14. Dezember 2018 - Annegret Kramp-Karrenbauer wird zur neuen CDU-Chefin
Wofür die Kandidaten stehen
Christoph Strack (Deutsche Welle, 6/12/2018)
Wird sich die CDU unter neuem Vorsitz verändern? Ja. Wie wird sie sich verändern? Das hängt von der neuen Person an der Spitze ab. Die drei Favoriten stehen für unterschiedliche Schwerpunkte und Generationen.
Es ist mit Abstand die bislang spannendste Wahl eines CDU-Vorsitzenden. Die drei aussichtsreichsten Kandidaten - alle aus dem Westen Deutschlands - präsentieren sich in ihren öffentlichen Auftritten vor der Wahl als Allrounder mit unterschiedlichen Schwerpunkten.
Bei Merz, 63 Jahre alt, dominieren wirtschaftspolitische und konservative Akzente, bei Kramp-Karrenbauer (56) die sozialpolitische Ausrichtung sowie das klassische "C" (das Christliche) bei ethischen Themen, Spahn (38) steht für die nationalkonservative Traditionslinie der Partei. Ein Blick auf politische Großthemen:
Sie hat die CDU gepackt
Oliver Georgi (FAZ, 7/12/2018)
Nach einem echten Wahl-Krimi hat Annegret Kramp-Karrenbauer in Hamburg eindrucksvoll bewiesen, dass sie siegen kann – und dass sie den Wünschen der CDU am Ende eher entspricht als Friedrich Merz.
Als der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther um kurz vor 17 Uhr das Ergebnis der Stichwahl verkündet, bricht im Lager von Annegret Kramp-Karrenbauer frenetischer Jubel aus. 517 Stimmen für „AKK“, 482 für Merz – es ist die Generalsekretärin aus dem Saarland, die die CDU als Vorsitzende in die Post-Merkel-Ära führen wird. Kramp-Karrenbauer kann es selbst noch kaum fassen, ungläubig legt sie die Hand vor den Mund, unter „Annegret, Annegret“-Sprechchören geht sie hinauf auf die Bühne. Eine der ersten Gratulantinnen ist Angela Merkel, die ihre Wunschkandidatin, wie es immer hieß, herzlich umarmt.
„Ja, ich nehme die Wahl an“, sagt Kramp-Karrenbauer dann, als sie schließlich am Podium steht und ihren Kontrahenten Friedrich Merz und Jens Spahn für einen „fairen“ Kampf dankt. Und: „Ich würde mich sehr freuen, wenn sowohl Jens Spahn als auch Friedrich Merz gemeinsam an dieser Aufgabe mitarbeiten.“ Kurz darauf bittet sie beide noch einmal zu ihr auf die Bühne, so wichtig ist ihr dieses symbolische Signal: Sie hat nicht gegen Spahn und Merz gewonnen, sondern will beide auch künftig eng in der Parteiführung einbinden.
Mit Instinkt und ohne Schwarzmalerei
Dominik Fürst (Süddeutsche Zeitung, 7/12/2018)
Die Wahl von AKK zur Merkel-Nachfolgerin ist Teil einer Entwicklung, die mit ihrer Ernennung zur Generalsekretärin begann. Ein Satz ihrer Rede könnte ihren künftigen Führungsstil beschreiben.
Als das denkwürdige Ergebnis schon seit mehreren Minuten bekannt ist, als der unterlegene Kandidat Friedrich Merz wieder auf dem Podium steht, sich für das Vertrauen bedankt und um Unterstützung für die Siegerin wirbt, da sitzt Annegret Kramp-Karrenbauer auf der Bühne dieses CDU-Parteitags in Hamburg und wirkt, als könne sie es noch nicht so richtig fassen. Sie hat Tränen in den Augen. Die 56-Jährige ist soeben zur neuen Vorsitzenden der Christlich-Demokratischen Union gewählt worden. Ihr kommt jetzt die gewaltige Aufgabe zu, nach 18 Jahren mit Angela Merkel an der Parteispitze den Übergang der CDU in die Zukunft zu gestalten. Es wird sich zeigen, wie gut sie diese Aufgabe bewältigt.
Kramp-Karrenbauer hat die kämpferischste der drei Bewerbungsreden gehalten. Merz, der als talentiertester Rhetoriker der Kandidaten um den CDU-Vorsitz galt, hielt eine gute Rede, nur eben weniger temperamentvoll. Auch Jens Spahn reichte in dieser Hinsicht nicht an sie heran. Der Applaus war bei Kramp-Karrenbauer am Lautesten und am Längsten. "Bei Führung kommt es mehr auf die innere Stärke als auf die äußere Lautstärke an", sagte Kramp-Karrenbauer. Ein Satz, der die frühere Ministerpräsidentin des Saarlands und nun ehemalige Generalsekretärin der CDU gut beschreibt - und der einen Ausblick auf ihren künftigen Führungsstil geben könnte.
Warum Kramp-Karrenbauer gewann und Merz verlor
Stefan Braun (Süddeutsche Zeitung, 8/12/2018)
Waren es die Parteitagsreden? War es das Netzwerk der Frauen - oder die Rolle der Parteiführung? Das Ergebnis von Hamburg hat viele Ursachen. Manche werden eine Versöhnung zwischen Siegern und Verlierern erschweren.
So knapp ist es noch nie zugegangen bei den Christdemokraten. 517 zu 482 Stimmen - so was nennt man wohl hauchdünnen Sieg. Und hauchdünne Niederlage. Schon für sich gesehen ist das ein sehr bemerkenswertes Ergebnis, zumal für die auf Stabilität ausgerichteten Christdemokraten. Wenn man bedenkt, welche mögliche Vorentscheidung bis hin zur Nachfolge im Kanzleramt damit getroffen wurde, ist die Bedeutung noch größer.
Warum ist die Wahl zum CDU-Vorsitz so knapp ausgegangen? Welche Faktoren haben dabei eine Rolle gespielt? Ein Überblick über die Entwicklungen und Prozesse, die zum Hamburger Ergebnis geführt haben.
Das AfD-Problem der CDU - und wie Kramp-Karrenbauer es lösen kann
Dietmar Neuerer (Handelsblatt, 8/12/2018)
Wähler von der AfD zurückholen ist eine der großen Aufgaben, die nun die neue CDU-Vorsitzende lösen muss. Wie das gelingen könnte, erklären Experten.
Berlin. Ein Wesensmerkmal der AfD ist, dass sich viele ihrer Akteure zu Wortmeldungen berufen fühlen, wenn sich Außerordentliches in der Politik ereignet. Mitunter gehen die Meinungen dann weit auseinander, etwa wenn es um Interna geht.
Als jüngst der AfD-Bundesvorstand damit drohte, gegen die eigene Jugendorganisation wegen „menschenverachtender Einzeläußerungen“ durchzugreifen, schaltete sich der Wortführer des rechtsnationalen Parteiflügels, der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke, ein und forderte Respekt für „unsere jungen Mitstreiter“.
Anders verfährt die Partei, wenn bestimmte politische Entwicklungen ihr in die Hände zu spielen scheinen. Dann spricht die AfD mit einer Stimme. Entsprechend fielen die Reaktionen auf die Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer („AKK“) zur neuen CDU-Vorsitzenden aus.
Liebe auf den zweiten Blick
Timo Frasch, Markus Wehner und Anna-Lena Ripperger (FAZ, 13/12/2018)
Nur wenige Tage nach der Wahl zur CDU-Vorsitzenden ist klar: Die CSU kann mit der neuen CDU-Vorsitzenden gut leben. Einige Gemeinsamkeiten und ähnliche Haltungen könnten die Zusammenarbeit in Zukunft erleichtern.
Hätte man unter CSU-Mitgliedern und -Funktionären eine Umfrage gemacht, wen sie als neuen CDU-Vorsitzenden bevorzugen, Annegret Kramp-Karrenbauer oder Friedrich Merz, hätte Letzterer gewonnen. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Alois Karl begründet das in seinem Fall so: „Erstens kennen wir uns privat, zweitens halte ich ihn für außerordentlich kompetent, und drittens hätte er der CDU die Konturiertheit zurückgegeben, die ihr in den vergangenen Jahren gefehlt hat.“ Der ehemalige CSU-Chef Erwin Huber sagt: „Merz kennt man in der CSU natürlich schon von früher, von 2002 und 2003. Kramp-Karrenbauer ist in Bayern körperlich nicht so oft aufgetaucht bis jetzt.“ Auch deswegen habe es im Parteiestablishment eher eine Neigung zu Merz gegeben.