4. Dezember 2016 - Der Grüne Van der Bellen ist der neue Präsident Österreichs
Hasnain Kazim (Spiegel Online)
04. Dezember 2016
Österreich hat einen neuen Bundespräsidenten: Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen. Das Land stoppt nach der "Brexit"-Entscheidung und dem Wahlsieg Donald Trumps den weltweiten Siegeszug der Rechtspopulisten.
Die Prognosen stimmten wieder einmal nicht: Nahezu alle sahen Norbert Hofer von der rechtspopulistischen FPÖ knapp vor dem früheren Grünen-Chef Alexander Van der Bellen im Rennen um das Amt des österreichischen Bundespräsidenten. Nun hat Van der Bellen unerwartet deutlich gewonnen, dem vorläufigen Endergebnis zufolge mit 51,7 Prozent gegen 48,3 Prozent. Bei der letzten Stichwahl im Mai, die die FPÖ erfolgreich wegen möglicher Wahlmanipulationen angefochten hatte, war das Ergebnis knapper ausgefallen.
Die Österreicher haben eine Richtungsentscheidung getroffen, denn gegensätzlicher hätten die beiden Männer und ihre politischen Ziele kaum sein können. Hofer, 45, stand für Abschottung, gegen die EU, gegen Zuwanderung und Flüchtlinge, Van der Bellen, 72, für eine Öffnung, einen Pro-EU-Kurs und für eine Willkommenskultur.
Es war aber auch eine Stilentscheidung: gegen populistische Parolen, gegen das Spiel mit dem Feuer wie "Öxit"-Gedanken und Volksabstimmungen über die Todesstrafe, für einen gemäßigten, versöhnlichen Ton. Den aggressiven Wahlkampfstil Hofers mit zum Teil völkisch-nationalistischer Färbung hat die Mehrheit der Wähler nicht goutiert.
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"Ein klarer Sieg der Vernunft"
Reaktionen auf Wahl in Österreich
Kai Portmann (der Tagesspiegel)
04. Dezember 2016
Zahlreiche europäische Politiker zeigen sich erleichtert über den Sieg Alexander Van der Bellens. Frankreichs Front-National-Chefin Le Pen tröstet dagegen den Unterlegenen.
Vor der Wahl zitterte Europa vor einem weiteren Sieg eines Populisten. Umso größer war die Erleichterung, als schon kurz nach Schließung der Wahllokale in Österreich mit den ersten Hochrechnungen klar wurde, dass der ehemalige Grünen-Chef Alexander Van der Bellen uneinholbar vor dem Rechtspopulisten Norbert Hofer von der FPÖ lag.
"Gutes Zeichen gegen Populismus in Europa", schrieb Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bei Twitter zu Van der Bellens Wahlsieg und gratulierte dem 72-Jährigen.
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Pannen, Pech und ein knallharter Zweikampf
Oliver Das Gupta und Sebastian Jannasch (SZ)
04. Dezember 2016
Die Bundespräsidentenwahl in Österreich stand von Beginn an unter besonderen Vorzeichen. Erstmals wollte mit Irmgard Griss eine unabhängige Kandidatin in die Hofburg einziehen. So früh wie keiner ihrer Gegenkandidaten warf die 69-jährige Höchstrichterin im Dezember 2015 ihren Hut in den Ring. Sechs Kandidaten gab es in der ersten Runde am 24. April 2016. Am 22. Mai kam es zur Stichwahl, es folgte die Annullierung der Wahl und eine Verschiebung der Wahlwiederholung. Am 4. Dezember fiel schließlich die Entscheidung: Der ehemalige Grünen-Chef Alexander Van der Bellen setzte sich gegen den FPÖ-Vizeobmann Norbert Hofer durch.
- 17. Dezember 2015: Die Top-Juristin Irmgard Griss erklärt ihre Kandidatur. Sie will die erste Frau an der Spitze der Alpenrepublik werden. Zugleich bestreitet sie als Unabhängige ihren Wahlkampf mit Spendengeldern.
- 8. Januar 2016: Alexander Van der Bellen hat sich längere Zeit bedeckt gehalten, aber dann betritt der 72-jährige Wirtschaftsprofessor - einst Chef der Grünen in Österreich - doch die Wahlkampfbühne. Er wird bis zum 24. April alle Umfragen souverän anführen.
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Van der Bellen gewinnt deutlicher als erwartet
Michael Völker, Conrad Seidl (derStandart)
05. Dezember 2016
Alexander Van der Bellen konnte den Vorsprung auf Norbert Hofer bei höherer Wahlbeteiligung ausbauen, er steht als Bundespräsident fest. Die FPÖ bekräftigt, auf eine Anfechtung zu verzichten.
Alexander Van der Bellen konnte den Vorsprung auf Norbert Hofer bei höherer Wahlbeteiligung ausbauen, er steht als Bundespräsident fest. Die FPÖ bekräftigt, auf eine Anfechtung zu verzichten - derstandard.at/2000048771312/Van-der-Bellens-Wahlsieg-fiel-deutlicher-aus-als-erwartetAlexander Van der Bellen konnte den Vorsprung auf Norbert Hofer bei höherer Wahlbeteiligung ausbauen, er steht als Bundespräsident fest. Die FPÖ bekräftigt, auf eine Anfechtung zu verzichten - derstandard.at/2000048771312/Van-der-Bellens-Wahlsieg-fiel-deutlicher-aus-als-erwarte
Es ist kurios, dass eine Buchpreisrunde mit einer fußballmetaphernhaltigen Verleihung endet. Aber erst die wichtigen Dinge. Bodo Kirchhoff hat am Montagabend im Kaisersaal des Frankfurter Römers den mit 25.000 Euro dotierten Deutschen Buchpreis zugesprochen bekommen.
Der Deutsche Buchpreis zeichnet den „Besten Roman“ eines Jahrgangs aus, „Widerfahrnis“ ist eine Novelle, aber Kirchhoff mendelte sich beim fortschreitenden großen Lesen zunehmend als Favorit unter den letzten sechs der Nominierten heraus – der vielleicht noch am häufigsten genannte Mitfavorit Thomas Melle hat äußerst gezielt gar keine Fiktion geschrieben, so viel dazu.
– Quelle: http://www.berliner-zeitung.de/24932162 ©2016
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Die Chancen der Rechten sind gestiegen
Christian Geinitz (FAZ)
05. Dezember 2016
Durch Van der Bellens Sieg bleibt die FPÖ auf Bundesebene weiterhin ohne Verantwortung. Sie wird die rot-schwarze Regierung mit immer größerem Schwung vor sich hertreiben.
Wer meint, große Koalitionen gehörten in Europa der Vergangenheit an, der sieht sich in Österreich eines Besseren belehrt. Dort hat eine riesengroße Koalition dazu geführt, dass der ehemalige Parteivorsitzende der Grünen, Alexander Van der Bellen, am Sonntag zum Bundespräsidenten gewählt wurde.
Doch möglicherweise führt genau dieser Sieg dazu, dass die Tage der großen Koalition in Wien gezählt sind. Denn ein Triumph des rechten Gegenkandidaten Norbert Hofer von der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) hätte dem weitverbreiteten Unmut über die traditionellen Eliten die Spitze nehmen können.
Jetzt aber, wo die FPÖ auf Bundesebene weiterhin ohne Verantwortung bleibt, wird sie die rot-schwarze Regierung mit immer größerem Schwung vor sich hertreiben. Mehr noch: Angesichts der breiten Anti-Hofer-Koalition dürften die Rechten die anderen Oppositionskräfte gleichfalls in Haft für all das nehmen, was in Österreich falsch läuft, Van der Bellens Grüne ebenso wie die liberalen Neos.
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Van der Bellen wirbt für eine neue Gesprächskultur
Stephan Löwenstein (FAZ)
06. Dezember 2016
Nach einem langen Wahlkampf wirkt der neue österreichische Präsident Alexander Van der Bellen erschöpft. In seiner ersten Rede nach dem Wahlsieg wirbt er dafür, einander zuzuhören.
Erschöpft wirkte Alexander Van der Bellen, und wer kann es ihm verdenken. Am Dienstag zählte er in einer kurzen Ansprache als gewählter Präsident noch einmal die Stationen seit Beginn dieser Wahlauseinandersetzung auf: Wahlkampf, erster Wahlgang, Wahlkampf, Stichwahl, Anfechtung und Annullierung, neuer Termin für die Stichwahl, ein, „nennen wir es: ein Kleberproblem“, Verschiebung, wieder Wahlkampf, noch eine Stichwahl am vergangenen Sonntag. Zwar war schon am Abend klar, dass Van der Bellen so weit vorne lag, aber es stand noch die Auszählung der Briefwahlstimmen aus – jene Auszählung, die all die Jahre zuvor und eben auch im Mai bei der ersten Stichwahl in einigen Wahlkreisen so pragmatisch, aber regelwidrig vonstatten gegangen war, dass das Verfassungsgericht die Wahl aufhob.
Am Dienstag, nachdem nun auch diese Stimmen besonders gründlich, regelkonform und langwierig ausgezählt worden waren, konnte der Innenminister das Gesamtergebnis verkünden: Der Grüne Van der Bellen hat die Wahl mit fast 54 Prozent klar gegen den Politiker der rechten FPÖ Norbert Hofer gewonnen. Seinen hauchdünnen Vorsprung vom Mai, damals 31.000 Stimmen, konnte er mehr als verzehnfachen. Das hatte auch mit einer Wahlbeteiligung zu tun, die nochmals gestiegen ist: 74 Prozent der 6,4 Millionen wahlberechtigten Österreicher.
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Was der Präsident darf - und was nicht
Interview von Oliver Das Gupta (SZ)
21. Mai 2016
Der Wiener Staatsrechtler Manfried Welan über besondere Befugnisse des österreichischen Staatsoberhauptes - und welchen Zusammenhang seine Macht mit dem deutschen Nachbarland hat.
Professor Manfried Welan, Jahrgang 1937, ist einer der profiliertesten Staatsrechtler Österreichs. Der Politikwissenschaftler, der für die konservative ÖVP im Wiener Stadtparlament saß, gilt als der beste Kenner der Rechte und Pflichten des österreichischen Staatsoberhauptes. Er verfasste das zentrale Werk zum Thema: "Der Bundespräsident. Kein Kaiser in der Republik".
SZ: Im Wahlkampf haben die Kandidaten Nobert Hofer und Alexander Van der Bellen suggeriert, sie könnten als Präsident in der Tagespolitik mitmischen.
Manfried Welan: So einfach ist das nicht. Der Bundespräsident wird in den allermeisten Belangen nur auf Initiative der Regierung tätig.
Pour citer cette ressource :
4. Dezember 2016 - Der Grüne Van der Bellen ist der neue Präsident Österreichs, La Clé des Langues [en ligne], Lyon, ENS de LYON/DGESCO (ISSN 2107-7029), juillet 2016. Consulté le 27/12/2024. URL: https://cle.ens-lyon.fr/allemand/revue-de-presse/archives-revue-de-presse-2016/4-dezember-2016-der-gryne-van-der-bellen-ist-der-neue-prasident-osterreichs