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21. Februar 2020 - Presseschau zum Terroranschlag in Hanau

Publié par Cécilia Fernandez le 21/02/2020

Der Staat muss Rechtsextremismus intensiver bekämpfen

Kommentar von Kurt Kister (Süddeutsche Zeitung, 20/02/2020)

Doch nicht nur er. Auch jeder Bürger muss jetzt gegenhalten. Gegen die Mörder - und gegen diejenigen, die eine mörderische Atmosphäre schaffen.

Sieht man nur jenes Video an, in dem der bürgerlich wirkende Massenmörder Tobias R. der Welt erklärt, dass das US-Militär in unterirdischen Stützpunkten Kinder töte und Satan anbete, könnte man sagen: O.k., der Typ ist ballaballa, und seinesgleichen gibt es viele auf Youtube. Nun hat der Typ aber zehn Menschen umgebracht, die er, mit Ausnahme seiner Mutter, erschossen hat, weil er Ausländer, Fremde, Nichtdeutsche und was es dergleichen Begriffe mehr gibt, töten wollte. Die Mordnacht von Hanau war rassistisch motivierter Terrorismus - egal ob der Täter nach medizinischen Kriterien psychisch krank war oder nicht.

Rassistisch motivierten Terrorismus dieser Art hat es in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zuhauf gegeben. Er ist gewachsen auf einer in der Bevölkerung verbreiteten Fremdenfeindlichkeit, die sich damals vor allem, aber nicht nur gegen Juden gerichtet hat. Es waren zunächst Einzeltäter und dann Gruppen, die von Teilen der Gesellschaft geschützt und von Teilen der Polizei nicht oder nur zögerlich verfolgt wurden, die als "Gesinnungstäter" von der Justiz oft milde behandelt wurden.

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"Wir stehen zusammen und halten zusammen"

dpa/afp/mic. (FAZ, 20/02/2020)

Nach der Gewalttat mit neun Toten in Hanau ruft der Bundespräsident zu gelebter Rücksichtnahme und Solidarität auf. Dies sei „das stärkste Mittel gegen den Hass“, sagte er bei einer Mahnwache in der hessischen Stadt. Die Tat verurteilte er als „brutalen Akt terroristischer Gewalt“.

Nach der mutmaßlich rassistisch motivierten Gewalttat in Hanau hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu gesellschaftlichem Zusammenhalt und Zivilcourage aufgerufen. „Wir stehen als Gesellschaft zusammen, wir lassen uns nicht einschüchtern, wir laufen nicht auseinander", sagte er am Donnerstagabend vor mehreren tausend Bürgern auf dem Hanauer Marktplatz. Die Gesellschaft müsse „einig sein gegen Hass, Rassismus und Gewalt“. Steinmeier rief die Bürger zu gelebter Rücksichtnahme und Solidarität auf. Dies sei das „stärkste Mittel gegen den Hass“, sagte er. „Halten wir dagegen, wenn Einzelnen oder Minderheiten in unserem Land die Würde genommen wird“, mahnte er. „Achten wir auf unsere Sprache in der Politik, in den Medien, überall in der Gesellschaft.“ Den Anschlag von Hanau bezeichnete er als einen „brutalen Akt terroristischer Gewalt“.

Zuvor hatte der Bundespräsident die beiden Bars besucht, die am Vorabend zum Ziel des Anschlags geworden war. Er legte einen Kranz nieder. Nach Steinmeiers Angaben versammelten sich am Donnerstagabend in mehr als 50 deutschen Städten Menschen zu Mahnwachen. In Hanau waren es nach Polizeiangaben rund 5000 Menschen. Friedliche Gedenkveranstaltungen gab es nach Angaben der Polizei auch in Frankfurt, Kassel, Fulda, Gießen oder in Darmstadt. In Frankfurt versammelten sich an der Paulskirche nach Polizeiangaben rund 3500 Menschen.

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Wahn und Kälte

Kommentar von Stefan Kuzmany (Spiegel Online, 20/02/2020)

Der Attentäter von Hanau war offenbar psychisch krank. Trotzdem kann sein Anschlag nicht als Wahntat abgetan werden, denn sein Hass suchte ein Ziel. Die rassistische AfD hatte es im Angebot.

Und wieder suchen wir nach Worten. Wir trauern um die Opfer. Wir sprechen den Hinterbliebenen unser Mitgefühl aus, wir wünschen den Verletzten Genesung. Am Ende bleibt doch nur Fassungslosigkeit angesichts der sinnlosen Grausamkeit. Wie kann einer hingehen und auf Menschen schießen, einfach so? Was hat ihn angetrieben?

Der Generalbundesanwalt hat ein Motiv identifiziert: "Gravierende Indizien für einen rassistischen Hintergrund". Die Bundeskanzlerin sagt: "Rassismus ist ein Gift. Hass ist ein Gift." Der Innenminister Horst Seehofer will die Sicherheitsvorkehrungen im ganzen Land verschärfen. Politiker aller Parteien äußern Entsetzen und stehen zusammen gegen rechten Terror.

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"Wir dürfen nicht auf die Hetzer hereinfallen"

Sebastian Leber (der Tagesspiegel, 20/02/2020)

Die Menschen in Hanau können am Tag nach dem Anschlag an zwei Shisha-Bars nicht fassen, was geschehen ist. Aber sie hoffen, dass die Stadt jetzt zusammenhält. 

Eigentlich wollte Suleiman Ahmad am Mittwochabend selbst ins „Midnight“. Eine Shisha rauchen, dann in die Spielothek nebenan zum Billardspielen. Der 33-Jährige sagt, er wisse selbst nicht, warum er sich dagegen entschied und doch direkt zum Billard ging. „Vielleicht war es Zufall, vielleicht war es Gott.“

Als dann die ersten Schüsse fallen, meint sein Nebenmann noch, da knalle sicher jemand mit Feuerwerk rum. Suleiman Ahmad geht auf die Straße, sieht mehrere Schwerverletzte. „Da stand auch ein Freund von mir. Ich fragte: Bruder, alles okay bei dir?“ Der Freund habe ihn angeguckt, als ob Ahmad eine unbekannte Sprache spreche. „Er wirkte traumatisiert.“

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"Schluss mit dieser Verharmlosung von Terroristen"

Presseschau zum Anschlag in Hanau (Zeit Online, 21/02/2020)

Nach dem Angriff in Hanau sehen die Medien Staat und Gesellschaft in der Pflicht. Eine Mitschuld trage die AfD: "Man muss mit allen erlaubten Mitteln gegen sie vorgehen."

Der rechtsextreme Angriff in Hanau, die Gründe dafür und mögliche Konsequenzen werden in allen Medien diskutiert. In einem sind sich die meisten einig: Die AfD trage Mitverantwortung an den rechten Gewalttaten. "Man muss mit allen erlaubten Mitteln gegen sie vorgehen", schreibt etwa Edo Reents für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. "Es reicht nicht mehr, zu versichern, man werde sich dem Rechtsterror entgegenstellen, wo immer er sich zeige – er darf sich nicht mehr zeigen. Der Staat ist am Zug."

Auch die Süddeutsche Zeitung nimmt die Bundesregierung in die Verantwortung. Doch staatliches Handeln allein reiche nicht aus. "Jeder und jede Einzelne steht in der Pflicht", kommentiert Kurt Kister. Das fange bei schlechten Witzen an und höre bei widerspruchslosem Hinnehmen von Alltagsrassismus nicht auf. "Man muss die Dinge klar benennen, zum Beispiel: Wer die AfD wählt, stellt sich selbst in die rechte Ecke, weil er auch die Rechtsextremisten wählt, die es in dieser Partei gibt."     

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Die Gewaltbereiten fühlen sich plötzlich verstanden

Annette Ramelsberger (Süddeutsche Zeitung, 21/02/2020)

Dass Rechtsterroristen SS-Rangabzeichen kennen und streng ideologisch sind, ist ein Missverständnis. Oft sind sie Einzelgänger, ermutigt von einem Strom völkischer Gesinnung - der bis in die Parlamente reicht.

So einfach kann man es sich machen: Hans-Georg Maaßen, der geschasste Chef des Bundesverfassungsschutzes, twittert morgens um 8.31 Uhr, nur Stunden nach dem Anschlag in Hanau: "Sozialistische Logik: Täter sind immer rechts, Opfer immer links. Man braucht sich nicht mehr mit Stalin, Mao, Pol Pot, Ulbricht ... auseinanderzusetzen ..." Später schiebt er nach, das sei doch gar nicht auf Hanau gemünzt gewesen.

Fakt ist, am Morgen nach dem Anschlag mit insgesamt elf Toten, gerichtet gegen drei Bars, beschäftigt sich der frühere Verfassungsschutzpräsident mit der Einordnung von Terroristen. Für Maaßen ist der Hintergrund des Täters von Hanau nicht in erster Linie rechtsradikal, sondern eine "Self-Made-Ideologie" mit allenfalls rechtsextremistischen "Versatzstücken".

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Der rechte Hass mitten unter uns

Annick Ehmann, Maria Mast und Julian Stahnke (Zeit Online, 21/02/2020)

Hanau ist nur ein Ort von vielen, an dem sich in Deutschland rassistische Gewalt entlud. Wir dokumentieren die Fälle rechtsextremer Taten der vergangenen zehn Jahre.

Zehn Menschen tötete Tobias R. am Mittwochabend. Er hasste Migranten, fühlte sich verfolgt, entwickelte Verschwörungstheorien. Sein zutiefst rassistisches Weltbild zeigt sich in einem wirren Schriftstück, das ihm zugeschrieben wird. Er handelte nach bisherigen Erkenntnissen allein und war wohl nicht in der rechten Szene vernetzt. 

Und doch fügt sich seine Tat in eine Reihe von rassistischen Angriffen und rechten Gewalttaten der jüngeren Vergangenheit ein. Sie alle ereigneten sich in einem politischen und gesellschaftlichen Umfeld, das sichtbar aggressiver geworden zu sein scheint.

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