich in Hessen und für die SPD in Niedersachsen - schneiden die Spitzenpolitiker beider Lager finstere Gesichter. Und das umso mehr, als der Durchbruch bei diesen Wahlen der antiliberalen Partei Die Linke, die bisher nur in den neuen Bundesländern Einfluss hatte, das traditionelle Koalitionssystem komplett auf den Kopf gestellt hat.
In dieser Woche versuchten also die beiden großen Verlierer die ersten Schlüsse für die Zukunft aus ihrem Misserfolg zu ziehen. Am heftigsten war diese Abrechnung bei der Union, die einen verbissenen Richtungsstreit antrat: Soll sie künftig bei der zentralen Linie der Kanzlerin bleiben, oder muss sie sich demnächst viel liberaler orientieren? So lautet ungefähr die Frage, für die die große Rechtspartei bis 2009 eine Lösung erhofft, wenn wieder Bundeswahlen angesagt sind. Bis dahin stehen aber noch andere Landtagswahlen an, wie zum Beispiel in knapp drei Wochen in Hamburg. Deren Ergebnis könnte laut dem Spiegel selbst für Angela Merkel entscheidend sein, wenn sie weiterhin von ihrer eigenen Partei ungestört regieren will: Die Zeit bis zur Hamburg-Wahl wird für die Kanzlerin ungemütlich. Denn in der CDU regt sich was: Widerstand, Widerspruch, Widerwille. Auch gegen die Kanzlerin höchstpersönlich und ihre politische Ausrichtung. Tatsächlich musste sich Angela Merkel auch der Kritik mehrerer CDU-Politiker stellen, sie habe die rassistisch-populistische Wahltaktik des hessischen Spitzenkandidaten Roland Koch unterstützt und damit auch zum Debakel für die CDU in diesem Land beigetragen.
Bei der SPD herrschte aber in dieser Woche ebenfalls keine besonders überragende Stimmung. Erstens hat die Partei in Niedersachsen, einst eine ihrer Hochburgen, weiterhin an Grund verloren, und zweitens schmilzt die Zahl ihrer Mitglieder regelrecht dahin. 57000 Austritte im Jahre 2005, 22000 letztes Jahr. Die bisher größte Volkspartei mit rund 540000 Mitgliedern könnte somit bald ihren ersten Platz an die CDU verlieren. Diese musste zwar im letzten Jahr auch 17000 ihrer Mitglieder nachtrauern, verliert aber nicht so rasch an Substanz wie ihr Koalitionsverbündeter. SPD? Schrumpf Partei Deutschland, so nannte der Spiegel die Volkspartei geistreich um.
Unicef Deutschland unter Verdacht von finanziellen UnregelmäßigkeitenDie lange Serie der Nichtregierungsorganisationen, die verschiedene Skandale ausgelöst haben, ist diese Woche wieder um einen weiteren Namen gewachsen: Die deutsche Branche des internationalen Kinderhilfswerks Unicef steht unter dem Verdacht massiver finanzieller Unregelmäßigkeiten.
Einer Ermittlung der Frankfurter Rundschau zufolge zahlte die Organisation angeblich überhöhte Honorare an manche Ehrenmitglieder, die insgesamt eine Summe von rund 100000 Euro erreichen. Als Beispiel gibt die Zeitung den Fall eines pensionierten Mitarbeiters an, der, obwohl er normalerweise als freiwilliger Spendenwerber hätte arbeiten sollen, täglich 700 bis 850 Euro vom Unicef bekam. Außerdem muss sich das Unicef Deutschland einer anderen Anschuldigung stellen: Laut der Frankfurter Rundschau soll es sich auch den Umbau seiner Kölner Zentrale mit den Einnahmen seiner Spendenaktionen in Millionenhöhe geleistet haben.
Während die Organisation diese Vorwürfe zuerst massiv zurückgewiesen hat, sind allmählich Stimmen laut geworden, die diese Attacken zum Teil bestätigen. So hat etwa die ehemalige Vorsitzende der Unicef, Heide Simonis, die in dieser Woche zurückgetreten ist, manche Regelverstöße und eine große Intransparenz der Organisation zugegeben. Unabhängige Wirtschaftsprüfer haben dies durch ihre Recherchen ebenfalls bestätigt. Während noch unklar ist, ob ein juristisches Verfahren gegen die Organisation eingeleitet wird, muss Unicef schon mit der Absage vieler Spender rechnen: In dieser Woche waren es bereits ungefähr 5000, die ihre Spenden einstellten.
Im Süden nichts Neues: Kein Einsatz im Süden Afghanistans für die deutsche Bundeswehr Kein zusätzlicher Einsatz der deutschen Bundeswehr im Süden Afghanistans: So lautet der Entschluss des Bundesverteidigungsministers Franz Josef Jung. Am 1. Februar hat er diese Entscheidung der NATO und den USA mitgeteilt, die Deutschland eben um diese zusätzliche Mission gebeten hatten. Bislang sind die deutschen Truppen ausschließlich im Norden des Landes stationiert. Da Jung aber der Ansicht ist, dass innerhalb der NATO eine klare regionale Aufteilung vereinbart worden ist und es keinen Grund gibt, diese zu verändern, ging er auf die Anfrage der USA nicht ein. Eine Entscheidung, die von den meisten deutschen Zeitungen gebilligt wurde.
Pour citer cette ressource :
Presseschau vom 30. Januar bis zum 6. Februar, La Clé des Langues [en ligne], Lyon, ENS de LYON/DGESCO (ISSN 2107-7029), décembre 2008. Consulté le 21/11/2024. URL: https://cle.ens-lyon.fr/allemand/revue-de-presse/presseschau-vom-30-januar-bis-zum-6-februar