Vous êtes ici : Accueil / Arts / Bande dessinée / Die Geschichte des Comics in Deutschland

Die Geschichte des Comics in Deutschland

Par Joanne Hebert
Publié par Joanne Hebert le 06/07/2022

Activer le mode zen

Bildgeschichten in Deutschland sind das Ergebnis einer langen kulturellen Tradition, die bis ins Mittelalter zurück reicht. Comics haben sich über die Jahrhunderte hinweg entwickelt, bis zum aktuellen populären Medium, in dem anhand von Text und Bildern eine Geschichte erzählt wird. Von Albrecht Dürer zu Ralf König, ein Überblick.

I. Ursprung des Comics

 

Römische Legionäre beim Bau der Trajansbrücke. Quelle : WikiMedia

Comics, wie wir sie heute kennen, sind schon vor 30.000 Jahren in Protoformen zu sehen. Steinzeitmenschen zeichneten nämlich Tiere und Menschen auf Felswände, während in der Antike Erntezyklen bildlich dargestellt wurden.

Die Trajanssäule, die noch in Rom zu bewundern ist, liefert ein anderes Beispiel dieser Protoformen des Comics, sowie auch der Teppich von Bayeux. So stellt dieser Teppich die normannische Invasion von England um 1066 in Bildfolgen dar.

Tapisserie de Bayeux (détail). 11. Jahrhundert. Quelle: WikiMedia

Andere Erscheinungen des Mittelalters sind Codices und Einblattdrucke, wie zum Beispiel die 1220 in der “Berliner Handschrift” aufgezeigte Bildgeschichte zum Eneasroman des Heinrich von Veldeke. In diesem frühen Bildroman traten in Bildfolgen dargestellte Figuren auf, aus deren Mündern der Text in Form von Spruchbändern kam. Während Bücher eher Sache des Adels waren, waren solche Bildgeschichten, die meist ein religiöses Thema behandelten, eher dem Volk gewidmet, das dadurch die Geschichten, die es aus den Predigten kannte, wieder im Bild erkennen konnte.

Die Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert, die es ermöglichte, Bilder zu reproduzieren (zuerst durch Holzschnitt, dann Kupferstich, Radierung und später noch Lithographie), bedeutete einen wahren Aufschwung in dem Angebot von illustrierten Texten sowie Bildgeschichten. Darunter zählt man zum Beispiel die Blockbücher, wo die ganze Seite (Bild und Text) auf einmal in einen Holzblock geschnitten war. Weltliche und biblische Geschichten zugleich wurden veröffentlicht, wie die Biblia Pauperum, eine Bibel, in der große Illustrationen die Geschichten verbildlichten. Andere Beispiele sind Siegenot (1487) des Druckers Johann Bämler oder die Kleine Passion von Albrecht Dürer (1510). 

Der Begriff Comic etabliert sich aber erst im 18. Jahrhundert mit dem Erscheinen von lustigen gezeichneten Geschichten in britischen Zeitungen. Erst dann kennen Comics auch in Deutschland einen wirklichen Aufschwung mit mehreren Bildzyklen von Künstlern wie dem Berliner Daniel Chodowiecki (1726-1801) oder später Johann Heinrich Ramberg (Das Leben Strunks des Emporkömmlings, 1822) und dem Berliner Bonaventura Genelli (Aus dem Leben einer Hexe, 1847). Ihre Werke galten als Kunst und waren eher anspruchsvoll und oft von erklärenden Texten begleitet.

Daniel Nikolaus Chodowiecki, Anekdoten über König Frederik II (1793). Quelle: Pycril

Zu einem großen Bruch führte das Werk des Schweizer Zeichners Rodolphe Töpffer, der Anfang des 19. Jahrhunderts eine neue Art von Bildgeschichten entwickelt und der von vielen als Erfinder der modernen Comics angesehen wird. Seine witzigen Geschichten, die Karikaturen der Gesellschaft darstellen, sind durch mehrere jeweils mit Texten verbundene, aufeinanderfolgende Bilder (Panels) aufgebaut.

Mehrere Zeitungen aus den USA fingen Mitte des 19. Jahrhunderts an, ähnliche Bildgeschichten zu veröffentlichen, die mit dem Begriff „Comicstrips“ bezeichnet wurden, was heute eher einen Comic mit wenigen Panels bezeichnet.

Rodolphe Töpffer, Histoire d'Albert (1844). Quelle: WikiMedia

 

Einer der ersten bekannten Comics dieser Zeit ist The Yellow Kid, der 1895 von Richard Outcault veröffentlicht wurde und in dem die Figuren durch Sprechblasen kommunizierten. In Deutschland erscheinen damals auch viele neue Comics. Heinrich Hoffmanns Struwwelpeter (1854) zum Beispiel, aber einen noch größeren Erfolg erzielte Wilhelm Busch mit einem seiner früheren Comics, Max und Moritz (1865), der zwei Jungen in sieben Streichen inszeniert und durch die in die USA einwandernden Deutschen verbreitet und auch dort sehr populär und viel nachgeahmt wurde. Bis heute gilt Max und Moritz als eine der berühmtesten deutschen Bildergeschichten.

Das 19. Jahrhundert ist auch die Zeit einer Massenalphabetisierung, die Mitte des Jahrhunderts in eine „Medienrevolution“ mündete und die weitgehende Verbreitung von Comics ermöglichte. Am Ende des Jahrhunderts konnten 90% der Menschen lesen und schreiben, und dank einer zunehmenden Grundschulausbildung spielen Comics jetzt auch bei Kindern eine große Rolle. Aber die Lust an Bildern blieb trotz der neuen Zugänglichkeit von Büchern sehr groß, und die sogenannten Bilderbogen (oft Bildgeschichten mit oder ohne Beitexte), die auf billigem Papier gedruckt und dadurch preisgünstig waren, wurden in Massenauflagen von unterschiedlicher Qualität produziert. Ein Beispiel solcher Bilderbogen ist Der gestiefelte Kater (1850) von Moritz von Schwind. 

Richard Outcault, The Yellow Kid and his new Phonograph (1896). Quelle: WikiMedia

 

Ebenfalls erwähnenswert für diese Zeit ist die Entwicklung des Erzählens durch Bilder. Während Bilder bis dahin die entscheidenden Momente der Geschichte darstellen sollten, werden jetzt die Bildfolgen benutzt, um Bewegung zu imitieren und auf einen Verlauf der Zeit anzuspielen.

Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Kindergeschichten weiterhin in Zeitschriften (Schmetterling, Dideldum, Papagei…) veröffentlicht. Die deutschen Zeichner, die in Sachen Illustration sehr begabt waren, blieben aber weitgehend bei der traditionellen Bildfolge mit Untertexten stehen, während die moderne Erzählform der Comics aus den USA und ihre dynamischen Panels mit Sprechblasen und Perspektivwechsel noch nicht sehr viel nachgeahmt wurden.

Wilhelm Busch, Einzelszene aus Max und Moritz (1865). Quelle: WikiMedia

 

II. 1900-1968: Der Moderne Comic - Aufschwung und Ablehnung

 

Rudolph Dirks, Did The Katzenjammer Kids Hang Themselves? No Such Luck! (1900). Quelle: WikiMedia

Am Anfang des 20. Jahrhunderts erscheint der moderne Comic als Folge der Entwicklung der früheren Druckgrafiken und Karikaturen. In den USA werden wöchentlich Geschichten wie Katzenjammer Kids in Zeitungen veröffentlicht, bevor sie im Rest der Welt nachgedruckt werden. Nach dreißig Jahren, in denen Comics in Europa kaum wahrgenommen wurden, fängt eine neue, dynamischere Zeit an. In Deutschland ersetzen Zeitungen und Zeitschriften, also Familienzeitschriften, Illustrierte oder Karikaturblätter die Bilderbogen. Aber zur Entwicklung einer Comic-Industrie wie in den USA kommt es in Deutschland nicht, und die Produktion, wenn auch nicht inexistent, ist im Vergleich zu England, Frankreich oder Italien recht gering. Beispiele sind deutsche Adaptationen von US-Amerikanischen Comics wie Donald Duck unter dem Namen Schnatterich, die Comic-Serie Kalle der Lausbubenkönig (eine deutsche Übernahme der Serie Perry von Martin Branner) in der Zeitschrift Neue Jugend zwischen 1933 und 1935, oder auch Prinz Waldemar, die deutsche Version von Prince Valiant von Hal Fosters, in der Zeitschrift Papagei (1939). Von deutscher Seite gab es allerdings wenige solcher Serien. Eine Ausnahme bildet Vater und Sohn von Erich Ohser, eine Serie, die zwischen 1934 und 1937 in der Berliner Illustrierten erschien, und in wortlosen Kurzgeschichten den Alltag der zwei Figuren poetisch und humorvoll darstellt. Comicserien mit Sprechblasen gab es auch, wie zum Beispiel der Comic Der fliegende Mensch von E. G. Hildebrand und Franz Friedrich Oberhauser (1937), der ein Jahr vor Superman erschienen war und sich als „erster deutscher Bildroman“ vorstellte. 

Erich Ohser, Vater und Sohn - Ende gut, alles gut (1936). Quelle: WikiMedia

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg kommt es zu einer wirklichen Popularität dieser Comicserien bei Kindern und Jugendlichen, in Zeitungen wie Micky Maus (ab 1951). Dies wird allerdings erschwert durch eine Schund- und Schmutzkampagne gegen den Comic. Pädagogen und Politiker der BRD verurteilen sie als triviale, verdummende Kinderlektüre und fürchten zunehmendes Analphabetentum. Eine Rolle spielt auch dazu die Angst vor dem Verlust der Textkultur und vor einer Überflutung durch die amerikanische Kultur. Nach dem Krieg handelte es sich nämlich in der BRD hauptsächlich um Importware, die kulturell nicht verwurzelt war, während vor dem Krieg noch etwas mehr Vielfalt herrschte und Comics deutscher Herkunft wie „Papagei“, „Dideldum“ und „Schmetterling“ zur Verfügung standen.

Dideldum, Titelseite der Ausgabe von 1876. Quelle: WikiMedia

In der DDR werden sie als gefährliche kapitalistische Indoktrination angesehen. 

Im Westen werden Comics in Schulöfen verbrannt oder gegen mehrere „gute“ Bücher eingetauscht. So entsteht von Seiten „anspruchsvoller“ Verlage kaum Interesse für Comics, diese werden dann meistens durch die Importindustrie oder „Trivial-Verlagen“ produziert. Nur wenige deutsche Eigenproduktionen kamen zustande, wie zum Beispiel „Fix und Foxi“ von Rolf Kauka.

In der DDR kam es zu einer unterschiedlichen Strategie, nämlich zu einer Eigenproduktion mit dem Hintergrund der Perspektive einer sozialistischen Erziehung der Jugendlichen in Zeitschriften wie Atze oder Mosaik. Während Atze jungen Pionieren vorbildliche Geschichten für ein „neues Deutschland“ erzählte, sollte Mosaik ein Gegenmodell zu Micky Maus bilden. So reisten die Figuren Dig, Dag und Digedag (später Abrafaxe genannt) durch die Welt und die Zeit. 

Mosaik, das sehr erfolgreich wurde, existiert übrigens heute noch.

Hannes Hegen, Digedags, Waldmalerei Waldowallee 15. Quelle: WikiMedia

Verlage in der BRD fanden einen Weg, Comics teilweise zu rehabilitieren, nämlich durch das Wiedererobern der Eltern. So wurde Erika Fuchs, eine promovierte Kunsthistorikerin als Chefredakteurin und -Übersetzerin der Micky-Maus-Hefte eingesetzt. Diese Frau, die also Akademikerin war und in die Sprechblasen ein raffiniertes Deutsch einbrachte, wirkte für eine Imageaufwertung der Zeitung mit einem neuen informativen Innenteil. Diese neue Vertrauensbasis sowie die große Leselust der Kinder und Jugendlichen erforderte dann Comics, die aus deutscher Produktion stammten. Darunter unter anderem Jimmy das Gummipferd von Roland Kohlsaat (1953-1977), oder Der kleine Herr Jakob von Hans Jürgen Press (1965-1989), die zuerst in Zeitschriften, und später als gesammelte Buchausgaben erschienen, sowie der oben genannte Fix und Foxi von Rolf Kauka (1953-2010). Erwähnenswert ist auch das vielfältigere Themenangebot, durch Hansrudi Wäschers Serien: Sigurd (eine Ritterserie, ab 1953), Nick (eine Weltraumserie, ab 1958) und Tibor (eine Dschungelserie, ab 1959).

Denis Kitchen unterschreibt ein U-Comix Poster beim Comicfestival München (2019). Quelle: WikiMedia

Auch Angebote für Erwachsene fingen an, sich zu entwickeln, wie zum Beispiel die Underground-Comix, satirische oder sozial relevante Comichefte, die in eigenständigen Verlagen veröffentlicht wurden, und die sowohl aus den USA als auch aus Eigenproduktion stammten, wie die Reihe U-Comix (1969-79, weitergeführt 1980-97, und jetzt ab 2019 wieder aufgenommen).

Andere Beispiele sind frühe Comic-Romane : Barbarella von Jean-Clause Forest (1966) oder Phoebe Zeitgeist von Michael O’Donoghue und Frank Spinger (1970), sowie andere deutsche Produktionen wie Manfred Schmidts Nick Knatterton (1950-1959), der oft als erster deutscher Comicklassiker angesehen wird, oder auch die anarchistische Comicreihe Schindelschwinger von Peter Schulz und Michael Ryba (1975-1977). Allerdings bekannten sich nur wenige Erwachsene zur ihrer Comicliebe. Comic wurde immer noch als Trivialliteratur angesehen und von der Öffentlichkeit weitgehend ignoriert.

Jean-Claude Forest, Barbarella (1966). Quelle: WikiMedia

Es kommt aber zu einem großen Wandel des öffentlichen Blicks auf Comics nach der 68er-Studentenbewegung.

III. 1968-heute, eine neue Blickrichtung: Comic als Kunstform

Eine große Wende in der Blickrichtung erfolgt im Zuge der 68er-Bewegung. Eine erneuerte Vision der Massenmedien kommt zustande, allerdings in zwei konkurrierenden Lagern: auf der einen Seite sahen Menschen in Massenmedien wie Comics eine potentielle ideologische Indoktrination seitens der Unterhaltungsindustrie (diese Vision stammte aus der Dialektik der Aufklärung von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, 1969), auf der anderen Seite wurde deren kommunikatives Potential geschätzt: Massenmedien machten die Kunst nicht nur der Elite zugänglich. Diese Idee wurde durch eine Comic-Ausstellung der Akademie der Künste in Berlin (1969/1970) noch verstärkt. Die Ausstellung, die durch zahlreiche bundesdeutsche Städte zog, ermöglichte es den Menschen die Vielfalt der Comics zu erkennen, sowie ihre Qualität zu sehen und zu verstehen, dass sie auch positive Werte vermitteln konnten. Die Zahl der Comicausstellungen wuchs nämlich nach dieser bedeutenden Ausstellung beträchtlich. Diese neue Erkenntnis reichte bis in die Welt der Forschung hinein. Der Comic wurde zum Forschungsgegenstand mehrerer Wissenschaftler aus Kunst und Literatur, Medien- und Kulturwissenschaften, sowie aus der Linguistik, Geschichte und Theologie. Sie fingen an, Inhalt, Ästhetik und Geschichte der Comics zu untersuchen, aber auch ihre Wirkung und Rezeption. Comic wurde in die Lehre und in einige Studiengänge integriert, und das Institut für Jugendbuchforschung der Goethe-Universität Frankfurt am Main eröffnete einen Forschungsprojekt. Allerdings blieb dieser Elan beschränkt: Diese Forscher bildeten nur einen kleinen Kreis, und Comics wurden nur marginal in Schulen und Hochschulen behandelt, zugleich wurde in der Öffentlichkeit die Reflexion über Comic weitgehend ignoriert. 

Anti-Krieg Marsch (USA, 1968). Quelle: WikiMedia

Trotzdem kommt es zu einer gewissen Subkultur, hauptsächlich durch die Jugendlichen, die in den 1950er und 1960er Jahren trotz der Anti-Comic-Kampagnen viele Comics gelesen und ihr Interesse bewahrt hatten. 1970 wurde die Interessengemeinschaft Comic Strip (INCOS) gegründet, die Fans, Sammler, Händler und Forscher zusammenbrachte. Mehrere Fanzines und Publikationen kamen zustande, wie das spezialisierte Magazin Comixene (1974 von René Lehnerer, Thilo Rex und Andreas C. Knigge gegründet), das noch heute existiert und ein internationales Niveau anstrebte, indem es die neuesten Entwicklungen verfolgte. Solche Zeitschriften beruhten hauptsächlich auf dem Engagement der Redakteure und Autoren. Andere Beispiele sind Zack (ab 1972), die erste Wochenzeitung für Comics, Rrraah! (zwischen 1978 und 2001), Sprechblase (1978 bis 2008) oder auch Reddition. Zeitschrift für Graphische Literatur (ab 1984), die Schwerpunktthemen zu europäischen und amerikanischen Comics erforschte. Das Medium Album etablierte sich auch langsam, und erlaubte es den Comics, länger in den Laden verfügbar zu sein, außerdem entwickelten sich allmählich spezialisierte Comicläden und der Comicversand. 

Zack-Logo. Quelle: Emmas-Comicworld

Erwähnenswert ist auch die anarchistische, alternative Linksszene, die im Zuge der 68er-Bewegung auftaucht, und sich für Comics wie BarbarellaAsterix und Autoren wie Robert Crumb interessierte. Erscheinungen dieser Bewegung, die sehr unter dem Einfluss des amerikanischen Underground-Comics steht, sind unter anderem Invasion aus dem Alltag von Gerhard Seyfried (1981), der mit mehr als 100 000 verkauften Exemplare zu einem Best-seller wurde, oder Werner von Brösel (Rötger Feldmann), eine Serie, deren Hauptfigur ein Proletarier mit Motorrad war, der immer mit einem Bier in der Hand gezeichnet wurde. In diesem Zusammenhang erschienen auch die ersten Werke von Ralf König, wie SchwulComix (1981).

1984 findet schließlich die bedeutendste deutsche Veranstaltung zum Comic zum ersten Mal statt. Es handelt sich um den Internationalen Comic-Salon in Erlangen, wo seitdem der berühmte „Max und Moritz-Preis“ vergeben wird.

Mit der Wiedervereinigung kommt es zu einer erneuten Dynamik der Comicszene. Nach dem Mauerfall verbreiten sich die experimentellen Werke ostdeutscher Autoren bundesweit, wie die der Gruppe „Renate“ (unter anderem Atak, oder Georg Barber) oder der Comiczeichnerin Anke Feuchtenberg. 

Ralf König, Wandmalerei in Brüssel (2019). Quelle: WikiMedia

Aber einen wahren Einschnitt in die Welt des Comics bildet die deutsche Ausgabe des Comics Maus von Art Spiegelman (1989 und 1991). Dieses Werk, das über die Geschichte von  Spiegelmans Vater, einem Überlebenden der Shoah, berichtet, führt zu zahlreichen Ausstellungen und zur Erkenntnis, dass Comics auf eine künstlerische Weise anspruchsvolle und ernste Themen aufgreifen können, was ihren Status radikal veränderte. Maus wurde zu einer der ersten sogenannten Graphic Novels, also längere, abgeschlossene Bildgeschichten, erklärt, welche sich eher an Erwachsene richten sollten. In diesem Zuge erschien eine Reihe von vielfältigen ästhetisch innovierende Graphic Novels, die als Kunstwerk verstanden und von Literaturkritikern sehr gelobt wurden und die ein elitäres Publikum anzogen. Auch die Verlage fingen an, mehr Risiken einzugehen und neue Werke zu publizieren, wie die Heftreihe Wondertüte (zwischen 1998 und 2002) und Die Hure H von Anke Feuchtenberg (1996).

Allerdings wuchs die Kritik an diesem Label, denn es führte teilweise zu einer Spaltung zwischen einem trivialen Comic, der der Unterhaltung der Massen dient, und Graphic Novels, die als eine Art graphischer Belletristik verstanden werden. Letztere sind relativ erfolgreich, auch wenn nach wie vor nur wenige Künstler von ihrer Arbeit leben können. Aber eine Begeisterung für Comics gibt es dennoch, was durch die Anzahl an Anleitungsbüchern zum Comiczeichnen für alle Niveaus belegt wird.

In den letzten Jahren ist es zu einer größeren kulturellen Akzeptanz der Comics in Deutschland gekommen. Von der Auffassung als „Opium in der Kinderstube“ ist lange nicht mehr die Rede. Comic ist jetzt Gegenstand von Forschung und Lehre an den Universitäten, und Inhalt wie Material im Schulunterricht, in Fächern wie Deutsch, Geschichte, Fremdsprachen usw. 2004 wurde sogar die Gesellschaft für Comicforschung (ComFor) gegründet, um die Wissenschaftler zu verbinden und Wissenschaftstagungen zu organisieren, deren Ergebnisse in Tagungsbänden erscheinen. 

Verlage sind den Comics immer freundlicher, und auch traditionelle Verlage veröffentlichen jetzt Bildgeschichten. Es handelt sich in diesen Fällen oft um Adaptionen, die die spezifischen Möglichkeiten des Mediums nutzen, um an das Thema neu heranzugehen. Auch nicht-fiktionale Werke tauchen vermehrt auf, wie Biografien, naturwissenschaftliche Werke oder historische Arbeiten. Auch populärwissenschaftliche Bücher über Comic sind heute Bestandteil der Kataloge. 

Comic-Salon in Erlangen (2012). Quelle: WikiMedia

Auch die Presse hat heute eine neue Herangehensweise zum Comic entwickelt. Zahlreiche Zeitungen veröffentlichen jetzt Rezensionen zu aktuellen Comics, und immer mehr Tageszeitungen produzieren ihren eigenen Comics. 

Aber auch wenn Comics mehr und mehr an Aufmerksamkeit gewinnen, ist es selten, dass deutsche Comiczeichner von ihrer Arbeit leben können. Das wurde zum Beispiel in dem „Comic-Manifest“ 2013 von Comiczeichnern, -forschern und -fans ausgedrückt: sie forderten mehr Gleichberechtigung und Förderung des Comics, der als eine wirkliche Kunstform angesehen werden soll, ohne die Spaltungen zwischen Comic, Graphic Novel, Manga usw. zu berücksichtigen. 

Eine neuere Generation von Autoren wächst aber trotz aller Hindernisse heran: Isabel Kreitz zum Beispiel mit Die Sache mit Sorge (2008), wo sie das Leben von Richard Sorge, der die deutsche Botschaft für die UdSSR während und nach dem Zweiten Weltkrieg ausspionierte, erzählt. Auch die internationale Aufmerksamkeit auf diese Generation wird auf einmal viel größer, und mehrere deutsche Autoren veröffentlichen zum ersten Mal im Ausland, wie Jens Harder mit Alpha. Directions(2009), der in Frankreich erschien, und später den Max-und-Moritz-Preis bekam.

Art Spiegelmann, Maus (Fnac Forum 2017). Quelle: Flickr

Die deutsche Comicszene ist heute durch ihre Offenheit und ihr ästhetisches Experimentieren charakterisiert. Einige Beispiele sind Reinhard Kleist mit I see a darkness (2006), ein Graphic Novel über das Leben von Johnny Cash, oder Arne Bellstorf mit Baby’s in Black (2010), der von Stuart Sutcliffe, einem der Gründer der Beatles, der aber kurz vor ihrem Erfolg die Band verlassen hatte, erzählt, oder noch Anna Haifisch mit The Artist (), wo ein vogelartiges Geschöpf erfolglos versucht, ein großer Künstler zu werden. Aber auch viele autobiographische oder autofiktionale Werke werden von dieser Generation geschaffen, wie Wir können ja Freunde bleiben (Mawil, 2003), wo der Autor persönliche Geschichten aus seiner Jugend inszeniert, oder Liebe schaut weg (Lile Hoven, 2007), wo die Tochter einer Amerikanerin und eines Deutschen versucht, die Erinnerungen der beiden Familien zu untersuchen. Erwähnenswert ist auch der vor kurzem erschienene Comic Anna (2021) von Mia Oberländer, in dem drei Generationen von Frauen (Anna 1, Anna 2 und Anna 3), von denen die zwei Letzten abnormal groß sind, sehr liebevoll dargestellt werden. 

Nach einer komplizierten Geschichte zwischen Experimentieren, Proto-Formen des Comics, Aufschwung, Ablehnung, von einfacher Duldung bis zur heutigen wachsenden Begeisterung haben Comics in Deutschland für sich schließlich einen Platz geschaffen und eine kulturelle Akzeptanz erreicht, die auf eine dynamische Zukunft hindeuten lässt. 

Sources 

“Geschichte der Comics”, Was war wann? Geschichte von 0000 bis gestern. (s.d.) Consulté le 17 juin 2022. URL : https://www.was-war-wann.de/geschichte/comics.html

Grünewald, Dietrich: "Geliebt und beargwöhnt: Zum kulturellen stellenwert von comics in Deutschland.", Kultura 165 (2019), 241-258.

Grünewald, Dietrich : “Zur Comicrezeption in Deutschland”, Aus Politik und Zeitgeschichte/bpb.de. Mis en ligne le 05 août 2014, consulté le 17 juin 2022. URL : https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/189536/zur-comicrezeption-in-deutschland/

Knigge, Andreas C.: « Made in Germany. Notes sur l’histoire de la bande dessinée en Allemagne », Germanica [En ligne], 47 | 2010. Mis en ligne le 01 décembre 2012, consulté le 06 juillet 2022. URL : http://journals.openedition.org/germanica/1082 ; DOI : https://doi.org/10.4000/germanica.1082

Peterson, Robert S. : « Die Geschichte des Comic ». (s.d.) Consulté le 17 juin 2022. URL : https://www.goethe.de/ins/us/de/kul/art/pop/21447842.html 

Schmitz, Alfried : « Geschichte des Comics. Max und Moritz waren einflussreich”. Mis en ligne le 24 août 2017, consulté le 17 juin 2022. URL : https://www.deutschlandfunk.de/geschichte-des-comics-max-und-moritz-waren-einflussreich-100.html 

 

Pour citer cette ressource :

Joanne Hebert, "Die Geschichte des Comics in Deutschland ", La Clé des Langues [en ligne], Lyon, ENS de LYON/DGESCO (ISSN 2107-7029), juillet 2022. Consulté le 29/03/2024. URL: https://cle.ens-lyon.fr/allemand/arts/bande-dessinee/die-geschichte-des-comics-in-deutschland