Gustav Klimt - Ein Überblick über sein Werk
Die ersten Jahre (1862-1893)
Gustav Klimt wird 1862 als Sohn eines Goldgraveurs bei Wien geboren. Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Ernst studiert er an der Wiener Kunstgewerbeschule und sie bilden in den 80er Jahren ein Trio mit ihrem gemeinsamen Freund Franz Matsch. Die Compagnie macht sich 1885 durch ihr Werk in der Hermes-Villa bekannt. Die jungen Künstler stehen nämlich vor der schwierigen Aufgabe, das Werk des plötzlich verstorbenen Meisters des Historismus Hans Makart in der kaiserlichen Villa fertigzustellen. Zu dieser Zeit ist Klimts Stil noch sehr akademisch und realistisch. Er folgt der Mode des Neoklassizismus (Allegorien, antike oder historische Figuren, fotografischer Realismus) und des Historismus (riesige historische Fresken, Fülle an Farben, ähnlich wie im Barock (z.B. Der Triumph der Ariadne von Makart)). Erst ab 1886 und der Dekorierung des Burgtheaters entfernt sich Klimt von seinen beiden Partnern: Er malt das Theater aus der Sicht der Bühne und nicht des Zuschauers. Trotz seiner Originalität bleibt er sehr beliebt : 1888 überreicht ihm der Kaiser das goldene Ehrenkreuz. Doch bald geht er zu weit für die konservativen Wiener. 1890 malt er im Burgtheater Das Mädchen von Tamagra, das eigentlich das Alte Griechenland verkörpern soll und doch die Züge und die Frisur einer Wiener Prostituierten hat. Seine Judith I aus 1892 ist auch besonders sinnlich und provokativ, obwohl das Thema für diese Zeit gewöhnlich bleibt. 1893 verweigert ihm das Kulturministerium einen Platz als Professor an der Kunstakademie, was Klimt sehr zornig macht. Mit dem Tod seines Bruders und seines Vaters 1892 wird er ganz zum Alleingänger.
Die ersten Oppositionsjahre mit den Fakultätsbildern (1894-1905)
Klimts Bilder sind jetzt symbolreicher und gesellschaftskritischer geworden. 1894 bekommen Klimt und Matsch den Auftrag, die Aula Magna der Universität mit drei Monumentalwerken (Die Medizin, Die Philosophie und Die Jurisprudenz) zu dekorieren. Obwohl seine Freske Die Philosophie (1900) die Goldmedaille bei der Pariser Weltausstellung erhalten hat, wird er in Wien von der Regierung scharf kritisiert und die Universität lehnt sie ab. Ein ähnliches Schicksal erfahren die zwei anderen Werke. Klimt kann die Kritik nur stillen, indem er 1905 in einem öffentlichen Interview seine Werke zurückfordert und seine reichen Mäzene die Honorare zurückbezahlen. Klimt wird nie wieder staatliche Aufträge annehmen. Seine Figuren sind vor allem nackte, dominante und furchterregende Frauen und man wirft ihm Obszönität vor. Klimt muss aber als ein Zeitgenosse von Freud verstanden werden, denn seine Bilder sind von träumerischen Erscheinungen und psychoanalytischen Theorien geprägt. Sein Bild Die Jurisprudenz (1903-07), das die siegende Justiz über das Böse darstellen sollte, zeigt magere und kranke Menschen, die wie von einem Kraken von der Dunkelheit überströmt werden. Klimt kritisiert die destabilisierende Justiz und das Gefühl der Entfremdung in der Gesellschaft seiner Zeit. Das Umbruchklima des sich modernisierenden Wiens ist sehr spürbar. Typisch für ihn ist die Wasserwelt und die Mischung aus realistischen Zügen und symbolisch stylisierten Hintergründen.
Durch und für den Körper protestieren
Mit den Fakultätsbildern wird Klimt endgültig zum gesellschaftskritischen Maler. Im selben Jahr 1897, in dem er die Wiener Secession gründet und zu seinem Präsidenten wird, reist er auch zum ersten mal mit Emilie Flöge ins Ausland. Diese Frau ist keine bloße Schneiderin. Sie leitet ihr eigenes Modegeschäft und ist für die Zeit besonders eigenständig. Obwohl sie zusammen eine lebenslange Beziehung haben, heiraten Flöge und Klimt nie, sondern bleiben ein freies Paar. Beide geben sich gegenseitige Inspiration in ihrem Werk. Klimt malt originelle Stoffmuster für sie und er engagiert sich in seiner Kunst für die Befreiung der Frau. Er zeigt den Körper, wie man ihn zur Zeit des Korsetts nicht zeigen darf: Auf Danae (1907-1908) zeigt er die Frau während eines sexuellen Akts. Dabei stellt er die Frage der Intimität, da Danae in ihrem Schlaf und gegen ihren Willen von Zeus befruchtet wird und während dieser Szene von uns betrachtet wird. Der Schleier, der sie versteckt, ist zur Seite geschoben worden; und obwohl sie zusammengekauert liegt, verliert sie nicht an Sinnlichkeit. Auf Hoffnung I (1903) zeigt Klimt die Schwangerschaft als etwas bewundernswertes. Seine Figur steht stolz und schaut uns direkt an. Zu dieser Zeit versteckten sich die reichen Bürgerinnen in den letzten Schwangerschaftsmonaten auf dem Land. Hinter ihr lauern der Tod und die Krankheit, doch sie steht vor einem Strom Wasser, als Hoffnungsträgerin. Das Wasser wird auf Klimts Bildern zum Symbol des Lebens und der Freiheit. 1901, kurz nach dem zweiten Skandal, der mit einem seiner Fakultätsbilder zu tun hat, malt er Goldfische, ursprünglich An meine Kritiker genannt. Humorvoll und provozierend zeigt die Hauptprotagonistin dem Zuschauer ihren Hintern. Die Frauen schwingen sich in ihrem erotischen Spiel umher und würdigen dem Betrachter nichts als einen spöttischen Blick.
Der Beethovenfries im Palast der Secession (1902)
1897 gründet Klimt die Wiener Secession und ist ihr erster Präsident bis 1899. Die Gruppe fordert eine Erneuerung der Kunst und der Gesellschaft durch die Kunst. Sie will Gesamtkunstwerke erschaffen, die Architektur, Musik und Skulptur vereinen. Ihre 14. Ausstellung ist Beethoven gewidmet, wobei die Statue von Max Klinger im Mittelpunkt steht. Innerhalb ihres eigenen Museums, des modernen Palasts der Secession, entsteht ein breiter Raum aus Beton, in dem während der Ausstellungszeit ein Orchester spielt. So werden die Musik und die Architektur vereint. Klimt kümmert sich seinerseits um die Wandbilder. Er malt drei Wandbilder, die in drei Bewegungen die 9. Symphonie von Beethoven illustrieren sollen. Auf der linken Wand stellt er die Sehnsucht nach dem Glück dank schwebender, heller Geister dar. Doch diese Hoffnung stößt auf feindliche Gewalten: Auf der mittleren Wand sind Monster zu finden. Oben links sieht man Plagen, die Krankheit, Wahnsinn und Tod darstellen. Unter ihnen sind die drei Gorgonen zu finden, die griechischen Schicksalsgöttinnen, die Schlangen als Haare haben. Sie ähneln den drei Frauen auf dem Bild der Jurisprudenz. Rechts stehen Wollust, Unkeuschheit und Völlerei und zwischen ihnen ein haariges Monster, das im rechten Teil des Bildes zu einer riesigen Schlange wird. Auf der letzten Wand siegt das Glück und die Liebe. Klimt lässt sich hier von der "Ode an die Freude", der letzten Bewegung in der 9. Symphonie von Beethoven inspieiren. Die Sehnsucht nach Glück findet Stillung in der Poesie. Mann ud Frau sind keine Feinde mehr, sondern sie küssen sich.
Die Damenporträts
Während der Oppositionszeit der Secession und bis zu seinem Tod lebt Klimt von den Porträts bekannter Frauen. Er wird von dem Wiener Großbürgertum unterstützt und gilt als der bekannteste Künstler der Stadt. Dabei wird sein exakter Realismus besonders geschätzt. Doch Klimt spielt auch mit dem Kontrast zum abstrakten Hintergrund. Dabei lassen die Motiven an das Nähwerk seiner Freundin Emilie Flöge denken. Die akademischen Züge des jungen Klimts sind noch vorhanden. Im Porträt von Fritza Riedler (1906) zum Beispiel erinnert das Motiv im Hintergrund an die spanischen Hofhüte von Velasquez. Bemerkenswert ist auch die Zwiespältigkeit dieser Frau, die gleichzeitig sehr distanziert und sehr sinnlich ist: Sie scheint traurig auf etwas zu warten, doch ihr Kleid fließt wie Wasser und ist fast durchsichtig, ihr halb geöffneter Mund wird von dem roten Hintergrund und den Mundmotiven des Sessels besonders hervorgehoben. Oft malte Klimt die Körper erstmal nackt, um sie dann mit Ornamenten zu schmücken. Die Sinnlichkeit steht also im Zentrum und am Ursprung des Gemäldes.
Die exotischen Mosaiken des Stoclet-Palasts in Brüssel (1905-1909)
Zwischen 1905 und 1909 wird Klimt beauftragt, für ein reiches, belgisches Ehepaar ihr modernes Haus zu schmücken. Ihre Villa wird von Joseph Hoffmann aus geometrischen Formen gebaut und scheint ein Vorbote der Architektur der 20er Jahre zu sein. Da das Paar sich sehr für orientalische Kunst interessiert, sind die Ornamente voller byzantinischer Symbole, und die Darstellung der Figuren in 2D erinnert an die ägyptischen Malereien. Klimt zeichnet die Muster, die von der Wiener Werkstätte angefertigt werden. Als Vorlage dienen ihm die italienischen Mosaiken, die er auf seiner Reise nach Ravenna, Florenz und Venedig entdeckt hat. Das Bild gehört zum Jugendstil, weil es eine rein dekorative Funktion hat und die Naturmuster überwiegen. Trotzdem erkennt man Klimts besonderer Stil. Die Fülle an Details im Hintergrund und die Benutzung der Goldblätter erreichen einen Höhepunkt. Zu dieser Zeit benutzt Klimt sehr viel Gold: Sein bekanntestes Werk, Der Kuss, wird 1908 von der Österreichischen Staatsgalerie gekauft. Die Versöhnung mit dem österreichischen Staat beginnt also, doch den Platz als Professor bekommt er immer noch nicht. Thematisch und stilistisch ist die Goldene Phase eine Umbruchszeit. Nun hat er die Secession verlassen. Die Figuren auf seinen Bildern werden sanfter, auch wenn der Raubvogel auf dem Lebensbaum an den lauernden Tod denken lässt.
Die modernen Einflüsse aus Paris (ab 1909)
1909 reist Klimt nach Paris, wo er Toulouse-Lautrec und die ersten Fauvisten, aber auch Van Gogh, Gauguin und Matisse entdeckt. Im deutschen Sprachraum beginnt der Expressionismus und eine neue Generation von Künstlern mit Egon Schiele oder Kokoschka. Sein Stil scheint ihm außer Mode und er verändert sich radikal. 1912 malt er das Porträt von Mäda Primavesi, einem kleinen Mädchen. Von nun an verschmelzen seine Damenporträts mit dem Hintergrund. Nun scheinen die Damen weniger distanziert, sie ähneln eher wartenden Puppen. Klimt benutzt viel grellere Farben und schnellere Pinselstriche. Es gibt oft viele Blumen, wenn die Frau nicht ganz die Form einer Blume annimmt. Wie bei Gauguin, Van Gogh und Monet gewinnen die bunten asiatischen und japanischen Motive an Bedeutung, zum Beispiel sieht man bei dem Porträt von Maria Beer (1916) Drachen, Kimono-artige Kleider, asiatische Masken und Menschen im Hintergrund. Auch die Bildkomposition ist typisch für japanische Kunst: Die Figur steht ganz im Bild und wird leicht von Oben betrachtet.
Klimts Landschaftsmalerei
Klimt hat parallel zu seinem Werk sehr viele Landschaften gemalt. Es waren Freizeitbilder, die ohne Vorskizze und mit Überresten von Farbe entstanden sind. Sie haben alle gemeinsam, dass kein Mensch auf den Bildern zu sehen ist und dass sie meistens quadratisch sind. Dieses Format benutzt Klimt auch für seine existanziellen Bildern, als hätte das Quadrat eine mystische Dimension. Der quadratische Rahmen könnte unendlich erweitert werden. Die ersten Landschaftsbilder zeigen Sonnenblumen oder Bäume, die das ganze Bild füllen, wie man es bei Apfelbaum I (1912) sehen kann. Der Stil ist dem Pointillismus oder dem Impressionismus ähnlich. Die letzten Bilder versuchen, die harmonische Beziehung zwischen Gebäude, Natur und Wasser zu hinterfragen zum Beispiel auf dem Bild Die Kirche in Cassone (1913). Diese Bilder ermöglichen Klimt, seine persönlichen Gefühle auszudrücken. Nach dem Tod seiner Mutter 1915 werden die Bilder dementsprechend dunkler und eintöniger.
Eros und Thanatos, die letzten Bilder
Von dem Beginn des ersten Weltkrieges bis zu seinem Tod an Folgen eines Schlaganfalls malt Klimt wieder große Wandbilder, die sich mit existenziellen Themen befassen. Die symbolistische Komponente in Der Tod und das Leben (1911), der Kontrast zwischen den Figuren und dem dunklen Hintergrund, aber auch die vielen geometrischen Details der Gewände, erinnern an die Fresken seiner Jugend. Doch sein Strich ist im Kontakt zu den Expressionisten schneller geworden und er benutzt mehr Farbkontrast. 1912 übermalt er absichtlich den goldenen Hintergrund von Der Tod und das Leben mit blau. Die Vorkriegszeit und der Krieg sind auch die Zeit der erotischen Skizzen, vielleicht der Einfluss von Egon Schiele? Am Ende seines Lebens arbeitet Klimt zurückgezogen in seinem Atelier, wo er immer ein paar Frauenmodelle frei um sich laufen lässt.
Pour aller plus loin
NÉRET Gilles, 2007. Gustav Klimt. Köln : Taschen
ARTE, 30 octobre 2018. « Gustav Klimt Der Geheimnisvolle ». 58:32 https://www.youtube.com/watch?v=mHmLkHPkTBg
Salvan Chloé, 2 novembre 2012. « Klimt et l’énigme du féminin ». Etudes, Tome 417, no 11, S.E.R, p. 509-520.
Kennedy Julie, 2001. « Gustav Klimt. Vers un renouvellement de la modernité… au féminin », Vie des Arts, vol. 45, no 183, La Société La Vie des Arts, p. 33-35
Pour citer cette ressource :
Iris Cussac, Gustav Klimt - Ein Überblick über sein Werk, La Clé des Langues [en ligne], Lyon, ENS de LYON/DGESCO (ISSN 2107-7029), juin 2020. Consulté le 23/11/2024. URL: https://cle.ens-lyon.fr/allemand/arts/peinture-et-sculpture/dossier-gustav-klimt/gustav-klimt