18. September 2020 - Die gemeinsame EU-Asylpolitik gefährdet? Deutscher Alleingang um der Solidarität willen
UN-Flüchtlingshilfswerk fordert mehr Einsatz von Deutschland
KNA, AFP, dpa, mp (Die Zeit online, 16/09/2020)
Als reiches Land sollte Deutschland aus Sicht des UNHCR mehr als 1.500 Migranten aufnehmen. In der FDP ist von einem beschämenden Koalitionsbeschluss die Rede.
Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) hat die von der Bundesregierung angekündigte Aufnahme von mehr als 1.500 Migrantinnen und Migranten von den griechischen Inseln als "wichtigen Schritt" begrüßt. Deutschland könne aber als gut organisiertes und reiches Land mehr leisten, sagte zugleich der Sprecher der deutschen Sektion des UNHCR, Chris Melzer, im Deutschlandfunk.
Er hoffe, dass andere europäische Länder dem Beispiel Deutschlands jetzt folgten, sagte Melzer auch. Die EU müsse nicht jeden Geflüchteten dauerhaft aufnehmen, doch habe laut Melzer jeder Asylsuchende das Recht auf ein faires Verfahren.
SPD lenkt ein
dpa (Die Tageszeitung online, 15/09/2020)
Deutschland müsse mehrere Tausend Geflüchtete aus Griechenland aufnehmen, hatte SPD-Chefin Esken gefordert. Jetzt gibt die SPD dem Druck der Union nach.
Deutschland will nach der Brandkatastrophe von Moria noch mehr Hilfe leisten und 1.553 zusätzliche Flüchtlinge von fünf griechischen Inseln aufnehmen. Darauf haben sich Union und SPD am Dienstag verständigt, wie Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin mitteilte. Es handelt sich dabei um 408 Familien mit Kindern, die in Griechenland bereits als schutzbedürftig anerkannt wurden.
Dies soll der zweite Schritt sein, nachdem Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bereits am Freitag mitgeteilt hatte, Deutschland werde von insgesamt 400 unbegleiteten Minderjährigen bis zu 150 Jugendliche aufnehmen. Die 400 Minderjährigen sollen auf europäische Länder verteilt werden.
Opposition kritisiert GroKo-Plan zur Aufnahme von Geflüchteten
mes und dpa (Der Spiegel online, 16/09/2020)
1553 weitere Geflüchtete will die Bundesregierung aus Griechenland aufnehmen, doch die Opposition ist unzufrieden: Grüne und Linke fordern mehr deutsches Engagement, die FDP hält die Zahl für "aus der Luft gegriffen".
Früher als erwartet haben sich Union und SPD auf die Aufnahme von weiteren Geflüchteten aus Griechenland geeinigt. Doch der Plan der Bundesregierung, nach der Brandkatastrophe im Lager Moria 1553 Menschen von fünf griechischen Inseln aufzunehmen, stößt bei der Opposition auf Kritik.
Grünen und Linkspartei geht die Einigung nicht weit genug. In einem am Dienstagabend verbreiteten Papier prominenter Grünen-Politiker aus Bundestag und Europaparlament wird das deutsche Angebot als "völlig ungenügend" bezeichnet. Es liege weit unter dem, was Bundesländer und Kommunen an Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen können. Alle Geflüchteten aus Moria müssten jetzt zügig von der Insel Lesbos evakuiert und in europäische Länder verteilt werden. Den Wiederaufbau geschlossener Lager lehnen die Grünen ab.
Deutschland ist Europas Sonderfall
Christoph von Marschall (Der Tagesspiegel online, 15/09/2020)
Alle Parteien in Berlin rufen nach einer europäischen Lösung. Wie aber denken andere EU-Länder über die Notaufnahme der Flüchtlinge? Eine Analyse.
In Deutschland ist die Lage nach der Brandstiftung im griechischen Flüchtlingslager Moria seit Tagen das herausragende Thema der Öffentlichkeit. Fernsehsender bringen Sondersendungen. Kommunen und Bundesländer äußern ihre Bereitschaft, Flüchtlinge von dort aufzunehmen.
Die Bundespolitiker von der Union über die SPD bis zu den Grünen agieren zumeist vorsichtiger als die kommunale und regionale Basis ihrer Partei. Eine „europäische Lösung“ müsse her, der nationale Alleingang von 2015 dürfe sich nicht wiederholen. Die Grüne Katrin Göring-Eckardt benutzt die gleiche Formel wie Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU): „Humanität und Ordnung“. Sie scheut ebenso wie Annalena Baerbock bei „Anne Will“ davor zurück, einen deutschen Alleingang bei der Aufnahme zu fordern.
Deutschland, Frankreich und Niederlande nehmen Minderjährige auf
dpa, AFP, iso und Andrea Buhtz (Die Zeit online, 10/09/2020)
Die unbegleiteten Minderjährigen aus Moria werden auf mehrere EU-Staaten verteilt. Zuletzt meldete sich auch die Regierung in Den Haag. Die Lage auf Lesbos ist prekär.
Angela Merkel (CDU) hat eine deutsch-französische Initiative zur Aufnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge aus dem niedergebrannten Flüchtlingslager Moria angekündigt. Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis habe sie um diesen Schritt gebeten, sagte die Bundeskanzlerin bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin. Die Bundesregierung werde nun versuchen, andere EU-Staaten davon zu überzeugen, sich daran zu beteiligen.
Dabei geht es um eine Gruppe von 400 Kindern und Jugendlichen, die noch in der Nacht zu diesem Donnerstag nach Thessaloniki ausgeflogen worden waren. Wie viele Menschen nach Deutschland kommen, steht bislang noch nicht fest.