19. November 2018 - Gedenkfeiern in Paris und Berlin
100 Jahre Waffenstillstand am 11. November 2018
Hand in Hand am Ort der "allerletzten Versöhnung"
dpa / Afp / jk (Zeit Online, 10/11/2018)
1918 unterschrieb Deutschland bei Compiègne den Waffenstillstand mit den Alliierten. Angela Merkel und Emmanuel Macron erinnern dort an das Ende des Ersten Weltkriegs.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel haben im Wald von Compiègne gemeinsam an das Ende des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren erinnert. Auf einer Lichtung bei der Stadt nordöstlich von Paris wurde am 11. November 1918 der Waffenstillstand mit den Alliierten unterzeichnet. Es war das erste Mal, dass die Spitzen Deutschlands und Frankreichs gemeinsam diesen Ort besuchten.
Merkel und Macron enthüllten zusammen zwei neue Steintafeln, die auf Deutsch und Französisch die "Bedeutung der deutsch-französischen Aussöhnung im Dienste Europas und des Friedens" betonen. Die Formulierung ist auch ein Kontrast zur ursprünglichen Tafel aus den 1920er-Jahren. "Hier unterlag am 11. November 1918 der verbrecherische Hochmut des Deutschen Reiches, besiegt von den freien Völkern, die zu unterjochen es beansprucht hatte", heißt es dort.
"Dieser Tag ist nicht nur Mahnung, er ist auch Ansporn"
dpa (FAZ, 10/11/2018)
Vor 100 Jahren endete der Erste Weltkrieg. Kanzlerin Merkel und der französische Präsident kamen nun an jenem Ort zusammen, wo der Waffenstillstand besiegelt wurde. Davor hatte Macron noch einen schwierigen Gast.
Mit einer historischen Geste haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron der Opfer des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren gedacht. Merkel bedankte sich bei Macron für die Einladung nach Compiègne an die Stätte des Waffenstillstands von 1918. Es sei das erste Mal seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland, dass ein Bundeskanzler mit dem französischen Präsidenten an diesem Ort gewesen sei, sagte sie am Samstagabend in Paris. Das sei eine „symbolische Geste“. „Insofern ist dieser Tag nicht nur Mahnung, sondern er ist auch Ansporn.“
Macron und Merkel enthüllten am Samstag nahe Compiègne zwei Steintafeln, auf denen die Bedeutung der deutsch-französischen Aussöhnung im Dienste Europas und des Friedens betont wird. Heute sei der Wille da, „alles zu tun, um eine friedlichere Ordnung auf der Welt zu schaffen“, sagte Merkel mit Blick auf ein Friedensforum, auf dem sie am Sonntag in Paris sprechen wird. Es sei dafür aber noch viel Arbeit zu leisten.
In dem verheerenden Krieg von 1914 bis 1918 starben fast neun Millionen Soldaten und mehr als sechs Millionen Zivilisten.
Merkel und Macron in bewegender Zeremonie
dpa (der Tagesspiegel, 10/11/2018)
Die Bundeskanzlerin und der französische Präsident erinnern gemeinsam an das Ende des Ersten Weltkriegs – und erzeugen Bilder für die Ewigkeit.
Es ist nasskalt an diesem Samstagnachmittag im November in dem Waldstück bei Compiègne 80 Kilometer nördlich von Paris. Der französische Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel stehen mitten auf einer eingehegten, kreisrunden Lichtung vor einer riesigen Steinplatte mit der französischen Inschrift: „Hier unterlag am 11. November 1918 der verbrecherische Hochmut des Deutschen Reiches, besiegt von den freien Völkern, die zu unterjochen es beansprucht hatte.“
Merkel und Macron legen nun zwei neue, wesentliche kleinere Tafeln davor, weniger martialisch, weniger Pathos, die gewachsene Partnerschaft bekräftigend. Auf der einen Tafel auf Deutsch auf der anderen auf Französisch steht da: „Anlässlich des 100. Jahrestages des Waffenstillstandes vom 11. November 1918 haben der Präsident der Französischen Republik, Emmanuel Macron, und die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, Angela Merkel, die Bedeutung der deutsch-französischen Aussöhnung im Dienste Europas und des Friedens bekräftigt.“
Merkel wirbt für Zusammenhalt in der Welt
Bernd Riegert (Deutsche Welle, 11/11/2018)
Auf dem "Pariser Friedensforum" hat Bundeskanzlerin Merkel vor nationalem "Scheuklappendenken" gewarnt. Das Ende des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren soll Mahnung sein.
Nach der gemeinsamen Erinnerung an den Waffenstillstand, der vor genau 100 Jahren die Waffen in Westeuropa zum Schweigen brachte, sollten die versammelten Staats- und Regierungschefs am Sonntagnachmittag ein wenig praktisch arbeiten. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hatte sich zusammen mit politischen Stiftungen, Verbänden, Unternehmen und Hilfsorganisationen das erste "Pariser Friedensforum" ausgedacht. Dort haben alle Akteure zwei Tage Zeit, sich über bessere Regierungsführung, eine Stärkung der Vereinten Nationen, Frauenrechte, Umweltschutz und Friedenssicherung auszutauschen. Es gibt Vorträge, Seminare und auch praktische Übungen, zu denen selbst Staats- und Regierungslenker eingeladen sind.
Volkstrauertag am 18. November 2018 in Berlin
"Europa darf die Welt nicht ins Chaos abgleiten lassen"
dpa (FAZ, 18/11/2018)
Bei seiner Rede zum Volkstrauertag ruft Frankreichs Präsident Macron Deutschland dazu auf, Europa in Zeiten eines neuen Nationalismus gemeinsam krisenfester zu machen. Er appelliert an die Freundschaft beider Länder – und zitiert sogar Goethe.
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat Deutschland zu einer Kraftanstrengung aufgerufen, um Europa in Zeiten eines neuen Nationalismus krisenfester zu machen. „Heute müssen wir ein neues Kapitel aufschlagen“, sagte Macron am Sonntag in einer Rede zum Volkstrauertag im Deutschen Bundestag. „Das schulden wir Europa.“ Auch der Klimawandel, Handelskonflikte und andere Herausforderungen müssten gemeistert werden. „Wir wünschen uns alle eine faire Weltordnung.“ Macron bedankte sich, dass er an diesem Tag im Bundestag reden dürfe; das sei ein großes Signal der Versöhnung. „Unsere Gemeinsamkeiten sind stärker als unsere Unterschiede.“
"Das schulden wir Europa"
Albrecht Meier (der Tagesspiegel, 18/11/2018)
Frankreichs Präsident ruft Deutschland auf, gemeinsam ein neues Kapitel in der EU aufzuschlagen. Im Bundestag wirbt Macron für eine „europäische Souveränität“.
Für Emmanuel Macron ist das Gedenken an den Ersten Weltkrieg eng mit Deutschland verknüpft. Vor einer Woche hatte Frankreichs Präsident gemeinsam mit Kanzlerin Angela Merkel im Wald von Compiègne, wo die Deutschen vor 100 Jahren den Waffenstillstand unterzeichneten, an die Kriegsgräuel erinnert. Am Sonntag setzte Macron bei einer Rede im Bundestag dann den Schlusspunkt unter die zahlreichen Gedenkfeiern zum Ende des Ersten Weltkrieges. Deutschland und Frankreich teilten eine „tragische Vergangenheit, geprägt von Hoffnung und Zusammengehörigkeitsgefühl“, sagte er bei der zentralen Gedenkstunde zum Volkstrauertag, an dem der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft gedacht wird.
"Frankreich liebt Sie"
Nico Fried (Süddeutsche Zeitung, 18/11/2018)
Der französische Präsident schmeichelt den Deutschen und beweist in seiner Bundestagsrede Mut zum Pathos. Deutschland und Frankreich dürften die Welt "nicht in Chaos stürzen lassen".
Mit einer kleinen Geschichte von zwei Soldaten im Ersten Weltkrieg bereitet Emmanuel Macron in seiner Rede am Sonntagmittag im Deutschen Bundestag einen bewegenden Schlusspunkt vor. Es ist die Geschichte des Dichters Ernst Stadler, der im Sommer 1918 an der Front einen französischen Dichter erkannt haben soll, dessen Werke er ins Deutsche übersetzt hatte. Daraufhin schrieb er ihm eine Nachricht, offenbar auf Deutsch, die der Franzose nicht verstand. Trotzdem, so erzählt es Macron, soll er Stadler auf Französisch zurückgeschrieben haben: "Mein lieber Deutscher, ich verstehe Sie nicht, aber ich liebe Sie." Der Präsident wird den Geist dieser Geschichte am Ende seiner Ansprache in unnachahmlicher Weise in die Gegenwart übertragen.