23. März 2017 - Preis der Leipziger Buchmesse für Natascha Wodin
Preis der Leipziger Buchmesse geht an Natascha Wodin
Judith von Sternburg (Frankfurter Rundschau)
23. März 2017
Für ihren Roman „Sie kam aus Mariupol“ wird Natascha Wodin mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet.
Drei Siegerinnen bei den Preisen der Leipziger Buchmesse. Natascha Wodin, die mit ihrem Buch „Sie kam aus Mariupol“ (Rowohlt) in der Kategorie Belletristik gewann, war nicht die größte Überraschung. Schon andere Jurys haben klargemacht, dass Fiktion ein weiter Begriff ist und auch autobiografisches Material, wenn es auf literarischem Niveau behandelt wird, in Frage kommt. Das muss einen als Argument nicht überzeugen, aber Wodins Buch tut es umso mehr.
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Natascha Wodin erhält den Preis der Leipziger Buchmesse
Sandra Kegel (FAZ)
23. März 2017
Auch in diesem Jahr füllte sich am Messedonnerstag pünktlich um vier die weitläufige Glashalle: Der Literaturbetrieb, außerdem Presse, Fernsehen und als Mangas verkleidete Schüler waren gekommen, um der Verleihung der Preise der Leipziger Buchmesse live beizuwohnen. Und auch, dass die Juryvorsitzende eine Ansprache hielt, sieht das Ritual vor, was Christina Maidt-Zinke veranlasste, über das transfaktische Wesen der Literatur nachzudenken, die nicht aufkläre, indem sie Fakten darlege, sondern weil sie unsere Wahrnehmung schärfe, Vergangenheit neu beleuchte, Zukünftiges imaginiere.
_______________Dann spielt die Mutter Chopin
Helmut Böttiger (Zeit Online)
09. März 2017
Natascha Wodin gewinnt den Leipziger Buchpreis. In ihrem Roman "Sie kam aus Mariupol" erzählt sie die katastrophalen Geschichtsbrüche des 20. Jahrhunderts en miniature.
Es geht nicht unbedingt darum, etwas zu erfinden. Literatur kann auch entstehen, wenn sich die realen Ereignisse verdichten, wenn das, was wirklich geschehen ist, durchsichtig wird. Natascha Wodin ist eine Schriftstellerin, die sich schon immer gerne jenseits der Fiktion aufgehalten hat. Auch ihr neuestes Buch Sie kam aus Mariupol nimmt ihre Familiengeschichte in den Blick, aber sie wählt dabei eine andere Perspektive und greift noch viel weiter aus, als sie es schon in ihrem bewegenden, die eigenen psychischen Dispositionen schonungslos auslotenden Debüt Die gläserne Stadt von 1984 getan hat. Fest stand immer nur, dass die Autorin 1945 als Tochter von Displaced Persons geboren worden ist, von ort- und staatenlosen Eltern. Sie stammten aus der Sowjetunion, landeten während des Krieges als Zwangsarbeiter in Deutschland und fanden sich danach desorientiert in der Provinz zwischen Nürnberg und Fürth wieder.
Erst in ihrem neuen Buch beschäftigt sich Natascha Wodin jetzt ausführlicher mit ihrer Mutter. Sie wusste von ihr lange Zeit nicht viel mehr, als dass sie aus dem östlich entlegenen Mariupol gekommen war, einen tendenziell gewalttätigen Mann hatte und sich Mitte der fünfziger Jahre im Alter von 36 Jahren im beschaulichen fränkischen Flüsschen Regnitz umbrachte. Die Tochter war zu diesem Zeitpunkt zehn Jahre alt. Erst viel später beschrieb sie ihre weitere Sozialisation im russenfeindlichen Nachkriegsdeutschland, in Kinderheimen und in der Obdachlosigkeit, die Autorin schien lange Zeit weder Vergangenheit noch Zukunft zu haben und wurde darüber zur Schriftstellerin. Wo aber lagen ihre Wurzeln?
Berlin -
Für den gerade erst ernannten Baustaatssekretär der Linken, Andrej Holm, wird es eng. Sein überraschendes Geständnis vom Mittwoch, bei seinem Lebenslauf für eine Anstellung an der Berliner Humboldt-Universität (HU) falsche Angaben zu seiner Stasi-Zeit gemacht zu haben, sorgt für Irritationen in der rot-rot-grünen Koalition, insbesondere in der SPD. „Es gibt Aufruhr in der Partei“, sagte ein gut vernetzter Sozialdemokrat der Berliner Zeitung. „Viele finden: Der Mann ist nicht mehr zu halten.“ Auch renommierte DDR-Historiker wie Ilko-Saschea Kowalczuk und Jens Gieseke werfen Holm vor, die Unwahrheit gesagt zu haben.
Der 46-jährige Soziologe und Stadtforscher Holm hatte der HU verschwiegen, dass er von September 1989 bis Januar 1990 hauptamtlicher Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit war. Stattdessen hatte er in einem Fragebogen nur seine militärische Grundausbildung beim Stasi-Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ angegeben. Ihm sei jetzt erst durch Einblick in seine Kaderakte klar geworden, dass er hauptamtlich als Offiziersschüler beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS) beschäftigt gewesen sei, erklärte Holm. Seinen Lebenslauf habe er korrigiert nachgereicht. Die HU prüft derzeit rechtliche Konsequenzen. Auch der Senat hat, wie bei jedem neuen Staatssekretär, eine Regelanfrage bei der Stasi-Unterlagen-Behörde gestartet.
Quelle: http://www.berliner-zeitung.de/25302198 ©2016
Alexander Van der Bellen konnte den Vorsprung auf Norbert Hofer bei höherer Wahlbeteiligung ausbauen, er steht als Bundespräsident fest. Die FPÖ bekräftigt, auf eine Anfechtung zu verzichten - derstandard.at/2000048771312/Van-der-Bellens-Wahlsieg-fiel-deutlicher-aus-als-erwartetAlexander Van der Bellen konnte den Vorsprung auf Norbert Hofer bei höherer Wahlbeteiligung ausbauen, er steht als Bundespräsident fest. Die FPÖ bekräftigt, auf eine Anfechtung zu verzichten - derstandard.at/2000048771312/Van-der-Bellens-Wahlsieg-fiel-deutlicher-aus-als-erwarte
Es ist kurios, dass eine Buchpreisrunde mit einer fußballmetaphernhaltigen Verleihung endet. Aber erst die wichtigen Dinge. Bodo Kirchhoff hat am Montagabend im Kaisersaal des Frankfurter Römers den mit 25.000 Euro dotierten Deutschen Buchpreis zugesprochen bekommen.
Der Deutsche Buchpreis zeichnet den „Besten Roman“ eines Jahrgangs aus, „Widerfahrnis“ ist eine Novelle, aber Kirchhoff mendelte sich beim fortschreitenden großen Lesen zunehmend als Favorit unter den letzten sechs der Nominierten heraus – der vielleicht noch am häufigsten genannte Mitfavorit Thomas Melle hat äußerst gezielt gar keine Fiktion geschrieben, so viel dazu.
Quelle: http://www.berliner-zeitung.de/24932162 ©2016
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Vor Stalin geflohen, bei Hitler gelandet
Paul Jandl (Welt)
22. März 2017
„Sie kam aus Mariupol“: Natascha Wodins Roman erzählt von ihrer Familie – und vom Spuk des ganzen 20. Jahrhunderts. Den Preis der Leipziger Buchmesse hätte sie verdient. Ein Porträt.
Am Schaalsee in Mecklenburg-Vorpommern teilt der Kranich sein Reservat mit der anreisenden Hamburger Bio-Elite, man kann Vogelschutzaktien kaufen und in ein Gewässer schauen, das bis zur Wende die beiden Deutschlands voneinander getrennt hat. Der Schaalsee verführt zur Kontemplation, und doch ist er der Ort, an dem sich eine Geschichte geöffnet hat, die nicht in die Idylle dieser Landschaft passt. Sie handelt von russischen Zwangsarbeitern in Deutschland und von den Säuberungen des Stalinismus, von den grotesken Wirren des russischen Bürgerkriegs in der Ukraine, von unbeschreiblichem Hunger, von Lagern und Deportation.
Natascha Wodin hat diese Geschichte in ihrer Schreibwohnung am See zu Papier gebracht und ist bei ihren Recherchen immer tiefer ins abenteuerliche Unglück einer Familie geraten, von der sie zuvor kaum etwas wusste. Es ist ihre eigene Familie. „Sie kam aus Mariupol“ (Rowohlt, 368 S., 19,95 €) heißt das Buch, das für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert ist.
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Natascha Wodins "Sie kam aus Mariupol": Das Leben meiner Mutter
Interview mit Natascha Wodin
Josef Bichler (Der Standard)
18. März 2017
Warum tat ich mir das an? Diese und andere Fragen stellte sich die Schriftstellerin, als sie mit Recherchen begann. Jetzt ist sie für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert.
Ich wollte dieses Buch unter meinem russischen Mädchennamen Natascha Wdowin veröffentlichen", schreibt Natascha Wodin 1983 (als Anmerkung) in Die gläserne Stadt, ihrem literarischen Debüt. Und weiter: "Der Verlag bestand darauf, dass ich diesen Namen eindeutsche, leicht lesbar und aussprechbar für Deutsche mache. Ich verstehe das als Teil der Geschichte, die ich in diesem Buch niederschreibe."
Als Teil dieser Geschichte ließe sich, am Rande bemerkt, denn auch der Umstand begreifen, dass der Titel dieser Tage ausgerechnet in der Reihe "Moderne fränkische Klassiker" neu aufgelegt worden ist. Die Aufmerksamkeit der Stunde gilt aber Wodins jüngstem Buch: Sie kam aus Mariupol. Darin hat die 1945 im fränkischen Fürth als Tochter russisch-ukrainischer Zwangsarbeiter geborene Autorin die Spurensuche hinsichtlich ihrer Mutter dokumentiert, und obwohl Wodin sich heute von ihrem Debüt distanziert ("Vieles davon ist mir inzwischen peinlich"), macht sie in Sie kam aus Mariupol den Zusammenhang der beiden Bücher explizit: "Mein erstes Buch war so etwas wie der Versuch einer Autobiographie gewesen, aber damals hatte ich keine Ahnung gehabt von meiner Biographie, ich hatte mein Leben und seine Zusammenhänge nicht gekannt. Meine Mutter war immer eine innere Figur für mich geblieben, Teil einer vagen, im Ungefähren angesiedelten Privatvita, die ich mir jenseits politischer und historischer Zusammenhänge erfunden hatte, in einem Niemandsland, in dem ich ein herkunftsloses, wurzelloses Einzelwesen war."
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Pour citer cette ressource :
23. März 2017 - Preis der Leipziger Buchmesse für Natascha Wodin, La Clé des Langues [en ligne], Lyon, ENS de LYON/DGESCO (ISSN 2107-7029), mars 2017. Consulté le 27/12/2024. URL: https://cle.ens-lyon.fr/allemand/revue-de-presse/archives-revue-de-presse-2017/23-marz-2017-preis-der-leipziger-buchmesse-fyr-natascha-wodin