10. Oktober 2018 - Der Deutsche Buchpreis 2018 geht an Inger-Maria Mahlke
Inger-Maria Mahlke gewinnt den Deutschen Buchpreis 2018
Felix Bayer (Spiegel Online, 09/10/2018)
"Archipel" ist der deutschsprachige Roman des Jahres. Das hat die Jury für den Deutschen Buchpreis in Frankfurt verkündet. Inger-Maria Mahlke erzählt darin eine Familiengeschichte aus Teneriffa.
Kurz vor dem Auftakt der Buchmesse wurde im Frankfurter Römer der Deutsche Buchpreis verliehen: an Inger-Maria Mahlke für den Roman "Archipel". Die 1977 in Hamburg geborene Autorin erzählt darin Geschichten von der spanischen Insel Teneriffa. "Archipel" ist Mahlkes vierter Roman, 2015 hatte sie mit "Wie ihr wollt" schon einmal in der engeren Auswahl für den Buchpreis gestanden.
In "Archipel" lässt Inger-Maria Mahlke die Ereignisse auf der Kanareninsel Teneriffa bis zurück ins Jahr 1919 Revue passieren - die erzählerische Besonderheit dabei: Sie präsentiert sie rückwärts, also von der Gegenwart immer tiefer hinein in die Vergangenheit. (Lesen Sie hier eine Rezension des Romans.) Als Kind hat Inger-Maria Mahlke ihre Ferien oft bei ihrer Großmutter auf Teneriffa verbracht, eine andere Welt als das "Vorortdeutschland", in dem sie aufgewachsen sei.
Deutscher Buchpreis 2018 geht an Inger-Maria Mahlke
Sabine Peschel, Laura Döing (Deutsche Welle, 08/10/2018)
Die Autorin Inger-Maria Mahlke hat den diesjährigen Deutschen Buchpreis gewonnen. Er gilt als wichtigster Branchenpreis. In ihrem Roman geht es um eine Familien-Geschichte auf Teneriffa - in ihrer Dankesrede um Joghurt.
Mit dieser hochdotierten Auszeichnung kürt der Börsenverein des Deutschen Buchhandels jedes Jahr zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse den besten deutschsprachigen Roman des Jahres. Die Gewinnerin Inger-Maria Mahlke kann sich nicht nur über die Auszeichnung, sondern auch über ein Preisgeld von 25.000 Euro freuen.
Die Laudatorin lobte das Werk von Inger-Maria Mahlke für die genaue und stimmige Erzählweise und die "schillernden Details", die in dem Erzählfluss des Romans eingebaut sind.
Mahlke erinnerte in ihrer kurzen Dankesrede an die Bedeutung von Literatur: "Ich möchte allen danken, die wissen, dass es einen Unterschied gibt zwischen Büchern und Joghurt". Denn Literatur ermögliche Lesern eine existenzielle Erfahrung zu machen.
Inger-Maria Mahlke gewinnt in schwachem Finalisten-Jahrgang
Andreas Platthaus (FAZ, 08/10/2018)
Mit ihrem Roman „Archipel“ gewinnt Inger-Maria Mahlke den Deutschen Buchpreis 2018. Die Entscheidung zeigt eine Schwäche, die Autorin Geistesgegenwart.
Was sagt die Verleihung des diesjährigen Deutschen Buchpreises an Inger-Maria Mahlke aus? Zunächst einmal, dass es kein starker Finalisten-Jahrgang war. Was nicht an der aktuellen Literatur generell lag, sondern an den zuletzt noch ausgewählten Titeln. Schon auf der Longlist hatten ein Solitär wie „Schattenfroh“ von Michael Lentz oder Publikumslieblinge mit hohem literarischen Anspruch wie Daniel Kehlmanns „Tyll“ und Robert Seethalers „Das Feld“ gefehlt. Arno Geigers faszinierende Kriegsschilderung „Unter der Drachenwand“ wurde dann ebenso auf dem Weg zur Shortlist ausgesiebt wie Gianna Molinaris Debütroman „Hier ist noch alles möglich“.
Warum sich die Jury für Inger-Maria Mahlke entschieden hat
Gerrit Bartels (Tagesspiegel, 08/10/2018)
Die Berliner Schriftstellerin Inger-Maria Mahlke bekommt den Deutschen Buchpreis 2018. Diese Auszeichnung ist ein kleines Literaturbetriebspolitikum.
Wer hätte das gedacht: Bücher sind etwas anderes als Joghurt! Über diese profane Feststellung kann man sich natürlich schön lustig machen, und doch hat sie ihre tiefere Bedeutung, als Inger-Maria Mahlke an diesem Abend im Frankfurter Römer meint, auf diesen Unterschied hinweisen zu müssen. Nachdem sie erfahren hat, dass sie für ihren Teneriffa-Roman „Archipel“ den Deutschen Buchpreis 2018 zugesprochen bekommt, will die 1977 in Hamburg geborene und in Berlin lebende Schriftstellerin keine großen Worte machen, „überfordert, aber glücklich“, wie sie ist.
Was der Buchpreis an Inger-Maria Mahlke bedeutet
Mara Delius (Welt Online, 09/10/2018)
Noch nie waren so viele Autorinnen für den Deutschen Buchpreis nominiert. Auf der Shortlist standen vier Frauen und zwei Männer. Musste 2018 also eine Frau den Preis gewinnen? Oder ist er gar ein Signal für Rowohlt?
Dass beim deutschen Buchpreis nicht zwangsläufig das beste Buch des Jahres gewinnt, ist bekannt – nicht zuletzt, weil sich jedes Jahr die Kritiker darüber aufregen, dass wieder einmal nicht das beste Buch gewonnen hat.
Im Allgemeinen sind hierbei drei Kritiker-Erregungsstufen zu erkennen: Bekanntgabe Longlist („Was, X ist drauf?“), Bekanntgabe Shortlist („Nein, unglaublich, Y wurde übergangen!“), Preisverkündung („Sowas, Z! X war doch viel stärker, und Y erst!“).
Gelöscht ist für immer gespeichert
Rezension von Insa Wilke (Zeit Online, 11/09/2018 aktualisert am 08/10/2018)
Inger-Maria Mahlkes Roman "Archipel" erzählt anhand von drei Familien vom spanischen Faschismus und Kolonialismus. Er hat zu Recht den Deutschen Buchpreis erhalten.
Die Vergangenheit ist unendlich. Sie ist mächtig und vielgestaltig. Die meisten Menschen sind ihr hilflos ausgeliefert. Warum das so ist? Die Schriftstellerin Inger-Maria Mahlke hat dafür ein gutes Bild gefunden: Wir glauben, sagte Mahlke in einem Gespräch, auf einem schmalen Pfad in die Gegenwart gelangt zu sein. Dabei sei die Vergangenheit mindestens ein genauso weiter Raum wie die scheinbar unendlich offene Zukunft.
Dass Menschen blind sind für diesen Raum, in dem sie schwankend einen festen Stand suchen, ist keine neue Erkenntnis. Die Literatur findet in dieser Blindheit und dem Ringen um Souveränität seit jeher einen umso verlässlicheren Grund. Und wer jetzt einwenden möchte, nichts sei aber doch heutzutage so gut ausgeleuchtet wie die Vergangenheit, der lese Inger-Maria Mahlkes Roman Archipel, der zu Recht mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wird.