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22. Dezember 2018 - Der Fall Relotius

Publié par Cécilia Fernandez le 22/12/2018

Ein Geschichtenerzähler fliegt auf

Michael Hanfeld (FAZ, 19/12/2018)

Der „Spiegel“ wartet mit einer Enthüllung in eigener Sache auf: Ein Redakteur hat massive journalistische Fälschungen begangen. Er schrieb früher auch für andere. Das Ausmaß des Falls ist beachtlich.

Vor knapp drei Wochen war der „Spiegel“-Redakteur Claas Relotius noch ganz oben. Denn da gewann er den Deutschen Reporterpreis 2018 für die „beste Reportage“. Jetzt ist Claas Relotius ganz unten. Denn an seiner Geschichte „Ein Kinderspiel“, die von einem syrischen Jungen handelt, der glaubt, er trage wegen eines Streichs Mitschuld am Krieg in seinem Land, ist „vieles wohl erdacht, erfunden, gelogen. Zitate, Orte, Szenen, vermeintliche Menschen aus Fleisch und Blut. Fake“, schreibt Ullrich Fichtner, designierter Chefredakteur des „Spiegels“.

Und es ist nicht die einzige Fälschung, die der „Spiegel“ dokumentiert. Knapp sechzig Texte habe Relotius seit 2011 im Magazin und bei „Spiegel Online“ veröffentlicht, mindestens vierzehn seien zumindest teilweise gefälscht, wie der Journalist inzwischen zugegeben habe.

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"Weitgehende Folgen für den Journalismus generell"

(Spiegel, 20/12/2018)

Der Skandal um gefälschte Reportagen im SPIEGEL erschüttert die Medienwelt. Manche Kommentatoren fürchten um die Glaubwürdigkeit der Branche. Andere loben den transparenten Umgang mit dem Fall - die Presseschau.

"Die branchenübliche Häme ist dem Nachrichtenmagazin sicher, doch wäre es wohl klüger, wenn sich zumindest Journalisten ihre Schadenfreude verkneifen würden: Ein dreister, ja krimineller Lügner beim SPIEGEL, das ist, worauf zahllose Verschwörungstheoretiker in Zeiten der Debatten um Fake-News nur gewartet haben. So gesehen, trifft der Fall die gesamte Branche."
"Neue Zürcher Zeitung"

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"Ich wusste, dass er lügt"

Ralf Wiegand (Süddeutsche Zeitung, 20/12/2018)

Die Fälschungen des Reporters Claas Relotius treffen den "Spiegel" hart. Sein Kollege Juan Moreno deckte den Fall auf. Ein Gespräch über die Probleme bei der Enttarnung und Relotius' brillante Lügen.

Claas Relotius, 33, hat den Spiegel mit zahlreichen Fälschungen und Manipulationen in seinen Reportagen in eine schwere Krise gestürzt. Dass der Betrug nach fast 60 Veröffentlichungen für das Hamburger Nachrichtenmagazin überhaupt ans Licht kam, ist Juan Moreno, 46, zu verdanken. Mit dem Reporterkollegen arbeitete Relotius gemeinsam an einer großen Recherche über eine US-Bürgerwehr im mexikanisch-amerikanischen Grenzgebiet. Moreno waren dabei verschiedene Ungereimtheiten aufgefallen.

SZ: Herr Moreno, hatten Sie noch einmal Kontakt mit Claas Relotius, nachdem sein Schwindel aufgeflogen ist?

Juan Moreno: Nein, ich habe überhaupt nur zweimal mit ihm gesprochen. Einmal vor ein paar Monaten, weil er einen Text von mir betreut hat, und das zweite Mal, als ich andeutete, dass es Probleme gebe mit meinem Chef. Das hatte mein Chef ihm wohl auch gesagt, da rief er mich zurück. Das Gespräch begann mit den Worten: Juan, hast du mir etwas zu sagen? Nach diesem Telefonat wusste ich, dass er lügt, weil er Dinge sagte, die einfach keinen Sinn ergaben.

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Kommentar: Der Fall Relotius ist ein Verrat an der Wahrheit

Sandra Petersmann (Deutsche Welle, 20/12/2018)

Der preisgekrönte deutsche Journalist Claas Relotius hat Geschichten frei erfunden. Das ist gefährlich in einer Zeit, in der Populisten die Presse und die Demokratie angreifen, meint Sandra Petersmann.

Ich bin wütend und enttäuscht über den Tabu-Bruch von Claas Relotius. Ich habe seine investigativen Auslandsreportagen geliebt und ihm die vielen Journalisten-Preise gegönnt, weil auch ich davon ausgegangen bin, dass sie ehrlich verdient waren.

Für mich ganz persönlich ist die investigative Auslandsreportage die Königsdisziplin im Journalismus. Das, was Relotius der Wahrheit mit seinen gefälschten Auslandsreportagen angetan hat, ist journalistischer Hochverrat. So ein Verrat schadet der Demokratie insgesamt.

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Ein Fall für die Lehrbücher

Holger Stark (Zeit Online, 21/12/2018)

Claas Relotius wurde auf der Jagd nach der perfekten Geschichte zum Betrüger. Zweifel wurden weggewischt. Doch der Schock könnte heilsam für den Journalismus sein.

Ein junger Reporter, ein Shootingstar einer ganzen Branche, einer, der in das Räderwerk der Geschichte einzugreifen versuchte, hat sich als Hochstapler und Fälscher erwiesen. Claas Relotius, so heißt der Reporter, ist vor ein paar Tagen aufgeflogen, er hat eingeräumt, in seinen Reportagen Dialoge manipuliert, Protagonisten erfunden und Fakten fabriziert zu haben. Er hat vergangene Woche gekündigt. Der Spiegel, so heißt sein bisheriger Arbeitgeber, bezeichnet dies als "Tiefpunkt in der 70-jährigen Geschichte" des Nachrichtenmagazins. Das ist nicht übertrieben. Der deutsche Journalismus durchläuft in diesen Tagen eine Wahrhaftigkeitskrise, wie es sie seit der Veröffentlichung der gefälschten Hitler-Tagebücher im Stern 1983 nicht mehr gegeben hat.

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Wie der "Spiegel" die "Weiße Rose" missbrauchte

(Berliner Zeitung, 21/12/2018)

„Spiegel“-Reporter Claas Relotius hat offenbar viele seiner Geschichten erfunden oder verfälscht. Auch das Interview mit Traute Lafrenz ist ein solcher Fall.

Es reicht, wenn man Traute Lafrenz (99) einfach zuhört, wie sie in einem Interview mit B.Z. und BILD vom August über ihr bewegtes Leben spricht.

Lafrenz ist die letzte lebende „Weiße Rose“. Jene Widerstandsgruppe um die Geschwister Hans (24) und Sophie Scholl (21), deren Kampf gegen die Nationalsozialisten ein ewiger Lichtstrahl in der deutschen Vergangenheit bleibt. Claas Relotius reichte es nicht.

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Der "Spiegel" und sein Fälscher

Christian Meier (Welt, 22/12/2018)

Der aktuelle „Spiegel“ befasst sich mit dem Skandal im eigenen Haus. Auf der Titelseite das eherne Gesetz von Rudolf Augstein: „Sagen, was ist.“ Die Flucht ins Pathos darf keine bloße Pose bleiben.

Der Fälscherskandal beim „Spiegel“ um den Journalisten Claas Relotius zieht weite Kreise. Nicht nur hat der vielfach mit renommierten Journalistenpreisen ausgezeichnete Reporter seinem aktuellen Arbeitgeber zahlreiche Artikel untergejubelt, die teilweise oder komplett erfunden waren. Die Skrupellosigkeit des 33-Jährigen ging sogar so weit, dass er offenbar Passagen in einem Interview mit Traute Lafrenz, der letzten Überlebenden der Widerstandsgruppe Weiße Rose, erfunden hat.

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